Eine Botanik für Schwärmer & Enthusiasten

Alle Pflanzen werden auf Grund ihres Blütenaufbaus in Familien, Gattungen und Arten eingeteilt. Das ist schon lange so und hat sich zur Bestimmung auch bewährt. In der Kultur jedoch zeigt es sich, dass Pflanzen derselben Familie, ja oft sogar derselben Gattung, völlig verschiedene Ansprüche an Klima und Bodenbeschaffenheit stellen. Diese "Wünsche" der Pflanzen lassen sich nicht so leicht anhand ihrer Einteilung eruieren. Begeisterte Liebhaber – eben Schwärmer und Enthusiasten – haben aber die Möglichkeit, in ihrem Gefühl zu empfinden, wie die einzelnen "Kostgänger" etwa aussehen, und pflanzen sie dann ohne weitere Kenntnisse sehr oft an den ihren Bedürfnissen entsprechenden Ort. Das wird anhand von Beispielen in der Aquaristik gezeigt.

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EINE BOTANIK FÜR SCHWÄRMER UND ENTHUSIASTEN

In der heutigen, ursprünglich von Linné begründeten wissenschaftlichen Botanik teilt man die Pflanzenwelt auf Grund ihrer Fortpflanzungsart in zwei verschiedene Stämme ein: In die Sporenpflanzen und die Samenpflanzen, welch letztere in zwei Abteilungen zerfallen, wovon die eine der beiden wieder in zwei Klassen zerfällt: in Einkeim-blättrige und Zweikeimblättrige. Beide unterteilen sich dann lediglich auf Grund ihres Blütenaufbaues – also auf Grund ihrer Geschlechtsorgane – in verschiedene Ordnungen, Unterordnungen, Familien und Gattungen. Diese Einteilung hat in der Tat so manches für sich. So haben z.B. von der auf diese Unterscheidungsweise zustande gekommenen Familie der Hahnenfussgewächse aus der Klasse der Zwei-keimblättrigen die meisten Arten leuchtend farbige Blüten von Blau über Gelb bis Rot, obwohl oft von ganz unterschiedlicher äusserer Form, so wie es uns der blaue Eisenhut und der Rittersporn, die gelbe Trollblume und die rote Pfingstrose drastisch vor Augen führen können. Zumeist haben sie auch sehr schön geteilte – also nicht ganzrandige – Blätter, und die meisten von ihnen sind giftig. Obwohl sie ja von den Botanikern nur auf Grund ihrer Geschlechtsteile – der Blüten – zu einer Familie zusammengeschlossen wurden, haben sie also auch sonst zumeist eine auffällige Übereinstimmung in ihren übrigen Merkmalen. Ebenso haben z.B. auch die Aronstabgewächse aus der Klasse der Einkeimblättrigen – die Araceen, wie sie auf lateinisch genannt werden – nebst ihrem sie vereinigenden ähnlichen Blütenaufbau viele gemeinsame weitere ähnliche Eigenschaften. So erscheinen beispielsweise ihre jungen Blätter zumeist (vielleicht immer?) zusammengerollt. Viele haben einen stark brennenden und zumeist auch giftigen Saft. Zu ihnen gehören die Gattungen Cryptocoryne und Anubias. Auch die Alismataceen aus derselben Klasse der Einkeimblätt-rigen, zu welchen beispielsweise die Sagittarien und die Echinodorus gehören, haben vieles gemeinsam: Sie wachsen alle in Wassernähe oder im Wasser, sind zumeist frohwüchsig und krautreich. Begründet liegt ihre Zusammengehörigkeit aus botanischer Sicht jedoch stets in ihren Fortpflanzungsorganen.

