Drei Kinder ein und desselben Vaters

Abgebildet auf der Umschlagseite dieses so reichhaltigen Büchleins sind drei erwachsene Menschen. Dabei fragt es sich einerseits, wer denn eigentlich unter dem Wort "Kinder" im Titel gemeint sein kann, anderseits aber auch, wer ihr Vater ist. Die Christen könnten sich in der Bibel darüber erkundigen, wenn sie lesen, wie Jesus sagt: "Es kann niemand zu mir kommen, es sei denn dass ihn ziehe der Vater, der mich gesandt hat; und ich werde ihn auferwecken am jüngsten Tage." Wer anders aber als Gottes Liebe zu uns Menschen – als seinen Geschöpfen – kann Jesus, als einen Vermittler, zu uns gesandt haben?! Also ist die Liebe Gottes zu uns Menschen der wahrhaftige Ursprung oder Vater unseres Seins. Eine Bestätigung dieser Überlegung finden wir auch im ersten Brief Johannes, wo er schreibt: " Gott ist Liebe; und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm." Wahre Liebe ist also weit mehr als eine blosse Hinneigung; sie ist die Bindekraft, die alleine fähig ist, zwei verschiedene Wesen für immer zu vereinen. Zum Beispiel eben das Geschöpf mit seinem Schöpfer. Denn solange die beiden nicht Eins werden, solange auch bestehen von einander abweichende Sichtweisen. Und weil jedermann nur das erfassen und in seinem Leben auch brauchen kann, was er sieht – mit andern Worten: einsieht und begreifen kann –, so wird sich der weniger Einsichtige stets an den Vorkehren des ihm Überlegenen und Einsichtigeren ärgern und wird darum nie zu einer eigentlichen, friedvollen Ruhe kommen, in welcher er erst sein eigenes Wesen voll erfassen und nach dieser höheren Erkenntnis dann auch entfalten und vervollkommnen kann.
Weil der werdende Mensch jedoch zuerst nur durch seine äusseren Sinneswerkzeuge, den Augen und den Ohren, und darum auch nur bruchstückhaft die grösseren Zusammenhänge erfassen kann, so liegt es auch in seiner äusseren Natur, dass er vieles in seinem Leben ihm Begegnende nicht begreifen und darum auch nicht in eine höhere Ordnung einfügen kann. Solange ihn das nicht stört, weil er in den äusseren Genüssen genügend Ersatz für den ihm fehlenden Lebenssinn findet, solange auch wird er nach nichts höherem suchen – also auch nicht nach seinem Vater oder dem eigentlichen Grund und Sinn seines Seins, der doch unmöglich im Genuss aller materiellen Möglichkeiten bestehen kann. Denn das lehrt ihn schon die Erfahrung, dass alles materiell Zusammengefügte keinen ewigen Bestand haben kann. Darum sind wir Menschen zwar alle zusammen Kinder ein und desselben Vaters oder ein und derselben Kraft, die uns entstehen liess – auch wenn es sich die meisten nicht bewusst sind. Aber nur jenen, die in sich ein Verlangen nach einem haltbaren Grund für ihr Dasein suchen, kann es gegeben werden, ihren wahren Ursprung schon im diesseitigen Leben zu erkennen und manchmal sogar eine ahnende Beziehung zu ihm zu finden. Und sie erfahren dabei auch oftmals in ihrem Leben Augenblicke göttlicher Vorsehung und Nähe, deren seligkeitsvolle Wirkung auf ihr Gemüt so einmalig ist, und sie so dankbar werden lässt, dass sie es niemals nur für sich alleine behalten können. Und eben darin liegt dann auch der Grund zu so manchem schönen und erbauenden Gedicht. So verschiedenartig Kinder veranlagt sein können, ebenso verschiedenartig und dennoch so seligkeitsvoll sind ihre Worte über das, was sie erlebt haben.

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Drei Kinder ein und desselben Vaters

Die allermeisten Kinder kommen wohl als Waisen zur Welt; denn sie haben weder Vater noch Mutter. Das heisst, sie wurden weder aus Liebe gezeugt, noch mit Weisheit erzogen und erleuchtet. Der eigentliche Vater kann aber nur die wahre Liebe sein, und zwar die gestaltende Liebe, die aus ihrer innern Fülle der Lebendigkeit zur Mitteilung drängt und ein Bedürftiges sucht, welches sie empor heben und erfüllen möchte mit ihrer einigenden Kraft des Lebens; und die Mutter entspricht der dazu notwendigen Weisheit, die aus den Bestrebungen der Liebe hervor geht – hervorgehen muss, sofern die Liebe rein, das heisst nur dem Guten alleine zugewandt bleibt, was nur in der Glückseligkeit aller bestehen kann. Ihr Drang besteht im Geben und Erhalten des Ganzen, und dafür braucht sie ihre Weisheit. Das heisst mit andern Worten: die Weisheit geht als ein sorgsamer Schutz aus diesem ursprünglichen Streben der Liebe hervor. Wenn wir Menschen das zu begreifen trachten, dann werden wir noch so manches aus dem Worte Gottes verstehen, das wir bis dahin noch nie so recht fassen und erfassen konnten. Zum Beispiel, wenn wir in der Schöpfungsgeschichte lesen, dass Gott den Menschen nach seinem Bilde geschaffen hat. Und da hat er ja nur den Adam erschaffen. Und erst als dieser eine gewisse Sättigung oder Reife erlangt hat, fiel er in jenen Schlaf eines von aussen her gesättigten Gemütes, den wir alle mehr oder weniger als ein Gefühl einer gewissen "Gleichgültigkeit" kennen, das eben jenem Schlaf gleicht, wie er in der Schöpfungsgeschichte beschrieben ist. Und in einem solchen Zustand ist es dann erst möglich, aus den bisher gewonnenen festen Vorstellungen und Bildern eines Menschen Gefühle zu erwecken, die das noch nicht vorhandene eigentliche Leben und Streben in ihm zu wecken fähig sind. Nämlich der Wunsch nach einer gewissen Vervollkommnung oder Konsolidierung des eigenen Wesens, welcher Wunsch alleine ihn innerlich wach und lebendig und damit auch entwicklungsbereit halten kann.

