Einmal andere als ausgetretene Pfade

Wer gerne einmal andere, naturnahere Wege in der Aquaristik beschreiten will, wird hier eine interessante Anzahl von Beobachtungen und Ratschlägen finden, die effizienter sind als ganze Abhandlungen über Wasserbeschaffenheit und die hoch technisierten Hilfsmittel. Sie sind von einem Aquariumpflanzenzüchter beschrieben der 40 Jahre seines Lebens nach diesen Erkenntnissen gearbeitet hat, und der weiss, wovon er schreibt, wenn er über die Wirkungen der spektralen Zusammensetzung des Lichtes berichtet, die im Aquarium nicht den bisher üblichen Ansichten entsprechen. Die Erfahrungen darüber sind in keinem andern Buch zu finden.

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FÜR EINMAL ANDERE ALS AUSGETRETENE PFADE (Gedanken zur Aquaristik)

Bei einem solchen Titel stellt sich zuerst die Frage: Was sind denn ausgetretene Pfade? Ausgetretene Pfade sind nicht geteerte Wege in der (oder in die) Natur. Denn geteerte Wege können nicht ausgetreten werden, wohl aber Wege auf natürlichem Boden. Sie haben dann die Eigenschaft, dass sie immer breiter werden und dass sich auf ihrem Boden immer weniger vegetative Natur ausbreiten kann. Auch ist entlang ihrer Ränder nicht etwa die Natur, die sich ausbreitet, sondern eher die Zivilisation. So sind weisse und auch farbige Punkte an den Rändern ausgetretener Wege niemals Blumen, sondern immer Papier und Plastik von Verpackungen sog. zivilisatorischer Produkte. Überall hat es improvisierte Feuerstellen voll Asche, umgeben von geschwärzten Steinen, die uns zeigen, wie viele da schon ihr eigenes Süppchen gekocht haben. Ganz anders wenig begangene Wege! Sie sind nicht in aller Leute Munde und werden daher nur selten begangen, sind deshalb aber voller Überraschungen und voller Schönheiten. Und beides: Schönheiten und Überraschungen sind aus der Natur - und nicht aus der Zivilisation. Dort blühen manchmal mitten auf dem Wege die seltensten Pflanzen, die bei ausgetretenen Pfaden nicht einmal an ihren Rändern aufkommen können.

Wollen wir einmal auf dem Gebiet der Aquaristik einen Vergleich zwischen diesen beiden verschieden gestalteten Pfaden anstellen. Begehen wir dabei zuerst einmal die verschiedenen Pfade zur Erkenntnis der Wirkungen verschiedener Lichtarten. Entlang des einen, des ausgetretenen, zieht sich vor allem die Theorie aus einem Versuch von 1882, in welchem ein gewisser Engelmann anhand der Sauerstoffproduktion erkennen wollte, welche spektralen Segmente des Tageslichtes die Fotosynthese, und damit das Wachstum der Pflanzen am meisten fördern. Dazu belichtete er einen Grünalgenfaden (Oedogonium) mit normalem, durch ein Lichtmikroskop spektral aufgefächertem Tageslicht. Dem Wasser beigefügte, Sauerstoff liebende Bakterien sollten ihm durch ihre Konzentration in den verschiedenen Lichtsegmenten anzeigen, in welchen am meisten Sauerstoff produziert werde. Das geschah vorzüglich in den Zonen roten und blauen Lichtes. Also - so schloss man daraus - brauchen Pflanzen vor allem blaues und rotes Licht zu ihrem Wachstum (denn eben beim Wachstum produzieren sie aus Kohlendioxyd durch seine Spaltung Sauerstoff indem sie den Kohlenstoffteil zum Aufbau ihres Pflanzenkörpers brauchen). Diesen inzwischen völlig ausgetretenen, mühseligen Weg haben mittlerweile schon Abertausende - ihn gewissermassen nachbetend - begangen oder zu gehen versucht, und entlang seiner Ränder befinden sich unzählige Feuerstellen, auf welchen so mancher sein eigenes Süppchen (in der Theorie, aber vor allem auch mit Geschäftspraktiken) gekocht hat, und liegen ferner so viele halb ausgebrannte Fluoreszenzröhren, deren Lichtspektrum exakt für den Pflanzenwuchs zusammengestellt wurde, sodass es echt mühsam wird darauf auch wirklich vorwärts zu kommen. Denn, wenn wir auch einmal voraussetzen wollen, dass die Versuche Engelmanns korrekt vorgenommen und auch richtig interpretiert worden sind, so berücksichtigen sie immerhin noch absolut nicht, dass derselbe Algenfaden, der bei Rot- und Blaulicht mehr Sauerstoff abgibt, weite Strecken auch mit Grün- und Gelblicht beschienen wurde, was war in jenen Abschnitten alles vorgegangen, das vielleicht die nachherige Sauerstoffproduktion mit Hilfe des Chlorophylls an den rot und blau beschienenen Stellen erst ermöglicht hat. Noch weniger berücksichtigen sie den Umstand, dass alle Pflanzen von Natur aus an ihren Endpunkten (Spitzen) die grösste Wachstumstätigkeit entfalten und Rot und Blau in der spektralen Zerlegung des Lichtes ebenfalls die jeweiligen Endpunkte der Farbskala bilden. Es müsste also zuerst nachgewiesen werden, dass ein solcher Faden bei unzerlegtem weissem Licht an seinen Endpunkten nicht stärker wächst und darum auch nicht mehr Sauerstoff produziert als in den mittleren Abschnitten. Und sie berücksichtigen gar nicht, dass damit noch lange nicht bewiesen ist, dass alle Pflanzen vor allem nur mit demselben spektralen Lichtanteil am besten assimilieren können. Aber schon die Interpretation war nicht umsichtig genug. Zuerst wäre nämlich nachzuweisen, dass die beim Versuch verwendeten Bakterien sich tatsächlich vor allem des höheren Sauerstoffgehaltes des Wassers wegen im blau und rot belichteten Teil des Wassers aufhielten. Vielleicht bevorzugen und brauchen ja gerade sie selber diese Lichtfarben. Denn auch Bakterien können auf den Lichtreiz reagieren. Wie gering die Aussagekraft und Aussagerichtung eines auch noch so gut nachgewiesenen Faktums sind und wie weiträumig dementsprechend die Interpretationsmöglichkeiten sind, soll an drei Beispielen gezeigt werden:

1. Wenn wir Versuche machen würden, bei welcher Stoffzufuhr in der Nahrungsaufnahme der Mensch - aber auch das Tier - am längsten überleben kann, so wäre beispielsweise das Wasser an erster Stelle. Aber daraus zu schliessen, dass der Mensch mit Wasser alleine überleben könnte, wäre augenfällig falsch - und zwar auch dann, wenn wir das Wasser mit Kohlensäure und Nitrat, zwei unerlässlichen Komponenten zur Eiweissproduktion, ebenso anreichern würden wie mit weitern Spurenelementen.

2. In einem erst in neuerer Zeit erfolgten Laborversuch zeigte sich zwar, dass gereinigte Chlorophyllauszüge besonders den Rot- und Blauanteil des Lichtspektrums absorbieren; sodass die Annahme nahe liegt, dass sie speziell diese Lichtanteile auch brauchen. Aber anderseits absorbiert die schwarze Farbe am meisten Licht und vor allem auch das ganze Spektrum mitsamt der Wärmestrahlung. Also müsste man dieser Erkenntnis zufolge auch annehmen, dass speziell in licht- und wärmearmen nördlichen Gegenden die schwarze Hautfarbe unter den Menschen verbreitet sein müsste. Indessen gibt es sie aber nur gerade in den heissesten und lichtreichsten äquatornahen Gegenden, wo ohnehin ein Überfluss an Wärme und Licht besteht! Also lassen solche Feststellungen von Fakten und Eigenschaften überhaupt keinen Schluss auf Notwendigkeiten und Voraussetzungen zu.

3. In Wäldern gibt es - bewirkt durch das Blätterdach - vor allem grünes Licht mit nur wenig Rot- und Blauanteil. Aber ausgerechnet jene Wasserpflanzen die in Wäldern wachsen (viele Cryptocoryne-Arten) ertragen rot- und blaulastiges Licht besser als Pflanzen, die in offenen Gewässern stehen, wo von Natur aus mehr Blau- und Rotanteil im Tageslicht enthalten ist. Anderseits ertragen die in offenen Fluren vorkommenden wuchskräftigsten Aquariumpflanzen, die Echinodorus-Arten, ein nur einseitig aus Rot und Blau zusammengesetztes Kunstlicht am schlechtesten, wie wir später noch sehen werden.

Wir sehen: der ausgetretene Pfad hat uns nicht nur sehr viel unbrauchbaren Abfall beschert, sondern er ist auch kreisförmig angelegt, sodass man auf ihm immer wieder auf den Ausgangspunkt (den Engelmannschen Versuch) zurückkommen muss, ohne jedoch beim Begehen Neues oder auch nur für die Praxis Nützliches gefunden zu haben. Das ganze Wegtrasse beruht auf Versuchen, nicht auf der Praxis. Und Versuche haben es in sich. Denn Versuche sind Bestrebungen, auf eine Frage eine Antwort zu erhalten. Wenn aber recht ungeschickt gefragt wird, so kann auch keine richtige Antwort darauf gegeben werden. Dafür ein Beispiel:

Wenn wir bei einem Schornstein den Rauch aufsteigen sehen, so können wir allenfalls einem fragenden Kleinkinde der Einfachheit halber erzählen, dass damit das Haus geheizt wird. Jeder klar Denkende und in die Sachlage Eingeweihte jedoch erkennt sofort, dass gerade eben mit solchen warmen Abgasen aus dem Schornstein oder Kamin nicht nur nicht geheizt wird, sondern dass - im Gegenteil - durch sie Energie für das Haus verloren geht. Die Verbrennung alleine heizt wirklich, und es liegt in der Natur der Sache, dass die beim Heizvorgang neu erzeugten Stoffe (viel Rauch und etwas Russ und Asche) noch von dieser Hitze in sich tragen und speziell der Rauch bei seiner Verflüchtigung seinen mitgeführten Anteil der Wärme auf seinem Wege abgibt und damit dem Haus oder dem Heizsystem entführt. Folglich ist der Kamin nicht der Ort der Wärmeerzeugung - wie es oberflächlich betrachtet aussehen mag -, sondern der Ort des Wärmeverlustes, trotz der gut spürbaren Wärmewirkung in seiner Nähe.

Aber auch wenn wir uns in dieser Sache als wissbegierige Aussenstehende und bloss mit messwissenschaftlichen Versuchen Arbeitende (des Beispiels halber ohne all die selbstverständlichen Kenntnisse über die Funktionsweise einer Gebäudeheizung) fragen würden, wo in einem Hause Wärme erzeugt wird, und wir dabei nur die äusseren Gegebenheiten berücksichtigen können, weil es uns verwehrt ist, in das Haus einzudringen, so müssen wir zum Schluss kommen: "Es wird zuoberst am Kamin geheizt". Ja sogar eine moderne Infrarotaufnahme würde das belegen, dass am Ende des Kamins der wärmste Punkt eines Hauses ist, während doch in Wirklichkeit überhaupt nicht einmal im Kamin geheizt wird, sondern nur in seiner Nähe, im Ofen, und der steht zumeist zuunterst im Keller. Diese Tatsache bleibt auch dann bestehen, wenn um einen Kamin herum Wärme liebende Tiere schleichen würden - wie sich um den Algenfaden im Engelmannschen Versuch Sauerstoff liebende Bakterien bei Rot- und Blaulicht sammelten. Also Versagen in diesem Falle alle messbaren Daten, weil sie sich nicht richtig interpretieren lassen, ebenso wie die oberflächliche Feststellung, dass Wärme liebende Tiere diesen Ort aufsuchen. So wirklichkeitsfremd kann also der voreilige Schluss auf die recht ungeschickt gestellte Frage nach dem "Wo" der Wärmeerzeugung in einem Hause aussehen.