Auch Schwärmer und Enthusiasten kennen zwar die materielle oder geschlechtliche Fortpflanzung – sie sind ja erst durch sie zu sicht- und greifbaren Menschen geworden. Aber diese ist für sie – wenn sie einmal auf dieser Erde angelangt sind – nicht so wichtig wie die herzliche oder gemütstiefe, innere Fortpflanzung oder Fortbildung ihres Wesens. Man unterscheidet sie selber denn auch eher ihrem Wesen als ihrer Form nach. So gehören zum Beispiel Maler, Musiker und Dichter zu dieser Familie der Schwärmer und Enthusiasten. Aber ihnen allen bedeutet dann auch das Wesen mehr als die äussere Form. Sie unterscheiden sich mehr im Herzen als im Verstand und der durch ihn bedingten äusseren Formen ihrer Werke, und sie teilen alles Vorkommende eher auf Grund des innern Wesens ein als nach der Form. Unter formal so verschiedenen Kunstgattungen wie der Dichtkunst, der Malerei und der Musik unterscheiden sich die in ihren jeweiligen Sparten Schaffenden ihrem Wesen nach in Feurige, Begeisterte, Beschauliche, auch Schwermütige, aber auch gar in spöttisch sich Erhebende und dadurch eher Abstossende, oder in bloss Gemüthafte, Launenhafte, Lustige oder sinnlich Romantische. Denn eine feurige Musik belebt zum Beispiel ebenso wie eine feurige Rede oder ein farbsattes Bild, obwohl doch alle drei der Form nach völlig verschieden sind, – in ihrem Wesen jedoch sind sie eben gleich. Denn alles, was sie uns durch ihre noch so unterscheidbaren äusseren Darstellungen offenbaren, gewinnt seine Form nur durch ihr Wesen und beschreibt auch wiederum ihr Wesen – trotz dem riesigen Unterschied der dazu verwendeten äussern Form und ihrer dementsprechenden Aufnahme durch jeweils ganz verschiedene Sinnesorgane des Menschen. Die Malerei spricht uns über das Auge an, die Musik über das Ohr und die Dichtkunst direkt über unsere Gedanken – wennschon ebenfalls via Ohr; alle aber sprechen wieder nur zu unseren innern Gefühlen, und dabei nur jene wesensgleichen Menschen an, welche derselben Gefühle überhaupt fähig sind und für solche Gefühle zumeist auch schon eine Vorliebe entwickelt haben – ungeachtet der äussern Erscheinungsform und ihres jeweiligen organischen Weges zu unserem Innern.

Wie also würden solche eher aus der Empfindung als aus ihrem Verstande urteilenden Schwärmer und Enthusiasten die Pflanzen einteilen? Das wäre vielleicht noch ganz interessant zu wissen, und es könnte uns vielleicht viel tiefer an unser eigenes Wesen heranführen als die sonst übliche Botanik.

Auch sie hätten im Allgemeinen wohl nicht einmal viel dagegen, wenn die Cryptocorynen in eine Gattung zusammengefasst würden und die Echinodoren wieder in eine. Denn in der Tat haben die Pflanzen je einer dieser beiden Gattungen auch in ihrer Wirkung auf unser Gefühl sehr oft etwas sehr ähnliches. Aber sie hätten dabei auch viel klarere Ausnahmen, welche eben durch das Gattungsfremde einer bestimmten einzelnen Art bedingt oder gerechtfertigt würden. Das allgemeine Wesen der Cryptocorynen würden sie beispielsweise etwa folgendermassen beschreiben: Die meisten Individuen der Cryptocorynen sind in ihrer Erscheinung – ihrem Wesen entsprechend – düster, unzugänglich, aber auch heimtückisch und materiell. Wenn wir eine Cryptocoryne aufmerksam betrachten, so fällt uns zumeist die schmutzige und völlig undurchsichtige Blattfarbe auf. Fast nie ist sie freundlich oder gar hoffnungsfroh hellgrün. Oft sind ihre Blattunterseiten zwar rot gefärbt, aber selbst dieses Rot ist schwer und erdgebunden wie der Purpur der irdischen Könige, zumeist aber noch schmutzig. Das Rot ihrer Liebe wenden sie also bloss dem Irdischen zu:  nur die dem irdischen Boden zugekehrte Blattunterseite ist rot. Die himmelwärts gerichtete Blattoberseite ist entweder erdbraun oder hat das stumpfe Grün einer durch viele irdische Rücksichtnahmen getrübten Hoffnung. Das einzelne Pflanzenwesen hat zumeist nur eine sehr geringe Anzahl von Blättern, oft nicht mehr als drei bis sechs; und in seiner darum lückenhaft erscheinenden Mitte treibt es langsam ein vorerst in sich selber eingerolltes (das bedeutet: ein nur sich selber zugekehrtes) Blatt, das erst vollständig geöffnet wird, wenn es fast ausgewachsen ist.