Und die dem Menschen eine Form gebende und sein Inneres schützende Rippe ist ein gediegenes Bild, das zur Erklärung solcher Vorgänge im Menschen dienen kann. Denn daraus hat ja – in der Bibel bildlich dargestellt – der Schöpfer erst die Gehilfin des Mannes erschaffen (mit andern Worten: in ihm den Wunsch erweckt, zu einer solch ausgeglichenen schönen Form zu gelangen). Aber diese äussere Form des Weibes ist ja nicht aus sich selber geworden und bleibt darum solange ein Trugbild, solange das neu geschaffene, weibliche Wesen nicht aus sich selber den innigen Wunsch und den festen Willen gefasst hat, in seinem Innern dieser so zarten und so weichfliessendenen äussern Form zu entsprechen. Solange die Weisheit ihrem ursprünglichen Zweck des Ausgleichs dienen will, solange auch kann sie dem Liebewunsch des Schöpfers genügen und entsprechen, und helfen, das Ziel der Einigung von Liebe und Weisheit zu erreichen.

Leider aber hat sich nicht nur in der Frühgeschichte des Menschen diese fürsorgliche Einrichtung aus der Weisheit Gottes derart verselbständigt, dass sie selber nicht mehr jener fürsorgenden Weisheit entspricht, sondern eher das Ihre sucht anstatt das Wohl des andern oder gar das Wohlgefallen ihres Schöpfers. Und so sind wir endlich in einen eigenliebigen Geschlechterzwist hineingeraten, anstatt in eine Geschlechterergänzung. Um jedoch ein Ziel vorerst zu formulieren und dann auch erreichen zu können, braucht es vor allem die Kraft der Liebe, aber als zweites ebenso die Erkenntnis der richtigen Ordnung (Verhältnismässigkeit), was wir Weisheit nennen.

Die Liebe also ist der Vater oder die Fülle, ja die Überfülle, und nur diese allein drängt es, zu geben und zu schöpfen. Und die Mutter ist die sich aus diesem Drängen ergebende Ordnung, die – weil sie allem dienen will und allem dient – auch Weisheit genannt werden kann. Denn die wahre Weisheit ist nichts für sich alleine, solange nicht die Liebe jene Vielfalt geschaffen hat, die erst ein Leben, ein gegenseitiges Wirken und auch Werden zu einer neuen Einheit hervorgebracht hat. – Der Vater, als der Gedanke, ist der Zeuger allen Lebens, aber die Mutter, als ordnende Kraft dieses noch jungen Lebens, ist die Erhalterin des ausgesprochenen und damit selbständig gewordenen Wortes.

Und die Kinder? Sie sind die Freude des Vaters, sofern sie von der Mutter in ihrer Entwicklung sorgfältig behütet werden. Denn das Sein an sich ist noch lange kein eigentliches Leben; das zeigen uns all die vielen Dinge der materiellen Welt, die alle immer wieder vergehen müssen und als das, was sie einmal sind oder waren, in der Länge der Zeit nie bestehen bleiben können. Nur der Gedanke lässt sich stets vervollkommnen und umfassender werden, ohne dass er sein Wesen oder die Grundabsicht wechseln muss.

Das verkündigt uns schon die Bibel, wenn sie sagt: Gott (der Vater) ist Liebe, und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott, und Gott in ihm. Wären wir Menschen uns dessen bewusster, so könnte es gar keinen Geschlechterkampf geben, weil wir stetig Kinder bleiben – angesichts der Fülle und lebendigen Kraft des väterlichen, schöpferischen Gedankens. Die Kinder aber sind lauter Empfänger des Lebens und der Fülle, auch dann, wenn sich die einen mit der Zeit ebenfalls ihrer gesammelten Fülle entledigen müssen und dadurch schöpferisch tätig werden, und die andern dem Erhaltenen treu verbleiben wollen und das Licht und die Erkenntnis suchen, diesem Erhaltenen zur endlichen Vollendung zu dienen.

Bei ein und derselben Arbeit kann, ja muss aber beides stetig tätig bleiben: Vater und Mutter, Liebe und Weisheit. Denn die Absicht – als die Liebe oder der Vater – muss bestehen bleiben, soll etwas Bleibendes entstehen. Aber auch die Sorge muss erhalten bleiben, darf sich allerdings nur um den ursprünglichen Sinn ihres Aufkommens kümmern, und nicht um all die vielen Möglichkeiten, die sich ihr – aus ihrer Sorge heraus – offenbaren. Denn sonst gerät das Sorgen oder Erziehen zu einer blossen Entdeckungsangelegenheit unendlich vieler Möglichkeiten, und fördert damit die Zerstreuung der ursprünglich erhaltenden Kraft des einstigen Liebegedankens, in welchem der Wunsch zu einem Gegenüber, der Wunsch zum Du, die grundlegende Kraft und damit das eigentliche Leben enthalten ist.

Nur, was die Liebe ergreift, das alleine ist vom eigentlichen Leben ergriffen und geht ins Leben über; was aber von der Liebe unberührt bleibt, und was der Mensch bloß darum tut, weil er entweder eine üble Folge befürchtet, oder weil er den andern gefallen will, das geht nicht ins Leben über, und jeder noch so weise Ratschlag oder gar Gesetz gebiert nicht das Leben, sondern den Tod (der Liebe), wenn der Mensch es nicht aus seiner Liebe heraus beachtet; und der weiseste Rat, einem Lieblosen gegeben, gleicht einem Samenkorn, das statt in das gute Erdreich auf einen Felsen fällt, wo es verdorrt und am Ende unmöglich eine Frucht (des wahren, unvergänglichen Lebens) bringen kann.

Wenn wir uns jedoch – solcher Gedanken voll –in der Welt umher sehen, um da Väter und Mütter oder auch nur etwa lebendige Kinder sehen oder wahrnehmen zu können, dann treffen wir auf lauter lose umher flatternde Wesen, fliegenden Blättern gleich, die zwar alle wohl mit Erfahrungen "bemalt" oder besudelt sind, aber bloss äussere Erlebnisse betreffend, wie ja das fallende Herbstlaub der Bäume ebenfalls mit allen Farben gefärbt ist, ausser mit dem Grün einer berechtigten, weil zielgerichteten Hoffnung – so wie es im Frühling einmal der Fall gewesen war.

Wenn wir all die Dichter, Maler und Sänger oder Komponisten durchgehen, so erkennen wir leicht diese ziellose Buntheit des äusseren Lebens ohne jede Kraft und ohne ein eigentliches Ziel. Was alles wird da gesagt, geschrieben, gemalt oder bejubelt und besungen, das uns weder eint noch stärkt oder sammelt, sondern nur unsere Sinne verwirrt und unser Leben zerstreut in mannigfache aber unzusammenhängende Möglichkeiten, die so sehr dem Wandel aller Materie gleichen, die ja ebenfalls keine weitergehende Bestimmung hat, wie die Kelchblätter einer Blume ebenfalls keine weitere Bestimmung haben, ausser dem einstigen Schutz des lebendigen Kelches, welcher bestimmt ist, Leben zu empfangen, das sich weiter entwickelt und damit auch weiter erhält.