Begehen wir darum also einmal einen andern Weg, der viel weniger ausgetreten ist, und auf welchem noch so manche Blume der Erkenntnis blühen kann, weil sie nicht von all der Theorie zu Boden getrampelt wurde. In meiner Wasserpflanzenzuchtanlage brennen über l50 Fluoreszenzröhren von 1,2 m Länge mit kaltweissem Licht. Unter allen zog ich schon mehrere Jahre mit grossem Erfolg alle Arten von Aquariumpflanzen. Weil aber die Nachfrage nach meinen submers gezogenen Wasserpflanzen grösser wurde als der Zuwachs in meiner Anlage, suchte ich - mangels vorhandenen Platzes - nach Möglichkeiten, die Wachstumsgeschwindigkeit zu steigern. Darum versuchte ich es - gegen meine innere, gefühlsmässige Überzeugung - dennoch einmal mit den so lange schon so hoch gepriesenen Fluoreszenzröhren mit dem so genannt Pflanzenwuchs fördernden, rötlich-violetten Licht. (Das war vor ca. 35 Jahren, und es waren 6 oder 8 Stück.) Jene, die über Echinodoruskulturen brannten, musste ich bereits nach eineinhalb Monaten wechseln, weil die Pflanzen stark chlorotische Blätter entwickelten. Die letzten entfernte ich nach 4 bis 6 Monaten. Ich wartete dabei nur darum eine so lange Zeit, um sicher zu gehen, dass nicht andere widrige Umstände für ein derart miserables Resultat eine Schuld tragen könnten. Seit meiner 40-jährigen geschäftlichen Tätigkeit als Pflanzenzüchter hatte ich noch gar nie bei allen meinen andern Versuchen ein derart schlechtes und negatives Resultat erzielt. Ich kenne auch keinen unter meinen unzähligen Privatkunden, die jeweils am Samstagnachmittag bei mir einkaufen (durch die Woche haben wir nur Engros-Verkauf), der unter Ausschluss von Tageslicht oder Mischlicht durch andere Röhrentypen mit Röhren dieses überbetonten Rot- und Blauanteils des vollen Spektrums Erfolg gehabt hätten. Hingegen fand ich bei einem inzwischen schon lange nicht mehr existierenden Konkurrenzbetrieb ein unerhörtes Beispiel für die Aussagekraft der Praxis gegenüber den ausgetretenen Pfaden der Theorie:

Dieser hatte nämlich Aquarien verschiedener Längen in langen Gestellreihen nebeneinander gestellt und beleuchtete diese alle mit 1,2 m langen Fluoreszenzröhren - ebenfalls Stück an Stück gereiht -, sodass also die Röhrenenden nicht mit den seitlichen Aquarienenden übereinstimmten. Und dabei traf es sich, dass sich über einem 1 m langen Aquarium eine kaltweiss brennende Röhre und eine rötlich-violett brennende Röhre begegneten, sodass das Aquarium ca. zu zwei Dritteln seiner Länge mit kaltweissem Licht belichtet wurde und zu einem Drittel mit rot-blauem Licht. Das Becken war mit Hygrophila difformis bepflanzt und reichlich mit Platys besetzt. Der Besitzer selber machte mich darauf aufmerksam, wie hier in demselben Becken mit demselben Bodengrund und demselben Wasser, denselben Fischen und derselben Filterung die Pflanzen so unter-schiedlich gut wachsen, dass über die Hälfte der Pflanzen schön grün seien und der Rest chlorotisch. Dabei habe er schon zweimal Eisen beigegeben, und zwar exakt auf jener Seite, auf welcher die Pflanzen chlorotisch seien. Es habe aber nicht viel genutzt - und wenn schon, dann seien höchstens die grünen noch etwas grüner geworden, aber die gelblichen nicht weniger gelb. Ich bestätigte ihm nur, dass es in der Natur eben noch gar viele Dinge gäbe, die uns Menschen immer noch verborgen seien, und hoffte dabei, dass meine Frau, die neben mir stand, nicht auf den Gedanken käme, ihm von unseren Versuchen Erwähnung zu tun, denn immerhin - -, er war trotz allzeit freundlichen Umganges mein Konkurrent, obwohl sein Hauptgebiet die Fischzucht war und die Pflanzen nur ein Nebenerwerb. Ist das nicht eine erfrischende Erlebnisblüte auf dem naturnahen Weg der Praxis: zu sehen, wie blind Menschen werden können, die eher glauben, als selber prüfen. Denn auch der Glaube an die Wissenschaft und ihre Resultate bleibt blosser Glaube, solange nicht eigene Praxis ihn bestätigen kann! Denn von Wasserwerten, Eisendüngung und Bodengrund kannte er viel; vielleicht auch vom Licht. Aber alles das nur durch die andern, an die er offenbar glaubte. Aus eigener Praxis kannte er nur die Unbegreiflichkeiten. Ein anderes Mal stand ich vor dem Aquarium eines meiner stillen Gönner. Er hatte eine schwarze Amazonas in seinem Becken stehen, die ihrem Namen alle Ehre machte: sie war schwarz-grün wie ein gesunder Tannenwald, nur hatte sie den Makel von drei ganz hellgelb-grünen Herzblättern. Natürlich sah ich sofort das rötlich-violette Licht einer so genannten Pflanzenwachstum fördernden Röhre über dem Aquarium. Nur war mir nicht klar, wie die Pflanze dabei so viele wirklich reizend schöne tannengrüne Blätter treiben konnte. Ich vermutete deshalb eher eine Vergiftung durch den Einsatz chemischer Mittel, welche ebenfalls chlorotische Blätter hervorbringen kann, - denn schliesslich hatte dieses Aquarium, im Unterschied zu jenem meines Konkurrenten, einen kleinen Rest Tageslicht, was die Ausschliesslichkeit der blossen Rot-Blau-Bestrahlung etwas mildern kann. Ich fragte ihn deshalb, was er denn getan habe, dass diese schwarze Amazonas (Echinod. parviflorus) so helle, chlorotische Blätter treibe; und er antwortete mir, dass er eben gesonnen war, mich als Fachmann darüber zu befragen. Und ich gab ihm dann zur Antwort, dass ich es ihm wohl sagen könnte, wenn nicht gerade bloss nur drei Blätter gelb wären, sondern alle. "Ja, was wäre es dann?" fragte er verblüfft zurück, und ich antwortete ihm: "Dann wäre es dieses sterbenselende Dämmerlicht, das nichts taugt, obwohl es von allen empfohlen wird!" – "Ja dann ist es dieses Licht!" rief er mit Überzeugung aus. "Denn ich wechselte die Röhre vor ziemlich genau einem Monat - und vorher hatte ich eine weisse drin." Er wechselte die Röhre daraufhin erneut und erhielt in der Folge auch wieder schön dunkel geäderte Blätter. Die meisten andern Pflanzen jenes Aquariums gehörten zu den Cryptocorynen, die weniger empfindlich auf diese rot-blaue Strahlung reagieren als schnell wachsende Arten wie Echinodoren und Hygrophila. Wieder ein naturnaher Pfad, nicht breitgetreten von Theorie und unzähligen, oft falsch angeordneten Versuchen!

Einmal hatte ich in einem Aquarium mit einer Echinod. "Indian Red"-Mutterpflanze eine hartnäckige Wassertrübung, sodass ich einen UV-Wasserklärer einsetzte, dessen äussere Ummantelung aus durchsichtigem Glas bestand, sodass das violette stark leuchtende und fast blendende Licht gut gesehen werden konnte. Schon das nächste Blatt dieser "Indian Red" nach Einschalten der UV-Lampe wurde deutlich grösser, auch verhältnismässig breiter und war äusserst robust, leicht durchscheinend, wie sonst eher Blätter von Pflanzen aussehen, die mit CO2 getrieben wurden. Nach fünfwöchiger Brenndauer hatte die Pflanze bereits 6 Blätter, die alle um die Hälfte bis fast das Doppelte grösser waren als alle vorherigen. Weil auch  eine Echinod. horizontalis, die in der Nähe stand, schneller wuchs und etwas grösser wurde, begann ich die Möglichkeit dennoch in Betracht zu ziehen, dass Licht im violetten Bereich einen wesentlichen Einfluss auf Wachstum und Blattgestaltung haben könnte. – Ich bin ja nicht stur, nur schwergläubig. In dieser Ansicht wurde ich noch durch den Umstand bestärkt, dass nach Abschalten dieser UV-Lampe die folgenden Blätter beider Pflanzen wieder nur normale Grösse erreichten. Während alle andern Pflanzen desselben Aquariums ohnehin ihre Wuchseigenheiten nie geändert hatten - aber auch alle weiter weg von der violetten Lichtausstrahlung der UV-Lampe standen. Im Hinblick darauf, dass ich diese einmalige Erscheinung falsch interpretieren könnte, hatte ich das Glück, dass ich mit der Trübung Pech hatte. Denn diese Trübung kam nach einiger Zeit immer wieder auf, sodass ich insgesamt noch 4-mal dieselbe UV-Lampe - immer am selben Ort montiert - verwenden musste. Dabei freute ich mich schon auf die grossen Blätter. Aber nicht ein einziges Mal mehr haben sich Wuchsgeschwindigkeit und -grösse dieser beiden Pflanzen verändert. Dass dieses Licht das erste Mal Grund zu solcher Veränderung war, steht ausser Zweifel. Aber es war weder die eigentliche noch die direkte Ursache, denn sonst hätte es mindestens noch ein- oder zweimal geschehen müssen. Hätte ich das erste Erlebnis in einer Zeitschrift beschrieben gehabt, so wäre die Literatur um einen "Beweis" für die Wirksamkeit rot-blauen Lichtes reicher geworden, aber dafür die ganze, das heisst: vollständige Wahrheit um einen Fall ärmer!!

Ein ähnliches Erlebnis, aber auf einem andern Gebiet der Aquaristik, will ich später an entsprechender Stelle - zur Verdeutlichung dieser möglichen ungewollten Irreführung - ebenfalls erwähnen.