Mit Vorliebe versenken die meisten Arten dieser Gattung, ihr ganzes Wesen in den Schlamm der Bäche und Pfützen, indem sie ihn mit ihren langen, unterirdischen Ausläufern durchwühlen und so ein ganzes Territorium für sich besetzen, ohne dass darauf dann stattliche Pflanzen stehen würden. Viel eher sind sie zahlreich als stattlich. Und weil ihre ganze Liebe dem Irdischen gilt, sind sie dort – in ihren Ausläufern – auch am stärksten und unverwundbarsten. Ein solches Ausläuferstück genügt, ihre Art zu erhalten, während ein abgetrennter ober-irdischer Pflanzenteil kaum überlebt, wenn nicht genügendes Rhizomanteil dabei ist. Sie gleichen darin dem Wesen der Vetternwirtschafter, die überall, quer durch alle irdischen Verhältnisse, ihre Imperien aufbauen, die dann für alle Unbeteiligten – auch in ihrer spätern Erscheinungsform, den Betrieben – nicht gerade schön oder gar trostreich eingerichtet sind, sondern den ätzenden Saft des Egoismus enthalten, wie die Cryptocorynen ihren ätzenden Saft, der verhindert, dass sie den Fischen zur Nahrung dienen könnten und der ihre Kultivateure auch ganz entsetzlich an Händen und Armen beisst, wenn sie ein Aquarium mit ihnen voll bepflanzen müssen und dabei in jenem Wasser arbeiten müssen, das durch ihren innern Lebenssaft (entsprechend dem Lebenssinn) schon ganz durchsetzt ist.

Ihr ganzes Wesen ist so Ich-bezogen, so materiell, dass selbst die Blüte – die "Hoch"-zeit ihres Seins – nicht einmal fähig wird, den köstlich süssen Honig mitteilsamer Freude zu entwickeln, sondern selbst da noch nur den stinkenden Eigennutz auf dem Altar ihrer in der Blüte ausgestalteten Liebe vergöttert, sodass die Bienen, diese fleissigen Sammler des Nektars, dieses himmlischen Taues, sie meiden und nur die Schmeissfliegen, diese Totengräber materieller Formen, durch ihren stinkenden Aasgeruch angelockt werden. Aber selbst diese würden den "Braten" ihrer eigensüchtigen Ich-betontheit bald riechen und sicher wieder fliehen! Wie sonst erklärt sich ihr hinterlistiger Blütenmechanismus, der – wie eine Falle gebaut – ihre Bestäuber gefangen hält, bis das Materielle ihrer Blüte endlich zu welken beginnt und ihre Struktur derart erschlafft, dass die ihrer Fortpflanzung gedient Habenden erst dadurch wieder freikommen können.

Aber selbst über ihre irdische Form hinaus "vergiften" sie die Atmosphäre um sich herum derart, dass sie nicht nur ihren Kultivateur an seiner Haut brennen können, wenn er mehr als eine Viertelstunde lang solche Gewächse zu pflanzen hat, sondern dass sie auch den meisten andern Pflanzen ein Aufkommen selbst an jenen Orten oder Stellen verunmöglichen, wo sie in einem Aquarium gar nicht stehen, sofern sie schon mehr als die Hälfte des Aquariumbodens überzogen haben. Wer kennt sie nicht, diese alten, eintönig gestimmten Aquarien, die zumeist nur noch gerade eine einzige dieser Cryptocorynearten enthalten, und sonst keine andern Pflanzen mehr, wobei aber diese dann mittlerweile sogar den ganzen Boden überzogen haben. Meist ziehen nur noch wenige, gelangweilte Fische in sinnlosen Kreisen über eine solche Öde hinweg. Speziell den Schwertpflanzen – der andern grossen Gattung von Aquariumpflanzen – verunmöglichen sie in ihrer Überzahl ein Auf- oder Fortkommen neben ihnen her.