Nie kümmert sich der so genannt normale Mensch um die Wahrheit, um das eigentliche Sein und das Wesen seiner selbst. Immer sucht er im Äusseren – bei den andern – Achtung zu erlangen, nie sucht er nach einem einenden Zentrum, einem wahren Zuhause, in welchem er sich höchstens einsam zu wähnen glaubt, wo doch eben gerade nur darin erst eine so vielerlei artige Gegenseitigkeit möglich wird, die es bei äusseren Begegnungen gar nie geben kann. – Und doch!!! Manchmal findet man ein solch wohl umhütetes Leben, das sich um seinen Vater, den Schöpfer oder einstigen Gedanken zu sammeln weiss mit dem Wunsch nach einem wahren, weil zuinnerst lebendigen Du. Wie stark mag es uns anzusprechen, wenn wir ihm in Worten, Bildern oder Tönen begegnen! Das soll uns durch die folgenden Begegnungen so recht tief bewusst werden, wenn wir dabei empfinden, wie tief das Leben begründet ist und wie unendlich reich es in seiner vollen Entfaltung wahrzunehmen ist.

Da schreibt einer das hier wiedergegebene Gebet:

Morgengebet

O wunderbares, tiefes Schweigen,
Wie einsam ist's noch auf der Welt!
Die Wälder nur sich leise neigen,
Als ging' der Herr durchs stille Feld.
Ich fühl' mich recht wie neu geschaffen,
Ich schäm' mich des im Morgenrot.
Die Welt mit ihrem Gram und Glücke
Will ich, ein Pilger, frohbereit
Betreten nur wie eine Brücke
Zu dir, Herr, übern Strom der Zeit.
Und buhlt mein Lied, auf Weltgunst lauernd,
Um schnöden Sold der Eitelkeit:
Zerschlag' mein Saitenspiel, und schauernd
Schweig' ich vor Dir in Ewigkeit

Ist ein solcher Seufzer nicht beglückend, und auch das ganze Herz erweichend, sodass es wieder zu fühlen beginnt, wo sein eigentlicher Grund zu finden ist: Das wahre "Du". – Joseph Freiherr von Eichendorff (10.3.1788 bis 26.11.1857) ist sein Verfasser. Er hatte noch die Gabe, aus den Bildern der Natur seinen Schöpfer oder Vater zu erkennen. Das ist umso wunderbarer, als er ja ein Adliger war, der die Möglichkeit gehabt hätte, sich im Strudel der äussern Weltgeschäftigkeit zu verlieren, die für viele, wenn nicht für die meisten als die Möglichkeit zur Entfaltung betrachtet wird. Aber er hat schon früh erkannt, dass die so genannte äussere Natur nur ein Bett oder die Einbettung der menschlichen Seele in ein sie sammelndes Gefäss darstellt, aus welchem sie durch Erfahrung reifen kann. Sie kann sehen, hören und empfinden, was alles möglich ist, auch in ihr selber, weil ja all die äusseren Eindrücke immer auch innern Gefühlen entsprechen, die der Mensch auch ohne allen äusseren Reiz empfinden kann. Und gerade eben diese innern Reizempfindungen gehören zum eigentlichen, weil innerlichsten und unvergänglichen Leben eines Menschen. Aber sie müssen ihn von aussen her zu berühren beginnen, damit er von der ihn erschaffen habenden Hand seines Schöpfers frei oder gewisserart eigenständig werden kann. Sosehr diese Reize der äussern Natur auch geeignet sind, das Herz oder den Grund des Menschen zu berühren, so sehr sind sie jedoch auch insofern gefährlich, dass sie der Mensch als die Erfüllung anzusehen beginnt und darum den tieferen ihnen entsprechenden Grund dafür nicht erkennen kann, sodass er diesen zu verlieren beginnt, anstatt ihn durch den äussern Anreiz immer mehr zu suchen und zu erforschen. Denn die äussere Natur ist für die ewig fortlebende Seele nur Bild zur Verständlichmachung der Gründe für all die inneren Gefühle, die er wahrnehmen kann, wenn er sich ihnen zuzuwenden beginnt. Und eben darum müssen auch viele äussere Reize der Natur schmerzlich auf ihn einwirken (z.B. Krankheiten), damit er sich nicht in ihnen zu verlieren beginnt, anstatt sein eigenes Wesen in ihnen stets besser zu erkennen und zu verstehen lernen. Aber immerhin berühren diese Naturbilder noch immer das tiefere Leben eines Menschen, während die Weltgeschäftigkeit seine Gefühle zu ersticken beginnt, sodass er nur noch im Gehirne tätig wird und das eigentliche Leben oder seine Urkraft der Liebe zu verlieren beginnt, die alleine ihn wahrhaft zu beglücken imstande ist. Auch das hat Eichendorff, dieser schlichte Mensch, wohl erkannt, wenn er schreibt:

Aktenstösse nachts verschlingen,
schwatzen nach der Welt Gebrauch
und das grosse Tretrad schwingen
wie ein Ochs, das kann ich auch.
Aber glauben, dass der Plunder
eben nicht der Plunder wär',
sondern ein hochwichtig Wunder,
das gelang mir nimmermehr.

Und heutzutage haben wir ja nur noch diese äussere Weltgeschäftigkeit, deren so viele Menschen überdrüssig werden oder sind, dass sie entweder leibliche "Gewalt" im Extrem-Sport zu suchen beginnen, der immerhin noch ein leibliches Aufleben verspüren macht, wenn der Seele Eindrucksempfänglichkeit schon völlig abhanden gekommen oder erloschen ist – oder sie trachten das Leben zu beenden (Selbstmord), ohne zu bedenken, dass das Unsichtbare das Eigentliche und Bleibende ist.

Nur Menschen mit einem wachen Gemüt können aus den Bildern der Natur durch ein tieferes Verständnis ihrer Aussagen innerlich zu wachsen beginnen, und zwar selbst dann, wenn die Erscheinungen in dieser Natur manchmal, mit dem Verstande überprüft, fast gegenteilig erklärt werden können, als sie uns bildlich erscheinen mögen. Das wollen wir an einem Beispiel so richtig zu erkennen beginnen.