Zuguterletzt muss ich aber doch noch erwähnen, mit welcher Fluoreszenzröhre wir alle unsere Pflanzen belichten. Es geschieht - seit es diese gibt - mit den so genannten Dreibandenröhren, in unserm Fall mit dem Typ TLD 840 von Philips (kaltweiss). Diese Art von Fluoreszenzröhre hat ihren Namen vom Umstand her, dass sie nur in drei ganz kleinen Segmenten des vollen Lichtspektrums strahlt und damit natürlich den überwiegenden Teil des vollen Spektrums nicht abdeckt. Diese Röhrentypen haben aber eine überaus hohe Lichtausbeute. Der Erfolg ist trotz dieser minimalen Ausnützung des vollen Spektrums sehr gut. Dabei lassen wir alle Röhren bis zum letzten Funken Licht brennen (im Durchschnitt sind das 2 bis 3 Jahre bei 14 Stunden täglicher Beleuchtungsdauer). Nach dem Einsatz einer neuen Röhre können wir jeweils keine Wachstumssteigerung feststellen. Wir verwenden bei Aquarienquerschnitten von 50 x 32 cm (Breite x Höhe) bis 45 x 45 cm jeweils nur eine einzige Röhre in der vollen Länge des Aquariums. Die Aquarien sind alle 1,3 m lang. Ab einem Querschnitt von 5o x 5o cm würden wir 2 Röhren empfehlen. (Auch der Röhrentyp Philips TLD 830 mit einem warmweissen Licht ist für das Pflanzenwachstum sehr gut geeignet. Der Grund, weshalb er bei und keine Verwendung findet, besteht im Umstand, dass bei diesem Licht das Wasser leicht gelblich erscheint, sodass wir den Sättigungsgrad des Wassers mit Huminsäure, die sich im Aquarium durch zerfallende Pflanzenteile immer bildet, visuell nicht mehr erkennen können.) Solche Dreibandenröhren mit ihrer hohen Lichtausbeute vor ihrer Funktionsuntüchtigkeit auszuwechseln, kommt einer Vergeudung und Umweltverschmutzung gleich und nützt den Pflanzen nichts, es erhöht nur die Umsätze und damit das Bruttosozialprodukt, auf welches viele so stolz sind, weil sie es als Leistung ansehen, möglichst viel zu erwirtschaften, gleichgültig, ob sinnvoll oder sinnlos. Alles das gehört zum Zivilisationsschutt ausgetretener Pfade. So viel zum wichtigen Gebiet der Beleuchtung! Aber auch durch den übrigen grossen Wald all der vielen Probleme in der Aquaristik führt dieser wenig ausgetretene Weg der Praxis in derselben frischen Natürlichkeit durch alle Fragenkomplexe hindurch, wie zum Beispiel jenem der Düngung und des Nitratüberschusses, was wir bald erkennen werden, wenn wir ihn weiter verfolgen:

Da ich selber kein eigentliches Aquariumgeschäft habe, sondern nur eine Aquariumpflanzenzucht für den Engros-Verkauf, welche allerdings mit Fischen zusammen betrieben wird, kann ich meine Anlage jeweils nur an Samstagnachmittagen für den Detailverkauf öffnen. Da geschieht es dann aber oft, dass private Kunden erstmals zu mir kommen, die bereits irgendwo ein Aquarium gekauft haben, das aber nicht so recht funktionieren will. Sie haben meistens von Bekannten vernommen dass es hier eine Anlaufstelle gäbe, wo man endlich einmal eingehend und richtig beraten würde. Und da wiederholt sich dann zu Beginn oft ein und dasselbe Frage-und-Antwort-Spiel, das ich hier im Grundsätzlichen wiedergebe. Der neue Kunde gibt mir bekannt, dass er vor nicht allzu langer Zeit ein Aquarium gekauft habe, das aber nicht so recht funktioniere. Der Nitratgehalt sei immer zu hoch (manche haben auch schon mit Schmieralgen Bekanntschaft gemacht). Meine erste Frage darauf: "Wachsen Ihnen denn die Pflanzen?" – "Eben nicht!" kommt dann die Antwort und ich erwidere: "Ja, wenn die Pflanzen nicht wachsen, so kann überhaupt nichts recht gedeihen. Da hat es keinen Wert, den Nitratgehalt zu messen, denn der ist dann immer zu hoch - weil ihn ja eben die Pflanzen nicht brauchen können, solange sie nicht wachsen. Wir müssen darum zuerst einmal zusammen eruieren, weshalb die Pflanzen nicht gedeihen wollen. Haben Sie viele Pflanzen im Aquarium?" Die Antwort fällt verschieden aus. Viele haben nur wenige, andere genügend. Bei zu kleinem Pflanzenbestand bleibt ein Ausbalancieren aller Faktoren, die das Milieu in einem Aquarium beeinflussen, etwas vom Schwierigsten. Denn je mehr verschiedene Faktoren wirken können, desto eher besteht die Möglichkeit, dass sich die einzelnen Komponenten des Ganzen irgendwie auf natürliche Weise von selbst ergänzen können. Ich merke in einem solchen Falle diese Gegebenheiten oder diese Tatsache zwar wohl an, aber manche geben ihr Geld eben viel lieber für eine - in ihren Augen - effizientere Technik aus als für ein paar weitere - in ihren Augen - unnütze Pflanzenstauden. Solche haben zumeist auch keine Empfindung für die Kargheit und Leere ihres Aquariums, das doch eigentlich ihre Wohnung zieren und bereichern sollte. Darum muss ich in solchen Fällen wenigstens ebenso weiter fragen wie in jenen Fällen, da genügend Pflanzen vorhanden sind. Denn im Prinzip müssen ja auch nur wenige Pflanzenexemplare wachsen, nur wird ihre Entwicklung viel leichter durch sich ergebende Unausgewogenheiten innerer Abläufe gestört. Also frage ich weiter; "Wie gross ist das Aquarium? Ich muss die Länge, die Tiefe und die Höhe wissen". Nächste Frage: "Wie viele Röhren sind darauf? Was geben sie für ein Licht ab: rötlich-violettes, gelbliches, bläuliches oder rein weisses - und wie lange ist es eingeschaltet?" Viele haben zu wenig oder zu kurze Röhren und dabei erst noch jene Pflanzenleuchten, die weniger Lichtausbeute haben, aber dafür gerade noch ein Spektrum, das Gelbsucht (Chlorose) bewirkt. Viele lassen das Licht auch zu wenig lange brennen (weniger als 12 Stunden). Da muss ich dann umständlich alles erklären, was wir im vorher beschriebenen Problemwald "Licht" alles so erleben konnten, und ich muss den Kunden extra noch darauf hinweisen, dass ich als vernünftiger Geschäftsmann doch sicher jene Röhrentypen verwende, welche mir die grösstmöglichsten Wachstumsraten bringen. – "Ja, ich wurde eben anders beraten",  ist da oft die Antwort. Man sieht hier im Stillen schon wieder den ausgetretenen Pfad entlang welchem sich so mancher Produzent und auch so mancher Detaillist sein Süppchen gekocht hat. Nach der Klarstellung der Verhältnisse auf diesem Gebiet geht die Fragerei weiter: "Was haben Sie für einen Bodengrund?" Viele haben Dünger, die meisten zu grobkörnigen Kies. Jenen, die Dünger verwenden, rate ich, den Bodengrund jetzt schon, gleich zu Beginn, zu wechseln, anstatt mühsam zu versuchen, das Aquarium mit diesem Kultur- und. Geschäftemacherabfall zusammen in ein Gleichgewicht zu bringen. Denn die Vorratsdünger fliessen nicht immer in der vom Hersteller vorgesehenen gleichmässigen Weise! Da hängt vieles von den örtlichen Entwicklungen und Gegebenheiten ab. Und früher oder später kommt es zum Kollaps. Will das der Kunde nicht, so belasse ich ihn bei seinem Vorhaben, mache ihn darauf aufmerksam, dass er bei genügenden Lichtverhältnissen sowie möglichst vielen Pflanzen und öfterem Wasserwechsel sein Aquarium ca. ein bis maximal zwei oder drei Jahre betreiben könne. Wenn es aber dann endgültig nicht mehr gehe, so wäre dann die richtige Zeit, den ganzen Bodengrund zu wechseln und eine bessere Körnung ohne Zusätze zu verwenden. Denn seine Fische gäben genügend Dünger. (Zu einem solch späteren Zeitpunkt ist dann normalerweise das Vertrauen des Kunden so gross geworden, dass er ohne weiteres Bedenken - entgegen den Angaben in der Literatur, welche zumeist von den Produzenten herausgegeben wird - meine Ratschläge befolgt.) Hat der Kunde aber gar noch eine Bodenheizung, so ist es absolut gewiss, dass er sein Becken nach nur wenigen Jahren neu einrichten muss. Denn Bodenheizungen beschleunigen alle chemischen Vorgänge, und eben diese Beschleunigung ist es, die Krisen geradezu, vorprogrammiert. Dass beschleunigte Vorgänge ganz im Allgemeinen vermehrt kritische Phasen hervorrufen, sehen wir überall, nicht nur im Strassenverkehr, sondern auch in der Wirtschaft: Je schneller sich Trends entwickeln, desto schneller kommt es zu Engpässen einerseits und zur Verkümmerung unberücksichtigt gebliebener Wirtschaftszweige andererseits. Je schneller die Börsengewinne steigen, desto schneller und sicherer der Crash. Übliche, eher grobkörnige Aquariumböden neigen ohnehin dazu, immer mehr zu verstopfen, sodass frisches Wasser und Sauerstoff knapp werden. Bei Wärme kommt es dann (aus diesem oder jenem Grunde) schnell zum Zusammenbruch bisher funktionierender bakterieller Systeme.

Jene, die den Bodengrund sogleich wechseln, fahren natürlich am besten, aber sie lernen die ausgetretenen Pfade und deren Unsinn nicht im Detail kennen. Die andern sind am Ende in allem versierter und begreifen die Grundsätze eines einfachen, natürlichen Weges besser, weil sie die vielen Überflüssigkeiten und die vielen kritischen künstlichen Eingriffe aus eigener Erfahrung kennen lernten. Diese werden später kaum mehr schwach, wenn sie wieder von "neuen Methoden" lesen. Die sofort "Gläubigen" halten sich zwar gerne und dankbar an diesen Weg, können dann aber viel weniger verstehen und beurteilen, ob eine neue oder andere Methode dem Sinn und Zweck dieses einfachen Weges entspricht. Manche meiner Kunden wollen aber meine ihnen erteilten Ratschläge noch besser begründet haben, ehe sie sich glaubend auf diesen Weg begeben. Diesen gebe ich zuerst einmal zu bedenken, dass sie auch alle andern Wege vorerst bloss glaubend unter die Füsse nehmen müssen. "Aber", so argumentiere ich dann weiter, "wenn Sie ja schon - wie jeder Anfänger in irgend einer Sache - bloss auf guten Glauben hin einen Weg beschreiten müssen, so würde ich an Ihrer Stelle zuerst einmal prüfen, was für einen persönlichen Vorteil allenfalls der "Prediger" eines Glaubens haben kann. Finden Sie, dass er durch Ihren Glauben gewinnt, das heisst: ein Geschäft machen kann, dann wäre ich vorsichtiger als wenn Sie einsehen, dass er damit gar kein Geschäft machen kann. Kann er kein Geschäft machen, so könnte er allenfalls noch ein Fantast sein. In unserem Fall allerdings spricht die gut funktionierende Anlage und die Qualität der Erzeugnisse sowie die Geschäftsdauer von immerhin 40 Jahren gegen den Fantasten."  Die anderen "Prediger" - und das schreibe ich nun wieder im Fortgang unserer Betrachtungen über die verschiedenen Pfade - auf den ausgetretenen Pfaden haben zwar schon allerlei wissenschaftlich erarbeitete Diagramme, Kurven und chemische Formeln als glaubhafte Beweise. Ob sie aber in der Praxis überhaupt relevant sind, ist eine ganz andere Frage. Wenn beispielsweise einer beweist, dass l00 Menschen in einer Woche so und so viel Brot zu ihrer Ernährung benötigen, so mag diese Aussage im Prinzip zwar völlig richtig sein. Wenn die es angehenden Menschen jedoch statt Brot eine andere Nahrung bevorzugen oder in ihrem Wohngebiet nur eine andere Nahrung vorhanden ist, erkenne ich, dass diese - wenn auch wissenschaftlich erarbeitete - Aussage an diesem Ort völlig belanglos wird. Das aber erkenne ich auch: wenn einer immer wieder trotzdem seine Aussage wiederholt, so will er doch offenbar nur sein altes Brot los werden, und dabei greift er dann zu den Regeln der Werbung, die darauf ausgelegt sind, Bedürfnisse zu schaffen. - Zum Beispiel, das Bedürfnis, eine völlig intakte Fluoreszenzröhre nach bloss einem Fünftel ihrer Lebensdauer fortzuwerfen, oder das Bedürfnis, mittels künstlichem Dünger jenes Nitrat in sein Aquarium zu bringen, das er nachher kontinuierlich mit teuren Messstreifen nachkontrollieren kann, bis er, ob der stets zu hohen Konzentration, auch noch das - durch gekonnte Werbung injizierte - Bedürfnis empfindet, einen gewaltig grossen und noch gewaltiger teuren Filter und sein noch teureres Filtermaterial zu besorgen, das den Nitratgehalt wieder senken kann. Bleibt dann noch immer die stete Kontrolle mit stets neuen Kontrollstreifen, gelegentlich eine Nachdüngung, weil jetzt plötzlich der Stickstoff oder das Nitrat fehlt; und dann wieder eine Filterreinigung, damit auch das neu anfallende Nitrat von der letzten Düngung her wieder abgebaut werden kann. Diese ganze lange Kette ist einzig durch die Schaffung eines Bedürfnisses nach nur einem Glied dieser Kette zustande gekommen. Es wurde zwar biochemisch nachgewiesen, dass gewisse Bakterien den Abbau von Nitrat bewirken können bis zu gasförmigem Stickstoff. Aber damit ist doch noch lange nicht die Notwendigkeit erwiesen, dass sie das tun müssen. Eigentlich ist doch das Nitrat die Nahrung der Pflanzen! Warum sollen es dann die Bakterien fressen? (resp. bis zu gasförmigem Stickstoff reduzieren)? Damit ist doch plastisch vor Augen geführt, wie viel Abfall bereits bisher schon an und auf dem ausgetretenen Pfad der Aquaristik gelagert ist. Es kommt aber noch viel Weiteres dazu, wie zum Beispiel Kohlensäure, sog. Wasseraufbereitungsmittel, PH-Tests und Härtetests etc etc.. .