Diese Schwertpflanzen oder Echinodoren, wie sie lateinisch genannt werden, haben gerade ein gegenteiliges Wesen! Sie sind frohwüchsig, in ihren zahlreichen Blättern zumeist hoffnungsvoll leuchtend grün, welche durch ihre Vielzahl das Herz der Pflanze, also ihre Mitte, äusserst deutlich werden lassen – gleich, wie die Vielzahl der Bilder, Musikstücke oder Geschichten das Herz oder die Wesensart des Künstlers deutlich macht und wie überhaupt eine jede Gabefreudigkeit die Fülle eines Herzens deutlich werden lässt. Ihre Blätter sind in ihrem Jugendstadium – gleichsam noch in der Sphäre ihres Herzens weilend – heller grün, oft golden-grün oder gar rötlich – wie von Liebe durchtränkt – und schon völlig offen und unverhüllt (nicht in sich selbst verschlossen eingerollt). Sternförmig in die Blätter mündend und dem Licht des Himmels völlig offen strahlt dem Betrachter dieses Herz entgegen – sofern nicht die Blattfülle einzelner Arten diesen Kreis der Blätter zu sehr schliesst. Diese Pflanzen sind zumeist sehr nahrungsbedürftig, wie kleine Kinder liebebedürftig sind. Ihre Wesensstärke liegt über der Erde (über dem Irdischen), sodass sie sich durch ihre in der Erde verankerten Wurzeln nicht vermehren können. Wohl aber kann ein intaktes Herz – auch ohne Blätter – noch überleben.

Teilen lassen sich solche Wesen nur dann, wenn sich ihr Herz eigenständig geteilt hat, oder wenn unter dem festen und stetigen Verlangen ihres Herzens nach mehr Licht sich schon ein kleiner "Stamm" über der Erde Boden, also hinter ihrem Blätterschopf, gebildet hat, und man das Herzstück abbricht oder abschneidet, dann können sich aus diesem durch Zielstrebigkeit entstandenen "Stamm" neue Herzen (neue Mitten oder Tätigkeitszentren) bilden, die sich in ihrer Emsigkeit bald zu neuen Pflanzen auswachsen.

Sonst aber, wenn sich diese Pflanze selber vermehren will, so braucht sie dafür – für die "Hoch"-zeit ihres Lebens also – die lichtdurchtränkte Luft des Himmels, in welche sie ihre Blütenstände weit empor streckt und sie vielfach mit ihren zumeist schneeweissen Blütenblättern schmückt, deren goldgelbe, gemeinsame Mitte die Insekten der Luft einlädt, bei ihrer Vermehrung mitzuhelfen. Sosehr sie auch bemüht sind, ihre Blütentriebe in die freie Luft zu erheben, so stehen doch viele Exemplare oft zu tief unter Wasser, als dass ihnen das gelingen könnte. Aber selbst in dieser Situation käme ihnen nie in den Sinn, im materiellsten und finstersten Teile ihres Pflanzenleibes – in den Wurzeln – zu überleben; sondern ihr Sinn ist und bleibt es, dem Lichte, der Sonne zuzustreben. Und wenn ihnen schon eine nur in der himmlischen Luft mögliche Einigung mit dem Pollen eines andern Partners dabei versagt bleiben muss, so wollen sie doch an ihrem ursprünglichen Ziel festhalten, in den am meisten dem Lichte und der Wärme zugekehrten Teilen weiterleben zu können. Sie bilden dann – die himmlische Luft nicht erreichen könnend – an ihren Blütenstängeln neue Pflänzchen im Vertrauen darauf, dass sie das sie umgebende Wasser wohl ernähren können werde, weil sie die Wurzeln ihrer neuen Pflänzchen nicht in der Erde Boden versenken können. Mit der zunehmenden Schwere der so im Lichte der Höhe gross gewordenen Jungpflanzen, und dem gleichzeitigen Schwächer-Werden der alternden Blütenstängel gelangen dann diese aus dem Überschwang der Freude und der nicht aufgegebenen Hoffnung gebildeten Jungpflanzen (so genannte Adventivpflanzen) mit der Zeit dennoch auf den Boden der Erde, wo sie sich festwurzeln können. Aber sie haben – wie die Kinder Gott ergebener Eltern – eine unbeschwerte Jugend erlebt, die ihnen schon die Richtung ihrer künftigen Entwicklung – wieder zum Lichte und zur Luft des Himmels hin – deutlich werden lässt.