Die Sonne, als die Mutter des Tages, erleben wir Menschen auf ganz unterschiedliche Weise. Einmal ist sie hoch oben, weit entfernt, sodass wir unsere Blicke erheben müssen, um sie, das heisst ihre äussere Form wahrnehmen zu können, aber zweimal des Tages kommt sie auch nahe zu unserem Horizont; sie erscheint dabei gross und rot, wie wir Menschen die Liebe empfinden, wenn wir ihrer noch fähig sind. Dieser Umstand oder dieses Bild mag den Empfindenden daran erinnern, dass wir bei einem jeden Anfang oder bei jedem Aufleben unserer Gefühle im Sinne einer Begeisterung für eine gute Sache von einem gewissen Liebelicht umflossen werden, wie wir das bei einem Sonnenaufgang empfinden können. Es mag uns aber auch daran erinnern, dass wir oftmals dann, wenn wir total ermattet und ermüdet sind von unserem Kampf gegen die innern und äusseren Widerstände zur Erlangung eines wahren Friedens sich oft ganz unerwartet die Sonne sich unserem Horizont zu nähern beginnt, sodass wir sie fast zu fassen können glauben. Ist das nicht ein herrliches äusseres Bild dafür, wie oftmals wir beim Fassen eines guten Vorsatzes innerlich beflügelt werden und wie anderseits auch beim Nichtgelingen einer äusseren Arbeit wir dennoch in der Tiefe empfinden können, dass alleine unsere ursprüngliche Absicht uns wieder vermehrt erfüllen kann, wenn uns schon der äussere Erfolg nicht zugekommen ist. Wer noch so empfinden kann, dessen Seele und ihre Kraft, die Liebe, ist noch intakt, weil voll und sogar auch fühlbar noch lebendig.

Aber dann kommt unvermittelt die bloss äussere Wissenschaft unseres Verstandes, die uns lehrt, dass sich die Sonne nie der Erde nähert, sondern nur scheinbar unseren Horizont übersteigt, oder hinter ihm verschwindet, weil unser runder Erdball sich ständig dreht, sodass ständig neu wieder ein Teil belichtet wird und ein entgegen gesetzter Teil das Naturlicht der Sonne zu verlieren beginnt. Da liegt dann der Punkt, wo das menschliche Gemüt enttäuscht werden kann, das gerne die äusseren Bilder der Natur als Sinnbild innerer Vorgänge annehmen möchte. Dort liegt dann auch der Punkt, bei welchem sich manch ehrliche Seele enttäuscht zu der toten Wissenschaft zu bekennen willens ist. Aber gerade an diesem Beispiel lässt sich zeigen, wie schnell wir Menschen von einem offensichtlichen Schein erfüllt werden können, der sich mit blossen Verstande betrachtet genau gegenteilig darstellt. Denn nicht die Sonne ist es, die sich bewegt, sondern die Erde – und zwar zur Hauptsache bloss um ihre eigene Achse!! Und doch: – – ist nicht gerade diese Begebenheit ein vollkommenes Bild unserer eigenen, menschlichen Natur!? Auch bei den allermeisten Menschen drehen sich alle ihre Gedanken nur um das eigene Ich, und nicht um das Wohl des Ganzen. Also liegen auch im seelischen Bereich die Dinge ähnlich, ja fast punktgenau gleich, wie wir sie schon im Natürlichen mit unserem Verstande erkennen können. Es ist ja vor allem auch im seelischen Bereich der Mensch selber, der sich in seinem Egoismus stetig – wissentlich oder unwissentlich – mit all seinen Gedanken nur um sich selber dreht und sich dabei nach und nach immer mehr von der göttlichen Ordnung abkehrt oder abwendet und einer eigen Ordnung oder Prioritätenliste folgt. Dann dreht auch er sich ebenso wie die Erde nur um sich selbst. Kein Wunder, wenn er dabei die göttliche Ordnung nicht mehr erkennen kann und beispielsweise schon bei einem leichten Leiden bereits einen Verlust verspürt, wo doch ein solches Erkennen oder Spüren ihn nur zu mahnen imstande wäre, dass nicht er selber die Sonne mit all ihrer Wärme und ihrem Licht ist, sondern dass ein Höherer für ihn sorgt, sofern er sich in seinem weltlichen Schwunge nicht allzu weit von ihm entfernt, sodass er letztendlich seinen ihn erhaltenden Mittelpunkt gänzlich verlieren könnte. Würde er sich mehr um diesen Mittelpunkt seiner Bahn kümmern, so könnte er auch gewahr werden, dass es lediglich sein ewiges Drehen um sich selber ist, das ihn immer wieder vom Lichte abwendet. Ja mehr noch: er würde dankbar zu erkennen beginnen, dass sich ihm just in solchen Momenten der Abkehr seines Gesichtes vom eigentlichen Zentrum seiner grossen Bahn die göttliche Gnade im tiefen Abendrot innig besorgter Liebe zu nähern beginnt, und seinem beschränkten Horizont dadurch grösser erscheint, dass er den Sinn eines solchen Leidens besser zu erkennen beginnt. Denn da würde er erkennen, dass nur seine stete Drehung um die eigene Achse ihm das Gnadenlicht der Sonne abwendig macht, und nicht, wie es scheint, die Sonne selber, oder die göttliche Ordnung ihn verlässt. Nur bei einer solchen Erkenntnis kann auch die Dunkelheit der Nacht zu einer erholsamen, weil gläubig und vertrauensvollen Ruhezeit werden. Und ein solcher Zustand erst verleiht dem stetig wiederkehrenden Morgen jene innig empfundenen Gefühle der Dankbarkeit und Zuversicht, die oft wie ein neues Leben empfunden werden. Die tägliche Wiederholung dieser Neubegegnung mit dem Urquell allen Lichtes und der Wärme verleiht unserem Leben – sofern wir sie auch stets dankbar und voll beachtend wahrzunehmen bestrebt sind – eine gewisse Ruhe und Ausgeglichenheit. Nicht unbedingt im äussern Gang oder Ablauf der Dinge, aber umso sicherer in der Bewertung all dieser Vorkommnisse – durch das Empfinden einer zuversichtlichen Gewissheit bedingt. Dann erst, in einem solcherart empfundenen Sein, sind wir wieder zu Hause und beim Vater, und damit auch in unserer Heimat, aus welcher wir ursprünglich zum Zweck der Verselbständigung unseres Willens einmal auf eine äussere Bahn um die göttliche Ordnung geschickt worden sind. Durch solche Erlebnisse wird nicht nur der Sinn für unser momentanes Sein erweckt, sondern viel eher auch der Sinn für unser künftiges Wirken im Geiste mit dem Geiste Gottes vereint, welches weit über alles Materielle hinaus ragen kann und ragen wird.