Zur Kohlensäure ist generell zu bemerken, dass wir ja ohnehin das Problem haben, dass sie sich - vorab durch den Strassenverkehr und die thermischen Kraftwerke - in der Erdatmosphäre stets mehr anreichert und damit das Klimagleichgewicht zu stören droht. Ich weiss: so geringe Mengen machen da den Braten nicht fett. Aber genau das gleiche Argument bringt der PW-Fahrer über seinen CO2-Ausstoss gegenüber jenem von Lastwagen; und der Stand-by-Benützer sowie der Benutzer von Infrarot-Lichtschaltern und jener mit dem Zufallschalter für Licht und Radio zwecks Fernhaltung von Einbrechern während der Ferienabwesenheit. Alle verteidigen so ihre Abfälle aus ihren gesteigerten Bedürfnissen mit dem Argument ihres verschwindend kleinen Anteils ihrer Schuld, gemessen am grossen Bedürfnis der Industrie, die aber ihrerseits vorgibt, nur die Bedürfnisse der Verbraucher (all der vorher aufgezählten Dinge) abzudecken. Dabei ist der jährliche Stromverbrauch durch Stand-by-Geräte alleine in der Schweiz so gross wie der gesamte Stromverbrauch einer Stadt von 80'000 Einwohnern. Warum auch messen wir Menschen unser Glück immer nur an materiellen Gütern und den eigenen Wert allenfalls noch an der sog. Intelligenz, die so leicht vorzutäuschen ist?! Ein jeder Aquarianer beweist doch vor dem andern seine ganze Intelligenz immer nur durch das ansehnliche Arsenal seiner Bücher und Hilfsmittel. Dabei ist doch wirklich vor allem nur jener intelligent, der mit möglichst wenig Hilfsmitteln und kleinstem Aufwand eine beachtliche Leistung vollbringt.

Ich muss zwar zugeben, dass etwa ein bis drei Prozent aller meiner Kunden vorgeben, seit der Benützung von Kohlensäure bessere Erfolge zu haben, was bei Düngern, Bodenheizungen und Filtern nie der Fall ist - immer über Jahre hinweg gesehen! Und ich weiss ehrlich gesagt den Grund des Erfolges bei diesem kleinen Prozentsatz nicht, weil sie sonst nach meiner Methode arbeiten und ich selber bei mehreren Versuchen mit CO2 noch nie auch nur geringe Verbesserungen des Pflanzenwachstums festgestellt habe. Die allermeisten meiner Kunden aber, die erst zu mir stossen nachdem sie bereits alles ausprobiert haben, schalten ihr CO2-Gerät ohne Erfolgseinbusse ab. Ein möglicher Grund dafür könnte in einer grossen Filterleistung liegen (denn die Filter sind stets die letzten überflüssigen Zubehöre eines Aquariums, die abgeschaltet werden). Solche Filterströmungen sind dafür verantwortlich, dass die gelöste Kohlensäure schnell über die Wasseroberfläche entweicht. Des weitern werden von vielen Aquarianern absterbende Pflanzenblätter sofort aus dem Aquarium entfernt, und der Mulm wird manchmal wöchentlich oder zweiwöchentlich abgesaugt. Das sind ja aber grosse Kohlenstoffdepots, die während ihres Abbaues nach und nach Kohlensäure abgeben. Wenn sie fehlen und die Fischanzahl ohnehin nicht allzu gross ist, dann kann schon auch eine zu geringe CO2-Konzentration vorliegen. Kurz, ich sehe die Möglichkeit ein, dass jemand zu wenig Kohlensäure im Aquarium haben kann. Aber erstens kommt es äusserst selten vor, und zweitens kann dieser seltene Fall nicht Grund genug sein, diese Möglichkeit mit gutem Gewissen zu propagieren. Und es ist einzig das mögliche Geschäft der Grund dafür, dieses Bedürfnis nach CO2 zu schüren. Wenn aber jemand Pech mit seinen Pflanzen hat, so muss er ja alles ausprobieren - sofern er nicht eines Besseren beraten wird -, weil er ja nicht wissen kann, worin der Grund seines Misserfolges liegt. Aus alledem resultiert dann die Frage: Wie soll denn einer überhaupt wissen, wie es mit seinem Aquarium steht, und das erst noch möglichst ohne Reagenzien? Dazu nun eine möglichst umfassende Antwort:

Geben Sie grundsätzlich nichts in das Aquarium, ausser Sand, Pflanzen und Fische (ev. geeignete Dekorationsmaterialien, wie Steine - von den Dekorationshölzern sind nicht alle geeignet).  Das - richtig ausgewählt - ist vollkommen genügend! Fast alle Misserfolge ergeben sich dann erst mit der Zeit aus Pflegefehlern (soweit nicht Fischkrankheiten oder ganz bestimmte Algenarten eingeschleppt wurden). Wie man solche Pflegefehler vermeidet oder begangene erkennt, werden wir nun der Reihe nach kurz betrachten. Die Sandkörnung soll so gewählt sein, dass der Boden - zu kleiner Poren wegen - nicht verdichtet wird und - zu grosser Poren wegen - nicht mit Mulm und Kot derart durchsetzt wird, dass er dadurch erstickt. Eine ideale Kornmischung ist: 40% 0,2 bis l mm, 30% l bis 2 mm, 15% 2 bis 3 mm, l5% 3 bis 4 mm möglichst scharfkantig gebrochen. Den genauen Grund dafür, nebst einfachen Experimenten, welche die Wirksamkeit der Kornstruktur in verblüffender Weise erkennen lassen, beschrieb ich in meinem Buch "Liebe und Verständnis für das Aquarium", das in seiner 3.Auflage bei mir erhältlich ist.

Die Pflanzen brauchen nach dem Umpflanzen zur internen Umstellung auf die neuen Verhältnisse am neuen Ort immer etwa 8 Tage. Blätter, die sie vorher treiben, erhalten ihre dazu erforderlichen Nährstoffe stets aus den Reserven in der Pflanze selbst. - Darum auch das Absterben eines oder zweier Blätter nach dem Umpflanzen. Das neue Blatt (oder Blattpaar bei Stängelpflanzen) ist dann das erste, welches voll auf die neue Situation abgestimmt ist. Während in bestehenden Aquarien dieser Prozess ein nur die betroffene Pflanze angehendes Problem ist, ist es bei völlig neu eingerichteten Aquarien auch ein Problem des gesunden Milieus. Weil ja da noch gar keine Pflanze "funktionstüchtig" ist, gleicht ein solches Aquarium einem toten Raum, in welchem sich ein sich weiter entwickelndes Leben erst wieder sammeln und ordnen muss. Darum Lassen wir den Pflanzen die dafür benötigten 8 Tage Zeit und geben die Fische also erst 8 Tage nach der Pflanzung hinzu. Vorher oder wesentlich später eingesetzte Fische führen zumeist zu Schwierigkeiten.

Bei schönem Pflanzenwuchs; aber nur geringem Zuwachs ist der Fischbestand etwas zu klein gewählt. Solche Aquarien bleiben oft jahrelang schön. Wer an grösserer Pflanzenfülle mehr Freude hat, der braucht nur etwas mehr Fische - nicht etwa CO2.

Wenn dann aber alles so gut und schnell wächst, dass alles bald einmal zu dicht wird, dann geschieht es leicht, dass mit einem einmaligen aber gründlichen Auslichten ein Ungleichgewicht zwischen der Pflanzenmasse - als Düngezehrer - und dem täglich anfallenden Fischkot - als Düngelieferant - entsteht, welches Ungleichgewicht dann schnell zu Vergiftungserscheinungen bei den Pflanzen führt, die an gelblich-grünen bis gelblich-weissen Herzblättern der Echinodoren gut erkannt werden kann, besonders wenn diese Blätter kleiner bleiben, dicklicher und vor allem brüchiger sind als die vordem gewachsenen ältern, noch grünen Blätter. Genaueres darüber ist in der Broschüre "Über die Ernährung von Wasserpflanzen" nachzulesen. – (Siehe dort.)

Dieses Gelbwerden der Herzblätter ist dann eben ein Reagenz - ein Anzeiger - für eine Stickstoffvergiftung, während die schönen, bloss nicht so recht gross werdenden Pflanzen ein Reagenz für zu wenig, aber ausgewogenen Dünger sind – wie oben erwähnt wurde.