Im Überschwang des frohen Wachsens – gleichsam der Fülle der Gefühle eines frohen Herzens – werden ihre Blattränder oft sanft und schön gewellt, oder es entwickeln sich aus ihrer sprühenden Jugendkraft kleine rötliche Punkte auf der Oberfläche ihrer jungen Blätter, ähnlich den Sommersprossen eines fröhlich genügsamen Kindes auf dem Lande.

Wohl gibt es auch einige Arten unter ihnen, die sich durch Ausläufer verbreitern. Aber diese sind dann eher oberirdisch und haben nicht das Wesen von Wurzeln, wie es bei den Cryptocorynen der Fall ist. Ihre Blätter werden von Pflanzen fressenden Fischen gerne genommen; selbst viele Welse lutschen sie gerne durch, was sie bei Cryptocorynen tunlichst vermeiden.

Nicht nur die Landschaft eines mit Echinodorusarten besetzten Aquariums wirkt fröhlich, frisch und gesund, selbst das Wasser wird durch diese Pflanzen so stark gereinigt, dass es kaum gefiltert werden muss, und sein Sauerstoffreichtum gleicht jenem der Luft auf den bewaldeten Hügeln über den Weiten der Ebenen und hält die Fische gesund.

Im Grossen und Ganzen stimmt da die wissenschaftliche Unterscheidung und die daraus erfolgte Einteilung zwar mit der gemütsmässigen der Schwärmer und Enthusiasten überein, aber – eben nur im Grossen und Ganzen! Zum Beispiel gibt es bei den Echinodorus-arten eine – Echinodorus horemanii, rot, die zwar zu Echinod. uruguayensis gezählt wird –, die sehr dunkle, schwarz-rote, derbe Blätter hat, nicht so unbekümmert wächst wie die übrigen und auch das Wasser nicht derart klärt wie die übrigen, die mit ihrem düstern, bekümmerten Aussehen eher dem Wesen der Cryptocorynen gleicht, und die auch nur sehr ungern einen Blütenstängel treibt, sodass sie ihrem ganzen Wesen nach eher mit den Cryptocorynen verwandt ist, als mit den Echinodoren. Das schmutzige schwärzliche Rot ihrer harten Blätter zeigt das deutlich, während das Rot der übrigen Echinodorusarten stets warm, ja sonnig wirkt, selbst dann, wenn es – der Literatur nach – durch Kreuzung mit diesem schwermütigen Sonderling entstanden sein soll – so sehr hellt das Wesen der Echinodorusarten so schwarze Gemüter wieder auf!

Auch das tiefe, beruhigende Tannengrün der so genannten schwarzen Amazonas (Echinod. parviflorus) kommt durch die Zeichnung einer ganz feinen rötlichen Äderung der Blätter zustande. Sein Erscheinungsbild verrät den Ernst und die Beständigkeit der verdeckten, aber dafür bis in die Einzelheiten reichenden Liebe, die sich eher in den Taten wiederfindet als im Überfluss eines grossen Gemütsaffektes.

Und unter den Cryptocorynen anderseits gibt es ebenfalls eine Art, die ihrem Wesen nach eher den Echinodoren zugesellt werden müsste als in der Gemeinschaft der Cryptocorynen zu verbleiben. Es ist eine Form der Art Crypt. retrospiralis, die lange, hellgrüne, sogar leicht transparente Blätter treibt mit einem leuchtenden Mittelnerv – ähnlich dem bei Echinod. angustifolius – und leicht und sanft gewellte Blattränder hat. Obwohl auch sie – den andern Cryptocorynen gleich – ebenfalls Ausläufer treiben kann, so ist ihre Wachstumsneigung dennoch eher aufwärts, vom Boden hinweg dem Licht entgegen strebend wie bei Echinodorusarten, sodass sie leicht und bald zu einem "Stämmchen" kommt, das dann – als oberirdischer Wesensteil – ebenfalls fähig ist, sich zu vermehren. Diese Eigenschaft ist derart ausgeprägt, dass es uns leichter fällt, diese freundliche Art so zu vermehren als über Ausläufer!