Ist es nicht herrlich, verstehen zu lernen, wie tief greifend die Entsprechungsbilder der Natur dem seelischen Leben nahe kommen, sodass der göttliche Geist in ihr zu erwachen beginnt, der alleine das wahre Licht und die wahre Wärme ist, die erst dann den ganzen Menschen für dauernd zu erfüllen beginnen kann, wenn er sich wieder völlig mit ihr vereint hat.

So herrlich dieses Beispiel auch aufzeigen kann, wie die göttliche Ordnung auch in der äusseren Natur zu erkennen ist, so ist sie dennoch mit den durchs Gefühl gewonnenen Einsichten eines Eichendorffs nicht zu vergleichen, so wie er sie im oben abgedruckten Gebet offen gelegt hat. Erst in dieser Weise wird der Mensch zu einem wahrhaftigen Kinde Gottes oder Kind seines himmlischen Vaters. Eichendorff verstand es nicht nur, all seinen weltlichen "Adel" zu verleugnen und einer allen dienenden Erwerbstätigkeit (preussischer Staatsdienst) nachzugehen, nachdem er zuvor schon an den Befreiungskriegen gegen Napoleon (1813 - 1815) teilgenommen hatte, sondern er versuchte auch, die in die äussere Natur gegebenen, bildhaften Worte seines ewigen Vaters zu verstehen, was seine Liebe und vor allem auch seine Sehnsucht nach ihm nur verstärken konnte. Wie kaum ein anderer kann er den Sinn des vorerst bloss äusseren Lebens erfassen und in Worten beschreiben, wenn er sagt:

Der Pilger

Man setzt uns auf die Schwelle,
Wir wissen nicht, woher?
Da glüht der Morgen helle,
Hinaus verlangt uns sehr.

Der Erde Klang und Bilder,
Tiefblaue Frühlingslust,
Verlockend wild und wilder,
Bewegen da die Brust.

Bald wird es rings so schwüle,
Die Welt eratmet kaum,
Berg', Schloß und Wälder kühle
Stehn lautlos wie im Traum,

Und ein geheimes Grausen
Beschleichet unsern Sinn:
Wir sehnen uns nach Hause
Und wissen nicht, wohin?

Dein Wille, Herr, geschehe!
Verdunkelt schweigt das Land,
Im Zug der Wetter sehe
Ich schauernd Deine Hand.

O mit uns Sündern gehe
Erbarmend ins Gericht!
Ich beug im tiefsten Wehe
Zum Staub mein Angesicht,
Dein Wille, Herr, geschehe!

Schlag mit den flammgen Flügeln!
Wenn Blitz aus Blitz sich reißt:
Steht wie in Rossesbügeln
So ritterlich mein Geist.

Waldesrauschen, Wetterblicken
Macht recht die Seele los,
Da grüßt sie mit Entzücken,
Was wahrhaft, ernst und groß.

Es schiffen die Gedanken
Fern wie auf weitem Meer,
Wie auch die Wogen schwanken:
Die Segel schwellen mehr.

Herr Gott, es wacht Dein Wille,
Ob Tag und Lust verwehn,
Mein Herz wird mir so stille
Und wird nicht untergehn.

So laß herein nun brechen
Die Brandung, wie sie will,
Du darfst ein Wort nur sprechen,
So wird der Abgrund still;

Und bricht die letzte Brücke,
Zu Dir, der treulich steht,
Hebt über Not und Glücke
Mich einsam das Gebet.

Wie ein todeswunder Streiter,
Der den Weg verloren hat,
Schwank ich nun und kann nicht weiter,
Von dem Leben sterbensmatt.

Nacht schon decket alle Müden
Und so still ists um mich her,
Herr, auch mir gib endlich Frieden,
Denn ich wünsch und hoff nichts mehr.

Wie oft wollt mich die Welt ermüden,
Ich beugt aufs Schwert mein Angesicht
Und bat Dich frevelhaft um Frieden –
Du wußtests besser, gabst ihn nicht.

Ich sah in Nacht das Land vergehen,
In Blitzen Du die Wetter brachst,
Da könnt ich schauernd erst verstehen,
Was Du zu mir Erschrocknem sprachst:

»Meine Lieder sind nicht deine Lieder,
Leg ab den falschen Schmuck der Zeit
Und nimm das Kreuz, dann komme wieder
In deines Herzens Einsamkeit.«

Und alle Bilder ferne treten,
Und tief noch rauschet kaum die Rund –
Wie geht ein wunderbares Beten
Mir leuchtend durch der Seele Grund

Hat ein solcher Mensch nicht stetig einen Freund und Begleiter an seiner Seite, und zwar innig fühlend, bei sich; und ist es nicht richtig, ihn als seinen Vater zu erkennen? Wer sonst gibt uns solche Gedanken, wer errichtet in unserem Gemüt eine derart herrliche Landschaft, in welcher oft mehr Abwechslung vorhanden ist als in jeder äusseren Landschaft, welche wir am Ende dennoch verlassen müssen. Erst bei solchen Betrachtungen können wir ahnend und fühlend begreifen was Jesus sagen will, wenn er sagt, dass das Himmelreich in uns selber zu suchen ist. Denn nur da, in uns selber können wir dieses wahrhaftige Himmelreich erfassen und erleben, sofern wir aus Liebe zu seiner höheren Ordnung seinen väterlichen Ratschlägen auch nachzukommen beginnen, und sich dann als Folge dessen zum Beispiel so manches leibliche oder seelische Übel zu mildern oder gar manchmal auch zu verlieren beginnt, sodass wir dann in der Aufhellung unseres Gemütes oder auch im Schwinden so manchen leiblichen Übels seine Nähe immer stärker und bewusster wahrnehmen oder empfinden, sodass sich in uns ein wahrhaftes Verlangen nach seiner Nähe zu entwickeln beginnt. Und dieses begreifliche Verlangen ist eben jene Liebe, die über alles irdische Ungemach hinwegzutrösten vermag, weil ja bei einer solchen Erfüllung vom bloss Irdischen auch nicht mehr viel erwartet wird. Dadurch wird der Glaube schon bereits hienieden zu einer erfahrbaren Wirklichkeit. Das jedoch können nur Menschen erfahren, die einen Vater suchen, weil sie spüren, dass ihnen etwas fehlt. Und von diesem inneren Leben vermögen Dichter etwas weiterzugeben. Darum auch der Titel dieser Schrift: "Drei Kinder ein und desselben Vaters", weil alle, die einen solchen nicht vermissen eher jenen Samen gleichen, die der Wind oder die Sinnenlust und Sinnengier der Menschen irgendwohin in einen Schoss gestreut hat. Wohl haben auch diese denselben Vater, aber sie verlangen nicht nach ihm, weil sie innerlich noch nie berührt worden sind und dadurch ihr ganzes Leben ein rein äusseres, natürliches Sein geblieben ist, bis zu einem möglichen Zeitpunkt des Erkennens, dass ihnen das zu wenig ist, was oftmals erst auf dem Sterbebett der Fall sein wird. Auch da kommt es nach dem Wortlaut der Schrift nicht zum Verlust des eigentlichen Lebens, aber ohne Kampf mit eigener Kraft kann es nicht eigenständig werden. Denn sonst wäre ja alle Materialität völlig überflüssig.