Ein weiteres Reagenz für eine Vergiftung habe ich durch den Umgang mit meinen Kunden kennen gelernt. Es besteht in gestauchtem Krüppelwuchs der Wasserfreundarten (manchmal mit vernarbten Blättern) und beruht auf Vergiftung durch Wasseraufbereitungsmittel. Es geschieht praktisch immer bei Kunden mit zu wenig Fischen, die überdies das Wasser ein- oder zweiwöchentlich wechseln unter Zugabe von Wasseraufbereitungsmitteln. Auch Schwertpflanzen können dabei chlorotisch werden. Einer meiner Kunden, dem das begegnet ist, hat mir später unaufgefordert zwei Fotos seines Aquariums gebracht. Das erste Foto zeigt das Aquarium vor der Beratung, das andere 3 Monate danach. Obwohl die Fotos nicht scharf sind, zeigen sie den Unterschied deutlich: die chlorotischen, gestauchten Kopfpartien des Riesenwasserfreundes und die gestauchten, gelblichroten Herzblätter der linksseitig gepflanzten Echinod. "Indian Red". (Siehe die Bilder auf der nächsten Seite.) Ein anderer Grund für Krüppelwuchs mit "vernarbten" Blattoberflächen – in der Regel ohne Gelbwerden des Herzens oder Kopfes der Pflanzen – liegt darin, dass mit einer Mulmglocke die gesamte Bodendicke durchwühlt wird. Besonders dann, wenn dies öfters geschieht.

Und als Weiteres haben wir auch ohne Technik noch einige Reagenzien für örtlich oder zeitlich zuviel eingebrachten Stickstoff durch Kunstfutter, sowie für das Vorhandensein von Vorratsdünger im Boden und das Versagen von Bodenheizungen, und haben des weitern auch eine praktikable Kontrollmöglichkeit über das richtige Mass der Futtermenge. Diese gute Kontrollmöglichkeit liegt in der Verwendung eines Futterringes, der an jener Stelle der Wasseroberfläche schwimmt, an welcher das Futter eingeworfen wird. Solche Futterringe sind leider völlig aus der Mode gekommen oder nur noch in zu kleinen Grössen erhältlich, sodass ich genötigt war, sie selber in zwei Grössen herzustellen (l0 x 15 cm und 15 x 25 cm). Das in einen solchen Ring eingebrachte Flockenfutter verteilt sich nicht mehr über die gesamte Wasseroberfläche. Das Fressgeschehen kann besser überwacht werden und ev. zu Boden sinkende Flocken sind nicht über den ganzen Boden verteilt, sodass sie möglichst alle noch von den Fischen gefressen werden, ehe sie den Schnecken zum Opfer fallen oder sich gar aufzulösen beginnen. Denn eben das Trockenfutter bringt uns ja den Stickstoff ins Wasser. Wird es gefressen, so gelangen nur die Verdauungsreste davon ins Wasser; zerfällt es hingegen im Wasser, so wird nicht nur sein ganzer Stickstoffgehalt frei, sondern auch die Sporen der darin verarbeiteten Algen. Und mit dieser Feststellung sind wir bei den Reagenzien für zuviel eingebrachtes Futter angelangt. Es gibt nämlich nur zwei Algenarten, welche direkt mit der Futtermenge zusammenhängen können. Es sind die Schmier- oder Blaualgen und die Pelzalgen oder Samtalgen, wie wir sie nennen, wobei die erstere ein Reagenz für zuviel Stickstoff aber zugleich auch noch für eine (oft örtlich) zu hohe

Bildtext zu den beiden Fotos
Auch wenn die Fotos meines Kunden leider unscharf sind, so erkennt man doch auf den ersten Blick - besonders im ersten, noch leeren und darum übersichtlicheren Bild, dass viel zu wenig Fische vorhanden sind. Dieser Umstand für sich ergibt aber noch lange keine gelbsüchtigen, gestauchten Köpfe beim Riesenwasserfreund und auch kein derart gedrungenes, gelblich-rotes Aussehen der Herzblätter bei der linken, rotblättrigen Echinodorus. Bei zweimaliger Fütterung täglich und keinem Wasserwechsel vor der Frist von zwei Monaten und vor allem ohne Wasseraufbereitungsmittel (gemäss meinem ihm gemachten Vorschlag, zur Sanierung bei etwa gleich grosser Fischanzahl) ist der Wuchs der Echinodorus nach 3 Monaten noch immer nicht grossartig, ebenso auch nicht jener der Ech. cordifolius in der Mitte. Aber die Blätter sind normal gestaltet und normal farbig, und vom Riesenwasserfreund sieht man die bereits einmal heruntergesetzten obern Stängelabschnitte, aber nun mit schönem, offenem Kopfteil. Kurz, Alle Formen und Farben sind nun normal, aber nicht besonders gross - ein Reagenz für ausgewogene, aber knappe Ernährung. Selbst bei so unscharfen Aufnahmen sind diese Merkmale sofort und deutlich zu erkennen!

Eisenkonzentration ist, die aber nur bei künstlichen Eisengaben auftritt. Die Pelzalge hingegen ist nur ein Reagenz für zerfallenes, nicht von den Insassen aufgenommenes Flockenfutter. Kommt nun ein Rat suchender Kunde zu mir und bringt mir Schmieralgen zur Begutachtung, so gehe ich in meiner Suche nach der Ursache folgendermassen vor. Meine erste Frage lautet: "Wachsen die Pflanzen gut und ist das Aquarium gut, d.h. reichlich bepflanzt?" Wird eines oder beides negativ beantwortet, so weiss ich auch bei Kunden, die ihr Wasser nicht testen, dass sie zuviel Nitrat im Wasser haben müssen, und die weitere Beratung erstreckt sich dann über das Licht, die Bodengrundzusätze und den Sinn der Pflanzen im Aquarium, sowie über die richtigen Verhältnisse, welche die den Pflanzen zugedachte Aufgabe auch wirklich ermöglichen. Wachsen die Pflanzen hingegen gut und sind auch reichlich im Aquarium vorhanden, so lautet meine zweite Frage: "Wissen Sie noch, an welchem Ort des Aquariums diese Plage angefangen hat?" War es unter der Futterstelle, so liegen die Verhältnisse einfach: es war die zumeist andauernde zu reichliche Fütterung der Grund. Das geschieht speziell während den Ferienzeiten durch nachbarschaftliche Ferienaushilfe.

War der Entstehungsort hingegen auf den unter der Wasseroberfläche flutenden Pflanzenblättern, so wurde kein Futterring verwendet. In diesem Falle verirren sich die Futterflocken immer wieder auf diese den Fischen nicht zugänglichen Stellen, können darum nicht gefressen werden und zerfallen in dieser dünnen und darum wenig Strömungen ausgesetzten Wasserschicht. Dabei ergibt sich dann eine bloss örtlich beschränkte zu hohe Stickstoffkonzentration, die man im übrigen Aquariumwasser mit Messreagenzien nicht feststellen kann.

War der Beginn der Schmieralgenausbreitung hingegen über den ganzen Boden hin verteilt, so trägt normalerweise eine Bodengrunddüngung die Schuld an der Misere. Denn diese Vorratsdüngung fliesst nicht stets in der vom Hersteller vorgeplanten Weise. Manchmal beginnt sie plötzlich schneller zu fliessen. Oftmals ist es aber auch eine Bodenheizung, welche die chemischen Abläufe im Boden durch die wärmebedingte Stimulation der Bakterientätigkeit durcheinander bringt, besonders dann, wenn gleichzeitig Vorratsdünger im Boden verwendet wurde. Solche Böden überziehen sich auch nach einer erfolgreichen Algenbekämpfung immer wieder neu mit Schmieralgen. Es muss also bei gutem Pflanzenwuchs die für die Schmieralgenentstehung erforderliche zu hohe Stickstoffkonzentration örtlich begrenzt und in sehr kurzer Zeit zugenommen haben, weil bei generell und nur langsam sich erhöhender Konzentration als erstes zuerst die Pflanzen chlorotisch werden (d.h. helle, gelbliche bis fast weisse neue Blätter zu treiben beginnen), weil sie schon durch ein geringes Zuviel vergiftet werden, und eine Schmieralgenbildung erst dann, bei noch höherer Konzentration beginnt. Örtlich begrenzt vor allem durch zerfallendes Futter oder verendete grössere Tiere, wie zum Beispiel Fische oder Apfelschnecken, welche unentdeckt im Aquarium liegen bleiben. Zeitlich begrenzt – das heisst in sehr kurzer Zeit überhand nehmend - durch einen unnatürlich raschen allgemeinen Anstieg der Stickstoffkonzentration, sowie es eben vor allem bei unkorrekt fliessendem Vorratsdünger möglich werden kann, oder durch des Nachbars Fütterung während der Ferien. Am Ende sei noch erwähnt, dass durch Pflanzen oder Dekorationsmaterial eingebrachte Schmieralgenkeime auch in einem "gesunden" Aquarium ohne Bekämpfung praktisch nie absterben. Ihre Weiterentwicklung ist hingegen zumeist sehr langsam - es sei denn, die allgemeine Situation eines Aquariums steht kurz vor der Schwelle zu einer Pflanzenvergiftung, also die Stickstoffkonzentration ist stark erhöht, wenn auch für die Pflanzen noch nicht unmittelbar vergiftend wirkend; in diesem Falle wachsen und verbreiten sich eingebrachte Schmieralgen schnell.

Klagt mir ein Kunde über seine Schneckenplage - besonders Planorbis (Posthornschnecke) -, so erwidere ich ihm, dass er noch grosses Glück habe und fahre fort: "Denn das ist ein untrügliches Zeichen dafür, dass Sie zuviel füttern! Und das kann weit Unangenehmeres nach sich ziehen als diese Schneckenplage. Denn die einem Laich entschlüpfenden Jungschnecken, können noch keine allzu feste Nahrung - wie Pflanzenblätter oder Algen - verzehren. Sie sind darauf angewiesen, dass Sie als Pfleger des Aquariums ihnen das für sie richtige Futter zukommen lassen. Und das tun Sie offenbar, und zwar mit einem leichten Zuviel von Futter - speziell Flockenfutter. Jene Flocken, die von den Fischen nicht mehr aufgenommen werden mögen, oder die sich bei der Verteilung über die ganze Wasseroberfläche hin und ihrem nachherigen Absinken auf den Boden von den Fischen nicht mehr haben finden lassen, werden durch das Wasser so stark aufgeweicht, dass sie zur vorzüglichen Aufzuchtnahrung für Jungschnecken werden. Aus einem Laich von etwa l00 Körnern wachsen dann 95 bis 99 gross, während bei knapper Fütterung, bei der am Ende keine Flocken mehr übrig bleiben, höchstens drei bis fünf Jungschnecken hochkommen - gerade so viel, dass sie die altershalber Gestorbenen wieder ersetzen können. "Nun", sage ich meinem Kunden weiter, "können Sie nichts anderes tun, als die Schnecken herauszulesen und anschliessend präziser zu füttern. Das Herauslesen können Sie sich dadurch erleichtern, dass Sie abends vor dem Lichtlöschen ein bis drei abgebrühte Salatblätter ins Wasser geben - und zwar in ausgedrückter Form (unter Wasser ausdrücken!), damit sie sofort zu Boden sinken. In der Nacht versammeln sich dann die Schnecken um diesen Schmaus, sodass Sie am Morgen die konzentrierte Menge mit einem Kescher herausheben können. Diese Prozedur, drei bis fünf mal wiederholt, reduziert die Schneckenanzahl ohne allzu grosse Mühe auf ein nützliches Mass. Lassen Sie sich aber ja nicht gelüsten, diese in Ihren Augen lästigen Gäste völlig loszuwerden, denn dann erst würden Sie erkennen, wie nützlich diese Tierchen sind."