Wenn wir die Pflanzen so zu betrachten lernen und auch so zu betrachten gewillt sind, dann bereichern sie – als Sinnbilder menschlicher Wesenszüge – unser ganzes Gemüt und wir können an den Landschaftsbildern unserer Aquarien sehr leicht wahrnehmen, dass es im Leben tatsächlich zweierlei Möglichkeilen gibt, sein Auskommen zu finden. Wo allerdings die materielle Richtung zu weit an Terrain gewinnt – beim Einzelnen, wie in der Gesellschaft –, da verkümmert mit der Zeit das gemütsmässig Warme einer geistigen Betrachtungsweise und lässt unser Herz – aber auch eine ganze Gesellschaft – verkümmern in einem cryptocorynemässigen Dickicht unterirdischer, also verdeckter materieller Interessen – wie wir das im Aquarium beim Überhandnehmen der Cryptocorynen gesehen haben, wo nicht leichtlich mehr eine Echinodorus aufkommt. – Übrigens:  bei der zuletzt genannten Cryptocoryne retrospiralis-Art findet das Verdrängen anderer Pflanzen selbst bei dichtestem Bestand nicht statt. Ist da, in diesem Fall, das sogar die äussere Erscheinung erfüllende Wesen nicht fast eine reellere Grundlage zur Einteilung als die wissenschaftlichen, bloss äussern Kriterien? Dem Wesen, das heisst der ganzen Wirkung nach sicher, wenn auch nicht dem Namen oder der Familie nach. Aber: Wenn uns einer mit hilfsbereitem Willen aus dem Dreck materieller Verstrickungen heraushilft, ist uns da sein Name nicht gleichgültig?! Wir werden unsere Freunde sicher ihrem Wesen nach suchen und finden, nicht ihrem Namen nach. Denn unter demselben Familiennamen finden sich stets Individuen ganz unterschiedlicher Wesensart.

Aber noch ein weiterer Vergleich ist hier angebracht: Selbst ein ganzes Aquarium voll Schwertpflanzen kann das Emporkommen von Cryptocorynen nicht verhindern – nicht einmal behindern; so wie offenherzige und freigiebige Menschen oder gar Schwärmer das Emporkommen von Finsterlingen in einer Gesellschaft nicht verhindern können, obwohl umgekehrt das Geflecht finsterer, materieller Interessen gebietsweise oder gar staatenweise das Emporkommen gutherziger, fröhlicher Menschen sehr wohl verhindern kann, selbst dann, wenn solche dabei auch mit knapper Not noch am Leben bleiben sollten. All diese Erkenntnisse werden anderseits den erfahrenen Einrichter von Aquarien und Gestalter schöner Unterwasserlandschaften nicht daran hindern, beide Pflanzengattungen im Aquarium zu verwenden. Denn was wohl könnte das Licht mehr auszeichnen als Dunkelheit und Nacht, und was das Wesen der Finsternis mehr beleuchten als die ersten Erkenntnisstrahlen lichtvollen Verstehens über ihren eigentlichen Grund?! Die freudige Klarheit eines anbrechenden Tages wird ja erst durch den Schleier eines unbestimmten Nebelrestes, in den Tiefen der Täler liegend, so recht augenfällig. Anderseits ist es dem Menschen vor der richtigen Zeit auch gar nicht gut, alles zu klar zu erkennen, weil ihn der Ärger über das erkannte Schlechte zu Überreaktionen führen könnte, die ihrerseits ebenfalls nur wieder Schlechtes hervorbrächten. Darum ist Ernst mit Geduld und Verträglichkeit vereint das beste Paar zu einer gedeihlichen Gestaltung und Entwicklung, und die braune Farbe vieler Cryptocorynearten vertiefen durch ihre Zurückhaltung die hoffnungsvolle Entfaltungsfreude, die in Form und Farbe so mancher Echinodorusarten angedeutet ist.

18.2.01

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