In dieser Hinsicht wollen wir jedoch nicht weiterforschen. Denn vorderhand, in unserem leiblichen Sein, haben wir ja noch alle Möglichkeiten offen. Aber schön und interessant ist es doch, sehen zu können wie ein jedes sich auf seine ganz eigene Art zurecht zu finden sucht, und trostreich ist es, dabei zu sehen, dass einem jeden Willigen auf was für verschiedenen Wegen auch immer Hand geboten wird. Eichendorff beschreibt es folgendermassen:

So oder so

Die handeln und die dichten,
Das ist der Lebenslauf,
Der eine macht Geschichten,
Der andre schreibt sie auf.
Und der will beide richten;
So schreibt und treibt sich's fort,
Der Herr wird alles schlichten,
Verloren ist kein Wort.

Alles zuletzt Beschriebene fasst Eichendorff in den nächsten beiden Gedichten zusammen:

Der frohe Wandersmann

Wem Gott will rechte Gunst erweisen,
Den schickt er in die weite Welt;
Dem wird er seine Wunder weisen
In Berg und Tal und Strom und Feld.

Die Bächlein von den Bergen springen,
Die Lerchen schwingen hoch vor Lust,
Was soll’t ich nicht mit ihnen singen
Aus voller Kehl’ und frischer Brust.

Die Trägen, die zu Hause liegen,
Erquicket nicht das Morgenrot;
Sie wissen nur vom Kinderwiegen,
Von Sorgen, Last und Not um Brot.

Den lieben Gott laß’ ich nur walten,
Der Bächlein, Lerchen, Wald und Feld
Und Erd' und Himmel will erhalten,
Hat auch mein’ Sach’ aufs best bestellt!

Ins Leben schleicht sich das Leiden
wie ein heimlicher Dieb,
wir alle müssen scheiden
von allem was uns lieb.
Was gäbe es nicht auf Erden,
wer hielt den Jammer aus
wer möcht' geboren werden,
hieltst du nicht droben Haus!
Du bist's, der, was wir bauen
mild über uns zerbricht
daß wir den Himmel schauen -
darum so klag ich nicht.

So schön die äussere Natur auch sein kann, so sind es dennoch nur entsprechende Bilder innerer Zustände. Denn im äusseren ist alles der Wandlung unterworfen, weil es nicht der Grund des eigentlichen Wirken Gottes ist, sondern nur ein Gefäss zur Ausreifung der aus Gottes Liebe erschaffenen Menschen, die alleine mit ihm korrespondieren können, sodass er an ihnen – als einem verselbständigten Ebenbild seines Wesens – erst jene Freude haben kann, die wir selber ja auch empfinden, wenn wir zu einem aufrichtigen "Du" eine Beziehung haben können. Denn das verrät uns schon die Bibel, wenn wir in 1 Mose 1, 27 lesen, dass Gott den Menschen nach seinem Bilde geschaffen oder erschaffen hat. Natürlich können wir denken, dass das einfach so eine Hypothese sei, und dass sich der Mensch viel eher aus der Natur selber entwickelt hat, etwa so wie sich das Darwin anhand der stufenweisen Vervollständigung der ganzen Wesensreihe der Natur vorstellen konnte. Dagegen spricht allerdings die absolute Komplexität der innerlichen Gestaltung, die derart kompliziert ist, dass wir heutigen so hoch zivilisierten Menschen noch immer keine genauere Kenntnis darüber haben, was alles notwendig ist, dass wir nur schon unsere Glieder bewegen können. Natürlich kennen wir die materiellen, organischen Voraussetzungen dafür, jedoch in keiner Weise jene Kraft, die es braucht, das eigentliche Leben zu erregen. Zerstören ja, das können wir schon, aber zum Leben erregen lässt sich von uns Menschen noch keine Materie. Und doch lesen wir, dass es Jesus tun konnte. Auch sind Fälle bekannt geworden, da sich eine Seele von ihrem völlig lebendigen Leibe lösen konnte und in weiter Ferne dann Ereignisse sehen und miterleben konnte, die erst viel später durch dortige Augenzeugen bestätigt werden konnten. Darüber geben die Protokolle von Pfarrer Blumhardt klare, und von mehreren staatlich Angestellten bezeugte Protokolle Auskunft1). Auch eine englische Krankenschwester konnte solche Erfahrungen machen und hat sie ebenfalls niedergeschrieben2). Der vorher erwähnte Pfarrer konnte, wie später auch Bruno Gröning (1906-1959)6) während seiner Gottesdienstlichen Predigt unheilbar Kranke augenblicklich heilen. Und es ist typisch, dass ihm das von der Kirchenbehörde verboten wurde, obwohl er ja stets betonte, dass nicht er, sondern lediglich die Kraft Gottes das erwirken würde. Über die Heilerfolge Grönings wurde damals in allen Zeitungen geschrieben, wenn auch oftmals mit der Frage begleitet, ob das alles Wirklichkeit sei – obwohl es ja fast immer in aller Öffentlichkeit geschah und gelähmte Menschen danach aus ihren Rollstühlen aufstehen und gehen konnten und Blinde zu sehen begannen. Eine ausgebildete Ärztin in den USA, Rebecca Beard, konnte ebenfalls durch die Kraft Gottes Heilerfolge erzielen, die wissenschaftlich nicht erklärbar waren. Sie berichtet in ihren Büchern darüber, wie das geschehen konnte, denn sie selber war Wissenschafterin und bat Gott nur einmal in der Verzweiflung nach einem Herzanfall3). Wer all das nicht glauben kann, den möchte ich nicht überzeugen, wer es jedoch glauben möchte, den möchte ich darauf hinweisen, dass nicht die Vernunft und noch weniger der Vorwitz einen Menschen befähigt, diese göttliche Kraft einmal selber erfahren zu können, sondern alleine der wahrhaftige Ernst eines liebeheissen Wunsches, die Wahrheit – und nicht etwa bloss eine Gesundung – erfahren zu können. Wer jedoch immer wieder inbrünstig beten kann und beten wird, um nur einmal die Nähe Gottes erfahren zu können, dem wird es mit der Zeit einmal geschehen, dass er während oder nach dem Gebet Dinge oder Vorkommnisse an seinem Leib erfahren wird, die er bisher noch nie erlebt hat. So lernte ich einmal einen Menschen kennen, der eines Leidens wegen, dessen Ursache die Ärzte nicht ermitteln konnten, wochenlang mehrmals täglich immer darum gebeten hat, dass Gott ihn heilen möge. Aber er wollte überdies schon lange Klarheit auch darüber erlangen, ob es tatsächlich in der Unendlichkeit eine Stelle oder ein Wesen geben würde, das ihn vernehmen könne und ihm auch in Worten oder Taten zu begegnen bereit sei. Nach mehreren Wochen stellte er fest, dass ihm nun während des Betens jedes Mal seine Füsse gut merklich warm wurden, die sonst schon Jahrelang immer eher kalt waren – obwohl sein Leiden, um dessen Heilung er bat, nicht in seinen Füssen war. Weil er ja aber darum auch nicht gebeten hatte, es aber jedes Mal beim Beten geschah, so nahm er das als einen Fingerzeig Gottes, dass er ihn wohl vernehme, und darauf baute er seinen Glauben, dass ihm Gott auch einmal helfen würde, freilich erst dann, wenn er, Gott, es an der rechten Zeit finde. Einige Wochen später war er geheilt. Menschen, die sich viel eher um weltliche und gesellschaftliche Angelegenheiten kümmern, kann das wohl kaum einmal passieren.