Einen ganz gegenteiligen Bescheid muss ich jenen meiner Kunden geben, die mir ein mit Pelz- oder Samtalgen überzogenes Blatt bringen mit der Frage, was da zu machen sei. Ob sie vielleicht zu viel Licht hätten. Ihnen sage ich: "Es stimmt zwar, dass ausgerechnet diese Alge nur bei sehr guten Lichtverhältnissen gedeiht, aber das ist nicht der Grund, weshalb Sie zu diesen Algen gekommen sind. Vorerst will ich Sie fragen: haben Sie nie eine Schneckenplage gehabt?" Zumeist bejaht der Kunde das, denn es gibt nur wenige Aquarien, in welchen grundsätzlich keine Posthornschnecken sein können. Zumeist sind es nur Barschenbecken, weil die meisten Barsche diese fressen. Nach einer Bejahung meiner Frage fahre ich folgendermassen fort: "Dann haben Sie wahrscheinlich eine Prachtschmerle gekauft, weil man Ihnen gesagt hat, dass diese die Schnecken fressen würden?" - "Genau so war es!" ist darauf in den meisten Fällen die mit Verwunderung oder Überraschung gegebene Antwort. Und ich erkläre dann weiter, dass sich der Kunde in diesem Falle entweder für die Prachtschmerle entscheiden müsse oder für ein algenfreies Becken. Denn beides zusammen gehe nun nicht mehr. Und erkläre ihm weiter den Grund für die damalige Schneckenplage, bevor er die Prachtschmerle erworben hatte - so, wie ich es vorhin eben beschrieben habe - und füge noch den für den Kunden fatalen Satz bei, dass ausgerechnet nur eben diese Posthornschnecken diese Algen restlos zu vernichten vermögen. Und zwar brauche es für ein l00 l Aquarium etwa 40 Stück oder für ein 250 l Aquarium 12o Stück. Diese grossse Stückzahl ist darum vonnöten, weil diese Algen, die praktisch jedem Algenmittel Trotz bieten, innert drei Wochen gefressen sein müssen, weil bei einer längeren Dauer die noch nicht gefressenen Algen in der Zwischenzeit aussporen würden, sodass an bereits kahl gefressenen Stellen sich wieder Jungwuchs ansiedeln würde. Zwar fressen auch einige Fische diese Algen, wie beispielsweise der Blackmolly. Und sie tun das sogar gewissenhaft, indessen "erwischen" sie die feinsten, nur 2 bis 5 mm langen hellgrünen Algenfäden, die sich wie Rasen oder eben wie die Härchen eines Samtgewebes über die Oberfläche von Blättern und Gegenständen erheben, nie an deren Grund, sodass sie stets nachwachsen, und dadurch einen ebenso unschönen Belag ergeben wie die nicht abgezupften. Die Posthornschnecken hingegen vertilgen sie "von der Wurzel auf", sodass sie nicht mehr sind, und zwar fressen sie dabei regelrechte Gänge durch diese Algenfelder. Diese Gänge werden mit der Zeit stets zahlreicher, sodass am Ende nur noch wenige "Inselchen" dieser Algenfelder übrig bleiben, bis auch diese noch - der grossen Anzahl Schnecken wegen verschwunden sind. Eine Vermehrung der Schnecken ist trotz ihrer grossen Zahl solange nicht mehr zu befürchten, als nach den oben aufgeführten Regeln und über einen Futterring gefüttert wird - möglichst in vielen kleinen Portionen gegeben. Ist eine solche zusammenhängende und umfassende Geschichte nicht viel schöner und das ganze Gemüt belebender und auch ein viel umfassenderer "Ausflug" in den Lebensbereich der Natur, der auch schon hundertfacher Erprobung standgehalten hat, als die toten Zahlen ungezählter Testergebnisse entlang des vor allem kommerziell überaus breitgetretenen, allgemeinen Aquaristikpfades?

Während ich die ausgetretenen Pfade zuallermeist von meinen Kunden her kenne, so kennt heute doch kaum einer mehr die natürlichen Wege, die in ihrer Verschiedenheit nicht nur viel erlebnisreicher und interessanter sind, sondern in Bezug auf Sicherheit, Aufwand und Ertrag manchmal von ungeahnter, ja fast unglaublicher Effizienz sein können. So habe ich schon jahrelang bei Schwertpflanzen Zuwachsraten und bei Wasserfreunden Blattgrössen, die selbst Pflanzenzüchter nicht begreifen können. Während nämlich in Liebhaberaquarien die zerfallenden Blätter alle in sich aufgenommenen Stoffe wieder abgeben und damit eine gewisse Konstanz - notabene auch im Kohlenstoffhaushalt - bewirken, kann in einer Pflanzenzüchterei von einer solchen Erhaltung der Stoffe nicht die Rede sein. Denn just dann, wenn die Pflanzen so gross geworden sind, dass sie wenigstens bald einmal ihre ältesten, äussern Blätter abzustossen beginnen, werden sie verkauft. Ich musste also Wege finden, diesen steten Abgang - durch den Verkauf der Pflanzen - so kontinuierlich und so umfassend wie möglich zu ersetzen. Umfassend heisst hier auch, die Stoffe in solchen Verbindungen zu verabreichen, die von der Pflanze einesteils sofort aufgenommen werden können, die aber anderseits das Wasser bis zur Aufnahme weder belasten noch sich von ihm zersetzen lassen. Mit der Zeit brachte ich es fertig, 1,5 cm grosse Nupharsämlinge innert 90 Tagen zu 35 cm grossen Pflanzen zu bringen mit 5 bis 7 fast handtellergrossen Blättern. Mein deutscher Lieferant der Sämlinge stand fassungslos vor meinen Aquarien, als er seine einstigen Sämlinge zum ersten Mal bei mir sah. Er gab an, dass er dazu ein bis anderthalb Jahre brauche. Dennoch bin ich gar nicht ein so genialer und noch weniger ein verbissener Forscher, wie man nun leicht meinen könnte.

Den Weg, wie ich dazu kam, will ich im Folgenden genauer beschreiben, damit ersichtlich wird, wie viel eher das aufnahmefähig gebliebene Gemüt die Zusammenhänge erfassen kann, als der noch so fragelustige Verstand. Da ich schon von Anfang an - wie erwähnt - alle meine Pflanzen unter Wasser kultiviert hatte, aber ein schlechter Fischzüchter war, hatte ich oft zu wenig Fische, viel weniger als ich gebraucht hätte (es bräuchte z.B. ein ausgewachsener Blackmolly, Platy oder Schwertträger pro 3 l Wasser). Experimentator war ich eigentlich nie - und ein geborener noch weniger. Deshalb hatte ich ausser meinen Fischen und Pflanzen nur ganz selten andere Aquarienbewohner. Selbst einfache Tiere wie zum Beispiel Apfelschnecken, Garnelen, Muscheln etc.. suchte und pflegte ich anfänglich nie, obwohl sie mir hin und wieder angetragen wurden. Einmal wurden mir Apfelschnecken von einem Kunden förmlich aufgedrängt, sodass ich sie ihm abnahm.

Zu einer Zeit als meine Fischanzahl pro Aquarium - bedingt durch laufende Vergrösserung meiner Beckenanzahl - so gering war, dass ich bald einmal um die Zuwachsraten meiner Wasserpflanzen bangen musste, weil gerade nirgends günstige Fische zu beschaffen waren - ich brauchte ja Tausende -, fiel mir in zwei meiner Becken auf, dass die Schwertpflanzen immer schneller zu wachsen begannen, ohne dass ich irgend etwas verändert hatte. Auch ihre Blätter wurden intensiver grün und fast anderthalb ma1 grösser. Die beiden Becken standen aber nicht nebeneinander, sodass ich von ausserhalb der Becken kommende Einflüsse, wie Wärme und Licht etc, ausschliessen konnte. Und am Inhalt habe ich nichts verändert gehabt. Täglich stand ich staunend und fragend zugleich vor diesen beiden Becken, die mit der Zeit selbst meinen damaligen Kunden aufzufallen begannen. Das war vor ungefähr 35 Jahren. Aber ich vermochte nicht zu ergründen, was die Ursache dafür war. Irgendetwas mussten diese Aquarien gemeinsam haben, so verschieden ihre Grössen auch waren. Das sah ich zwar immer wieder und immer deutlicher ein, aber – – was war das, was konnte das nur sein?! Eines Abends stand ich wieder einmal, diesmal mit meiner Frau zusammen, vor den beiden Aquarien. Wieder sagte ich - diesmal zu ihr -: "Irgend etwas müssen doch diese beiden gemeinsam haben, aber was nur?!" Und wie ich das so sagte, sah ich es endlich - sah ich eine Blume blühen auf einem völlig natürlichen aber noch wenig begangenen Pfad. Es waren die Apfelschnecken, die mir damals aufgedrängt worden waren. Ich glaubte zwar kaum, dass es an diesen gelegen sein konnte, aber immerhin - es war eine Gemeinsamkeit. Und da zählt nicht der Glaube, sondern die willige Offenheit auch gegenüber unwahrscheinlichen Möglichkeiten!

Nach einigen Wochen steten überdurchschnittlichen Wachstums in beiden Aquarien nahm ich aus beiden je die Hälfte der Apfelschnecken und gab sie zusammen in ein drittes Aquarium mit Echinodorusarten. Auch da setzte nach etwa zwei Wochen ein bisher ungekannt rasantes Wachstum ein. In einem spätern, vierten Aquarium mit Cryptocorynen hatte ich allerdings auch nach längerer Zeit kein erhöhtes Wachstum feststellen können. Es verging noch einige Zeit, bis ich endlich junge Schnecken nachziehen konnte und auf Grund der erweiterten Erfahrungen mit dieser neuen Generation herausfinden konnte, was alles durch sie zu so schnellem Wachstum kam. Es waren vor allem alle Echinodorus-Arten sowie die Sagittaria-Arten, dann Lobelia cardinalis, Nuphar und Nymphaea-Arten, Wasserfreundgewächse, Heteranthera sowie Didiplis diandra (aber dieses nur in Verbindung mit Nuphar). Unter den mir damals bekannten Cryptocorynearten hingegen gab es keine, die mit diesen Apfelschnecken besser wuchs. Heute allerdings zählen wir Crypt. pontederifolia, moehlmannii und vor allem auch eine speziell schöne Form der Crypt. retrospiralis zu den Pflanzen, die durch Apfelschnecken schneller wachsen. Die letztgenannte Art, resp. Form, hat prächtig schmale, am Rande eng gewellte, leicht durchscheinend hell- bis olivgrüne Blätter, ähnlich einer Aponogeton crispus. Vor allem wurde mittlerweile die Futterbeschaffung zum Problem, denn bald einmal hatten wir Hunderte dieser schmucken Tiere. Und mit Trockenfutter alleine liessen sie sich nicht von gelegentlichem Blattfrass abhalten. Wir fütterten daher mit abgebrühten Blättern des Kopf- und Endiviensalates (dem Rüstabfall davon, der kurz überbrüht wurde). Später brauchten wir ganze Köpfe. Man kann diese Salatblätter auch tiefgefrieren; nach dem Auftauen werden sie ähnlich glasig wie überbrühte. Da aber die benötigte Menge stets grösser wurde, suchte ich gegen den Herbst hin nach einem geeigneten Ersatz. Ich probierte es mit Löwenzahnblättern, die allerdings im Herbst nicht mehr allzu reichlich vorhanden waren. Sie wurden gern gefressen, allerdings nicht so gerne wie Salat. Ich suchte nach ergiebigeren Quellen und fand nach Versuchen mit einigen weitern Krautarten endlich die Brennnessel. Die Blätter wurden dabei vom Stängel geschnitten und l bis 2 Minuten gekocht. Das war eine herrliche Speise, an welche sich die Schnecken sofort gierig heranmachten. Sie wuchsen sogar schneller und ihre Wirkung auf die Wuchsgeschwindigkeit und -grösse der Pflanzen war noch ausgeprägter. In den letzten Tagen vor Wintereinbruch ernteten wir (die ganze Familie) noch, was wir finden konnten, um den Winter hindurch genug davon zu haben. Und wir hatten Glück: es reichte gerade bis zum April des folgenden Jahres. Da wir diese Kost nur jeden zweiten Tag fütterten, kam es aber immer wieder vor, dass Echinodorusblätter angefressen wurden. Auch wurden die Schnecken von den Fischen (speziell Lebendgebärende) so sehr geplagt, dass sie eingingen. Mit der Zeit fand ich darum, dass es unter Berücksichtigung aller Umstände wohl besser wäre, die Schnecken separat zu halten, aber natürlich so, dass sie die Pflanzen dennoch düngen können. Ich versuchte mehrere Systeme, bis ich dann nach etwa zwei Jahren eine wirklich patente Lösung entwickelt hatte, die hier abgebildet ist.

BILDLEGENDE

1) Apfelschneckenbehälter oder -käfig für ca. 25 Apfelschnecken, gefertigt aus PVC, mit zwei Seitenwänden, Rückwand und Boden, vorne gegen die Frontscheibe zu bis auf eine kleine Restwand vor dem Exkrementenraum völlig offen. Das obere, zur Verstärkung umgebogene Ende der Seitenwände sowie das gleich hohe Ende der Rückwand müssen, so hoch sein, dass die Deckscheiben des Aquariums die im Käfig frei sich bewegen könnenden Apfelschnecken am Verlassen des Käfigs hindern können.
2) Balkonartige Ausbildung zur Aufnahme des Filtermaterials und seines Schutzes.
3) Exkrementenraum zur Sammlung des Schneckenkotes
4) Tragstege für das Trenngitter
5) Trenngitter aus rostfreiem Drahtgeflecht mit 5,6 mm Maschenweite und einer Drahtstärke von l mm, seitlich eingefasst in Plastik-U-Profil. Es dient dazu, dass die Apfelschnecken nicht über ihren eigenen Kot kriechen müssen, und ist nur 12 mm über dem Käfigboden, sodass der Kot allmonatlich mit einem 16 mm-Schlauch durch das Trenngitter hindurch abgesaugt werden kann. Denn dieser Stoff ist derart aggressiv, dass er nicht allzu lange im Käfig belassen werden darf, da er sonst die Apfelschnecken in ihrer Gesundheit beeinträchtigen würde. Er hat - im Garten angewandt - dieselbe Düngekraft wie Peruguano, ein äusserst wirksamer Dünger aus Vogelexrementen.
6) Schaumstoffstreifen zur Filterung des aus dem Behälter ausströmenden Wassers.
7) Schutzgitter aus rostfreiem Drahtgewebe mit nur 0,6 mm Maschenweite und 0.25 mm Drahtstärke zum Schutze des Schaumstoffes vor Schneckenfrass. Neu eingebrachter Schaumstoff wird zwar von den Apfelschnecken nicht gefressen, aber bereits nach 3 Monaten beginnen sie ihn kontinuierlich bis auf den letzten Rest zu fressen! Das tun sie ebenso gerne, wie sie etwa auch im Aquarium liegen gebliebene Fangnetze aus Baumwollvoile fressen!
8) 22 mm grosse Löcher als Durchflussstelle des Wassers nach Durchdringung des Schaumstoffes und des Drahtgewebes.
9) Auffüllloch mit derselben balkonartigen Vorrichtung und derselben Filtereinrichtung auf der Innenseite des Käfigs wie unter Punkt 2, 6 und 7 beschrieben, die beim Auffüllen des Beckens, nach einem Wasserwechsel, schräg nach oben geöffnet werden muss, da sonst der anfänglich noch wasserleere Käfig durch den Auftrieb des steigenden Wassers im Aquarium zu schwimmen beginnt.
10) Mit Luft betriebene Förderpumpe zur Hebung des Wasserstandes im Käfig, sodass der geringe Höhenunterschied zum übrigen Beckenwasserstand das Wasser durch den Filterstreifen zu drücken beginnt.
11) PVC-Rohr mit je einer Mündung unter der Förderpumpe und an der dem Schneckenkäfig gegenüberliegenden Seitenwand, damit das aus dem Käfig herausdringende Wasser langsam über den gesamten Kulturraum der Pflanzen hinweg streicht, um endlich wieder zum Einsaugende des PVC-Rohres zu gelangen, nach dessen Passieren es wieder in den Käfigraum gelangt, wo es von neuem durch die Ausscheidungen der Apfelschnecken mit Nährstoffen angereichert wird.
12) Tüllgewebe aus Kunststoff zur Verhinderung des Eindringens von Fremdkörpern und kleinen Schnecken oder Jungfischchen in das Leitungsrohr.
13) Hartschaumplatte (Styropor), welche die Aufgabe hat, durch ihre zu reichlich bemessene Dicke den vorne offenen Käfig an die Frontscheibe des Aquariums zu drücken. Der Käfig ist gegen die Frontscheibe zu ebenfalls mit Schaumstoff und Fressschutzvorrichtung abgedichtet (auf der Zeichnung aus Gründen der Übersichtlichkeit nicht dargestellt).

Die Käfige sind jeweils 17,5 cm breit und so tief und so hoch wie das Aquarium.
Für ein 200 l-Aquarium, vollbesetzt mit Schwertpflanzen, gleich welcher Art, braucht es in einem alt eingerichteten Aquarium 15 bis 20 Apfelschnecken, wenn sie in einem Käfig gehalten werden; bei freier Haltung jedoch nur 12 Stück. In neu eingerichteten Aquarien braucht es ca. 25 bis 30 % mehr, um eine gleich grosse Wuchsleistung zu erzielen. (Diese Werte sind nur für Pflanzenzuchtbetriebe wichtig, weil sie zur maximalen Wuchsleistung der Pflanzen notwendig sind. Im Liebhaberbecken reichen normalerweise die Fische aus. Am Ende dieses Berichtes findet der Leser eine Tabelle über die Düngewerte der einzelnen Fischarten.

Bis dahin vervollkommneten, wir unsere Brennnesselernte dermassen, dass wir innert 3 bis 5 Tagen im Juni für das ganze Jahr einernten konnten. Wir kannten alle Brennnesselstandorte im Tal, sowohl jene auf Schutthalden in offenem Gelände, wie jene auf den Schuttplätzen im Walde. Im offenen Gelände sind sie zumeist rotstänglig und im Walde grünstänglig. Die rotstängligen brennen entschieden mehr und müssen auch länger gekocht werden, aber als Futter sind beide gleich gut. Wir ernteten an allen Plätzen mit der Sichel, weil wir nur die schönen und gesunden berücksichtigen wollten. Zu Hause wurden die Pflanzen mit Gummihandschuhen ergriffen, mit der einen Hand am Kopfe gepackt, während die andere Hand vom Kopf her abwärts die Blätter samt Blattstielen abstreifen musste; und zuletzt wurde der aus ca. 6 Blättern bestehende Kopf abgebrochen und zu den Blättern gegeben. Die Stängel kamen auf einen separaten Haufen, der am Ende der Ernte über 2 m3 ausmachte. Zu dieser Rüstarbeit hatten wir in spätern Jahren stets Schulkinder eingeladen, die sich damit ein schönes Sackgeld verdienen konnten. Die Kocherei am Herd erforderte zwei Personen. Nach dem Kochen wurden die Blätter mit kaltem Wasser durchspült und in einer Form zu Ballen oder Tafeln verpresst, wobei der Wassergehalt eine bestimmte Prozentlimite nicht übersteigen durfte, weil die Ballen sonst beim Einfrieren unförmig aufgetrieben wurden und dadurch fast das Doppelte an Platz beanspruchen konnten. Immerhin ernteten wir jährlich ungefähr 200 kg Blätter. Die Ballen à 650 Gramm wurden in Plastiksäcke gleicher Grösse geschoben, die nachher verschweisst wurden. Eine solche Tafel reichte gerade für einen Tag. Die Stängel brachten wir jeweils an die Ernteorte zurück und verteilten sie sorgfältig über die gesamte abgemähte Fläche, denn auch die Brennnesseln können von jenen Stoffen leben, die sie selber schon einmal assimiliert haben. Die ganze Arbeit war so idyllisch, häuslich, wie sie sonst höchstens in Heimatromanen geschildert werden kann. Denn anfänglich waren meine beiden Kinder - die grossen Helfer - noch klein, 6 und 8 Jahre alt, und wir hatten noch kein Auto, sodass ich mit Mofa und grossem Veloanhänger ernten musste. Und das Rüsten, bei welchem oft bis zu l0 Kinder nebst mehreren Erwachsenen zusammen kamen, fand im Freien statt; wenn es regnerisch war, unter einem grossen Dachvorsprung und wenn es heiss war, auf der Schattenseite des Hauses.

Die Aquarienpflanzen hatten mit dieser Methode ein derart gesundes Aussehen, dass die Nachfrage immer grösser wurde und wohl auch der Wunsch so manches Zoo-Händler-Kunden reifte, selber so produzieren zu können. Indessen plauderte ich nie aus der Schule, und weil unsere Apfelschnecken, die stets grösser waren als alle andern auf dem Markt, ebenso reissenden Absatz fanden, bemerkte niemand den Zusammenhang. Ja, es geschah einmal, dass ein Geschäftsmann, der nebenher - aus seinem Hobby begründet - eine Zoohandlung betrieb und bis dahin seinen ganzen Pflanzenbedarf aus meinen Beständen deckte, den Entschluss fasste, es mir gleich zu tun. Er stellte mit Hilfe seines grossen Kapitals eine Pflanzenzuchtanlage auf, welche der meinen in der Proportionierung der Aquarien und in der Kunstlichtquelle völlig glich, nur dass sie noch grösser war. Ich wusste anfangs nur durch andere Kunden davon. Mit Ausnahme von ein oder zwei Warenhäusern verlor ich aber keine meiner Kunden und in wenigen Jahren wurde sein Betrieb wieder geschlossen. Er hatte bis zuletzt das Gefühl, dass ich "geheime Tropfen" verwenden würde, was mir von einem seiner damaligen Kunden später zugetragen wurde. Er ging mit andern Worten den ausgetretenen Pfad und sah die Schönheit und Nützlichkeit der Natur in ihrer ursprünglichen Form ebenso wenig wie die meisten andern, die stets glauben, dass immer die andern das Geheimnis kennen würden, weshalb sie auch immer auf den ausgetretenen Pfaden der andern sich bewegen und dort suchen, was für sie nicht zu finden ist. Denn das wirklich Befriedigende im Leben eines Menschen ist für einen jeden derart auf seine Person abgestimmt, dass er es auf den Wegen der andern niemals finden kann. Hinweise kann einer durch die Kenntnis oder Mitteilung von andern wohl erhalten, aber der Weg zum vollkommenen Glück muss immer ein eigener bleiben, will einer dieses Ziel auch wirklich erreichen. Ein Hinweis dazu zu geben ist auch der hauptsächliche Grund, weshalb ich nun meine Erfahrungen so leicht und gerne preisgebe. Da ich altershalber nicht mehr allzu lange meine Züchterei betreiben werde, kann mir selber daraus kein Nachteil erwachsen, vielleicht aber vielen andern eine neue Perspektive daraus erwachsen. Gemütreiche Menschen finden dadurch aus dem Walde der tausend Messdaten und Reagenzien vielleicht eher wieder zurück zu ihrer eigenen Fantasie und ihrem ursprünglichen Einfallsreichtum.