Kurz, wir haben zuvor festgestellt, dass die äussere Natur nicht der Grund ihrer Erschaffung war, sondern dass sie zur Verselbständigung des Menschen erschaffen wurde, sodass er dadurch vom eigentlichen ungetrennten Sein Gottes zu einem zweiten Sein erwachen kann, mit welchem sein Schöpfer dann wie mit seinesgleichen verkehren kann. Und in diesem Zusammenhang ist es natürlich auch möglich, dass der von Gott auf diese Weise freigestellte Mensch an seiner nunmaligen Unterlage, also an der Natur und ihren Bildern und Gefühlseindrücken, eher mehr Gefallen findet, als an einer steten Kommunikation und Verbindung mit seinem ihm nur durch Wortvermittlung bekannten Schöpfer. Das werden wohl alle Menschen erkennen können, denen die Natur wichtiger ist und ihnen darum auch näher steht als ihr Schöpfer.

Wie schön ist es da, auch einmal etwas von Menschen erfahren zu können, die sich eher nach ihrem Ursprung, also nach Gott oder ihrem eigentlichen Vater sehnen, ohne dass sie deswegen blind für die Schönheiten und Wohltaten der Natur sind. Denn sie sind ja dann eben in der Entscheidungsphase, was ihnen lieber ist, und können uns daher eher mitteilen, wie sich eine solche Entscheidung erleben lässt. Joseph Freiherr von Eichendorf ist also in dieser Beziehung ein aufrechter, ehrlicher Vermittler, der uns in schönen Reimen und Worten seinen immer wieder auftretenden innern Entscheidungskampf schildern kann, wenn er folgendes sagt:

Gebet

Gott, inbrünstig möcht ich beten,
Doch der Erde Bilder treten
Immer zwischen dich und mich,
Und die Seele muß mit Grauen
Wie in einen Abgrund schauen,
Strenger Gott, ich fürchte dich!

Ach, so brich auch meine Ketten! Alle Menschen zu erretten,
Gingst du ja in bittern Tod.
Irrend an der Hölle Toren,
Ach, wie bald bin ich verloren,
Hilfst du nicht in meiner Not!

Mondnacht

Es war, als hätt’ der Himmel
Die Erde still geküßt,
Daß sie im Blütenschimmer
Von ihm nun träumen müßt'.

Die Luft ging durch die Felder,
Die Ähren wogten sacht,
Es rauschten leis’ die Wälder,
So sternklar war die Nacht.

Und meine Seele spannte
Weit ihre Flügel aus,
Flog durch die stillen Lande,
Als flöge sie nach Haus.

Und am Ende dieser irdischen Probe- und Konsolidierungszeit kommt für viele noch das Alter als eine Erfahrung hinzu, welches mehr als alle früheren Perioden hilft, sich von den "Fesseln" der äussern Bilder und leiblichen Genüsse zu distanzieren, sodass der Mensch nach Erfahrung dieses letzten Lebensabschnittes oder -Zustandes eher freudig als zögernd ein innerliches Ja zum Wechsel von der Materie oder Stofflichkeit in den eigentlichen geistigen Zustand hinüber zu schwingen. Wobei zu bemerken wäre, dass der bloss seelische Zustand noch immer kein himmlischer ist, welcher erst durch eine völlige Hingabe an die geistigen Liebegesetze erreicht werden kann, ganz im Sinne von Paulus, wenn er sagt: Ich lebe, aber nun nicht ich, sondern Gott in mir (Galater 2, 20). Aber lassen wir uns diesen letzten, bloss irdischen Lebensabschnitt ebenfalls noch von Eichendorff schildern, damit wir besser nachfühlen können, wie sehr die Schönheiten und Genüsse der äusseren Welt im menschlichen Gemüt noch nachklingen können, sodass dabei beinahe das Vorwärts-Schauen vernachlässigt wird. Denn die innern Bilder, welche durch die Kraft der Liebe erzeugt werden, sind für Menschen, die das erlebt haben, viel intensiver und wirken erfüllender auf das Gemüt – wahrscheinlich eben darum, weil sie aus der Belebung der eigenen, innern Kraft der Liebe entstanden sind und darum keiner äusseren Mittel mehr bedürftig sind, um unsere Seele damit zu erfüllen. Das werden wir bei der Beschäftigung mit dem nächstfolgenden Kinde Gottes, des einen Vaters aller Menschen miterleben können. Zuerst aber noch das Abgeben oder Loslassen-Müssen aller bloss irdischen Eindrücke, auch wenn sie noch so schön waren und noch so rein ins Geistige übertragen worden sind:

Im Alter

Wie wird nun alles so stille wieder!
So war mir's oft in der Kinderzeit,
Die Bäche gehen rauschend nieder
Durch die dämmernde Einsamkeit,
Kaum noch hört man einen Hirten singen,
Aus allen Dörfern, Schluchten weit
Die Abendglocken herüber klingen,
Versunken nun mit Lust und Leid
Die Täler, die noch einmal blitzen,
Nur hinter dem stillen Walde weit
Noch Abendröte an den Bergesspitzen,
Wie Morgenrot der Ewigkeit.