Ich weiss ehrlich gesagt heute noch nicht einmal, was der Grund dieses wachstumstreibenden Phänomens ist. Liegt es am Kot oder am Schleim der Apfelschnecken, oder an beidem? Wer seine Schnecken frei im Aquarium halten will, muss bedenken, dass ihr schwärzlicher Kot mit der Zeit in den Bodengrund eindringt (bei unserer Kornmischung ca. l cm tief). Diese Schicht muss immer wieder von Zeit zu Zeit mit einer Mulmglocke gereinigt werden, weil sonst der Boden erstickt. Aber ja auf keinen Fall tiefer liegende Schichten mit einer Mulmglocke bearbeiten!!

Bevor ich noch näher auf die grosse allgemeine Bedeutung unserer Apfelschneckennahrung eingehe, will ich noch ein Erlebnis mit den Apfelschnecken selber zum Besten geben, das ich schon anfangs - bei der Schilderung einer Erscheinung während des Einsatzes eines UV-Klärers - versprochen habe: Einmal wollten in einem Aquarium die Cryptocorynen aus mir unerfindlichen Gründen nicht mehr so, wie ich es wollte. Ich vernachlässigte darum einige Zeit dieses Kulturbecken, sodass sich bald einmal braune Pinselalgen auszubreiten begannen und innert kurzer Zeit so ziemlich alles überzogen - Blätter wie Gegenstände. Das war der Zeitpunkt, da ich mich entschloss, die Cryptocorynen in diesem Gefäss aufzugeben und durch Schwertpflanzen zu ersetzen. Also gab ich ca. 15 Apfelschnecken in das Aquarium und pflanzte an den am dürftigsten mit Cryptocorynen bestandenen Orten einige Schwertpflanzen ein. Denn dieses Vorgehen ist viel sicherer als die radikale Entfernung der Cryptocorynen mit gleichzeitigem Ersatz durch Echinodoren! Nun geschah etwas, das ich in der damals bereits schon etwa 10 Jahre alten Erfahrung in der Apfelschneckenkultur noch nie erlebt hatte: Die Apfelschnecken frassen mir innert 14 Tagen(!!) sämtliche Algen, aber wirklich selbst die allerletzte Pinselalge weg. Sensationell!! (Auch für mich.) Da hatte ich nun ein biologisches Mittel gegen diese lästigen Störenfriede entdeckt. Weil ich hunderte dieser Tiere hatte – alle aus den ehemals einmal erhaltenen gezogen – und noch nie diese Erscheinung beobachtet hatte, nahm ich – der Möglichkeit eingedenk, dass es auch Mutationen bei den Apfelschnecken geben könnte – dieselben Schnecken, die alle Pinselalgen gefressen hatten, und gab sie in ein anderes Becken mit Pinselalgen. Aber diese Schnecken kümmerten sich darin keinen Deut um sie, nicht einmal dann, als ich sie geflissentlich hungern liess. Sie bevorzugten dann eher Pflanzenblätter. Vielleicht war das Klima im Becken schuld, dachte ich, und gab sie in ein weiteres Aquarium, ein kleines, das schon einige Zeit leer stand und darum nur etliche Pinselalgen aufwies. Auch da frassen sie nichts, obwohl ich ihnen jede andere Nahrung so lange vorenthielt, bis sie langsam lethargisch wurden, worauf ich sie wieder als normale Düngelieferanten einsetzte.

Etwa 5 Jahre später hatte ich wieder ein ebenso spontanes Erlebnis. Damals gab ich eine Überzahl von Apfelschnecken in ein grosses, im Sommer jeweils leer stehendes Becken, das schon einigen Bewuchs mit Pinselalgen aufwies, um sie dort bis zum Verkauf zu hältern. Diese Schnecken hatten sämtliche Algen nebst ihrer üblichen Brennnesselnahrung innert Tagen bis auf das letzte Härchen gefressen. Auch mit diesen Tieren versuchte ich es in zwei weiteren Becken – ohne jeden Erfolg! Mit der Schilderung dieser beiden Episoden will ich nur aufzeigen, wie schnell ein isoliertes Vorkommnis durch eine zu vorschnelle Veröffentlichung in der Literatur bald einmal verbreitet und darum Allgemeingut werden kann, weil sich immer einer auf den andern bezieht, ohne dass es jedoch einen Bezug zur Normalität hat und damit unwahr wird – so wahr es in seiner Einmaligkeit auch bleibt.

Nun aber noch einiges zu jenem Schneckenfutter, für das es genügend Hinweise auf seine Qualität gibt und das nicht etwa bloss Einzelerfolge aufweist: Bei der Verwendung der Brennnesseln als Schneckenfutter in solchen Becken, in welchen die Schnecken nicht eingesperrt waren, haben wir sehr viel über dieses Kraut kennen gelernt. Wir haben gefunden, dass praktisch alle Fische (sogar der rote Neon) äusserst gerne von diesem Futter zehren. Aber die Wirkung des Verzehrs erkannten wir lange nicht. Da kam uns wieder jener Konkurrent zu Hilfe, der eines seiner Aquarien zu zwei Dritteln mit Weisslicht und zu einem Drittel mit rötlich-violetten Licht beleuchtet hatte, ohne zu merken, dass sich ausgerechnet unter rötlich-violettem Licht chlorotische Triebe entwickelten. Er war ja – wie bei der Schilderung jener Gelegenheit erwähnt – eher Fischzüchter und zog einige Pflanzenarten nur nebenbei. Wir aber waren damals noch keine Fischzüchter und hatten daher stets Mühe, genügend Fische von privaten Züchtern zu erhalten. Dabei ergab sich durch ein Gespräch mit ihm, dass seine selber gezüchteten Scalaren, der langen Entwicklungszeit wegen, gegenüber von Importen für den Engrosverkauf viel zu teuer waren. Wir aber suchten Scalaren, weil ihr Kot für die Pflanzenproduktion ertragreicher wirkt als jener vieler anderer Fische. Daraus ergab sich schliesslich eine Produktionsgemeinschaft: Er züchtete Scalaren und zog sie bis zu einer Grösse von maximal 2 cm. Dann brachte er sie uns und wir zogen sie bis zur völligen Laichreife bei uns weiter – völlig gratis, denn wir brauchten ja ihren Kot für die Kultur unserer Pflanzen. Zu diesem Zeitpunkt holte er dann die ausgewachsenen Tiere und ersetzte sie uns wieder mit Jungtieren. Weil er uns jeweils nicht alle Tiere eines Geleges brachte, sondern einen kleinen Teil bei sich behielt, konstatierte er, dass unsere Fische in der gleichen Zeitspanne fast das Doppelte zulegten wie die seinen. Immer wieder fragte er uns, was wir den Fischen fütterten. Wir sagten nach unserer damaligen Erkenntnis: "Nur Trockenfutter". Er hingegen fütterte ausser Trockenfutter immer auch wieder Mückenlarven als Zusatz und kam nie auch nur annähernd auf unsere Resultate. Immer wieder fragte er uns und immer wieder konnten wir nur bestätigen, dass wir bestimmt kein anderes Futter gäben. Einmal allerdings hatten wir ein Gelege erhalten, welches auch bei uns nicht wachsen wollte. Es wuchs eher noch schwächer als der bei ihm verbliebene Rest desselben Geleges. Und wir hatten keine Ahnung, weshalb. Wir hatten die Tiere sicher doppelt so lange wie sonst, bis sie endlich laichreif waren. Sie waren gesund und schön, aber nicht so augenfällig strotzend vor Gesundheit wie alle andern zuvor. Ich weiss nicht mehr, wann genau, aber sicher erst nach längerer Zeit haben wir herausgefunden, dass diese Scalarenbrut nicht in einem Apfelschneckenbecken gross geworden war. Also müssen in irgendeiner Weise die Schnecken vielleicht auch für das Wachstum von Scalaren gut sein? Merkwürdig! Ich schreibe das so, wie es war, damit man sehen kann, dass es weniger ein grosses Licht braucht, um Zusammenhänge zu erkennen, als eine Stetigkeit der Frage – und zwar nicht um des Erfolges willen, sondern vor allem um der Wahrheit Willen, die erst durch eine solche Kontinuität der Frage auch im Ganzen immer mehr erkannt werden kann. Darum kam ich dann endlich darauf, dass es nur die Brennnesseln waren, welche die Schnecken offenbar mit den Scalaren teilen mussten, die sie so stark wachsen liessen und so gesund machten. Weil der Fischgrosshändler und –Züchter mir darin keine Konkurrenz war, machte ich ihn diesmal auf diesen Umstand aufmerksam, was ihn zwar überraschte, aber nicht mehr allzu sehr erfreute, weil er inzwischen schon viel mehr auf Import als auf Nachzucht setzte. Und Import wurde damals – mitsamt den damit eingehandelten Fischkrankheiten – immer mehr zu einem ausgetretenen Pfad. Ich weiss, dass er auf diesem weder reich noch glücklich wurde, denn am Ende hat es auch er mit Pflanzen versucht, aber kaum über zwei Jahre lang. Warum blieb er nicht auf seinem eigenen Weg unter Nutzung all seiner dabei gewonnenen Erkenntnisse? Sicher nur darum, weil das andere ihn lockte, das aufkam, das so leicht mögliche Importieren, das aber oft so grosse Überraschungen in sich birgt.

Ein anderer, privater Fischzüchter, dem wir – wie allen unseren damaligen Züchtern – immer im Voraus Absatzgarantie für bestimmte Arten und Mengen gaben, wollte uns einmal 500 Brokatbarben züchten. Er erhielt aber aus seinem Gelege nahezu tausend Jungfische. Da wir zu wenig Platz für sie hatten (sie eignen sich nicht für alle Pflanzen, da sie feinblättrige Arten öfters durch Frass beschädigen), nahmen wir nur die damals garantierten 500 Stück, bemühten uns aber, so schnell als möglich Platz zu schaffen, um ihm auch den fast ebenso grossen Rest abnehmen zu können. Das dauerte etwa vier bis fünf Wochen. Als er die Fische dann brachte, waren sie einiges kleiner und hatten vor allem noch die etwas silbrig-gelbe Farbe frisch polierten Messings – eben noch ihr "Jugendkleid" -, während die unsrigen in derselben Zelt nicht nur grösser wurden, sondern vor allem bereits ein leuchtend volles Goldgelb hatten. Bei diesem Vorfall wussten wir sofort, weshalb. Und mit der Zeit fanden wir, dass gekochte Brennnesselblätter etwas vom gesündesten für alle Fische sind. Sie erhöhen ihre Farbenpracht und machen sie so richtig munter und lebendig.

Wie schön doch die Natur eingerichtet ist, dass in ihr gerade die von allen unbeachtetsten Dinge so grosse Wirkungen haben, sodass so manche weniger Bemittelte mit diesen allgemeinen Dingen, auf die niemand achtet, mehr Erfolg, haben als jene, die Unsummen für ihren vermeinten Erfolg ausgeben. Wenn ich etwas von der tiefen Freude und Genugtuung darüber vermitteln, und in der Aquaristik einen gangbaren Weg dazu aufzeigen konnte, so ist mir mein Vorhaben gelungen.

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