Abschied

O Täler weit, o Höhen,
O schöner, grüner Wald,
Du meiner Lust und Wehen
Andächt'ger Aufenthalt.
Da draußen, stets betrogen,
Saust die geschäft'ge Welt;
Schlag noch einmal die Bogen,
Um mich, du grünes Zelt.

Wenn es beginnt zu tagen,
Die Erde dampft und blinkt,
Die Vögel lustig schlagen,
Daß dir dein Herz erklingt:
Da mag vergehn, verwehen
Das trübe Erdenleid,
Da sollst du auferstehen
In junger Herrlichkeit!

Da steht im Wald geschrieben
Ein stilles, ernstes Wort
Vom rechten Tun und Lieben
Und was des Menschen Hort.
Ich habe treu gelesen
Die Worte schlicht und wahr.
Und durch mein ganzes Wesen
Ward's unaussprechlich klar.

Bald werd ich dich verlassen,
Fremd in der Fremde gehn,
Auf buntbewegten Gassen
Des Lebens Schauspiel sehn;
Und mitten in dem Leben
Wird deines Ernsts Gewalt
Mich Einsamen erheben,
So wird mein Herz nicht kalt.

Wie viel der Mensch schon alleine aus der äusseren Natur als bildhafte Erklärungen und Hinweise auf einen gütigen Schöpfer erkennen oder entnehmen kann, das zeigt uns ein der Wahrheit verpflichtetes gläubiges Gemüt, so wie wir es nun in Eichendorff kennen gelernt haben. Aber es ist immer nur die Liebe, die uns das erkennen lassen kann, weil nur sie alleine jene Kraft ist, die ohne Unterbrechung dorthin zu ziehen vermag, wo sie ihre Erfüllung erhofft – auch allen vorläufigen Widerständen zum Trotz.

Nicht alle Menschen kommen mit der gleich grossen Kraft der Liebe in diese Welt, haben aber dafür andere Stärken, wie beispielsweise einen starken Willen oder Geduld, Weisheit oder Sinn für Ordnung und vieles andere mehr. Ja sogar eine starke Liebe ist nicht einfach eine Garantie für ein schnelles Erreichen eines sie anziehenden Ziels. Wenn sie sich in verschiedene Richtungen hinziehen lässt, die einander diametral gegenüber stehen, so gleicht sie einem Fuhrwerk, an dessen allen vier Enden oder Seiten je ein Pferd eingespannt ist. Sind alle diese dem Liebeszug entsprechenden Pferde gleich stark und beginnen zur gleichen Zeit zu ziehen, so wird sich der Wagen trotz der enormen gemeinsamen Zugkraft in keine Richtung bewegen können, weil ja eine jede Kraft die ihr gegenüberliegende wieder aufhebt. Solchen Menschen fehlt oft das notwendige Licht zum Erkennen, wieso sie nirgendwo hinkommen. Anderseits aber kann eine kleinere Liebekraft dadurch gestärkt werden, dass sie das ihr lieb und begehrenswert Erscheinende längere Zeit nie so völlig erreichen kann. Auch dafür finden wir ein Beispiel unter den Dichtern – denn nur sie können uns in allen Farben ihr Schicksal und ihre dabei entstehenden Lebensgefühle schildern. Es betrifft den jung verstorbenen Freiherrn Friedrich von Hardenberg (2. 5. 1772 bis 25. 3. 1801), welcher vielmehr unter dem Namen Novalis bekannt geworden ist. Wenn wir erfahren, dass er sich bereits im 21. Jahr mit der 13-jäh-rigen Sophie von Kühn (im Einverständnis beider Eltern) verlobt hatte, und noch dazu wissen, dass diese seine Geliebte schon bald danach an einem Leberleiden gestorben ist, so können wir uns schon vorstellen, was vor allem seine Liebe gesammelt und dadurch auch gestärkt hat, und wir können uns fragen, ob nicht eben gerade bei ihm erst die eingangs erwähnte, Gestalt gebende und schützende Rippe des ersten Menschen (Adam), aus welcher – laut dem Schöpfungsbericht Mosis – das weibliche Wesen geformt wurde, ihre Aufgabe in geradezu beispielhafter Weise zutage gefördert wurde. Diese Frage könnte ich nicht stellen, wenn ich nicht selber einen Knaben kennen gelernt hätte, der sich mit 5 oder 6 Jahren alters in ein stilles und bescheidenes, gleichaltriges Mädchen förmlich verliebt hatte, sodass er immer wieder von neuem errechnete, dass er noch 15 Jahre lang warten müsse, bis er das ihm lieb Gewordene endlich heiraten könne. Dabei hatte er nie nur ein einziges Wort mit ihm geredet, er konnte es im Kindergarten nur stundenlang betrachten Die Stille und Bescheidenheit des Mädchens war es, die er unbedingt mit Leben und Zuneigung erfüllen wollte. Und das blieb auch so, als er es schon lange nicht mehr gesehen hatte, weil damals Mädchen und Knaben getrennt geschult worden waren. Wie viel mehr und eindrücklicher musste der Verlust seines Mädchens dem Novalis vorgekommen sein, da es ja nicht bloss nur seinen Blicken entzogen war, sondern ihm jede Möglichkeit fehlte, es je wieder treffen zu können. Das können sich heutige Menschen, die schon von frühester Kindheit an durch unzählige Möglichkeiten abgelenkt und zerstreut worden sind (Fernsehen, Internet und Handy), schon beinahe nicht mehr vorstellen. Wenn wir dazu noch wissen, dass Novalis in pietistischem Milieu aufgewachsen war und ihm darum auch Jesus ein wahrhaftes seelisches Bedürfnis war, zu welchem er eine stark sinnliche Beziehung hatte, so können wir seine "geistlichen Lieder" verstehen, in welchen er hauptsächlich auf die Einsamkeit und Unbeachtetheit seiner damals leiblichen Person eingegangen ist. Herz zerreissend sind seine Lieder und von einer Liebe-Feurigkeit, wie ich sonst noch keine in schriftlicher Form gefunden habe. Das erkennt man in allen seinen Gedichten, in welchen er sich an Jesus wandte. Wie es aber zu einer solchen Liebe kommen konnte, das erkennen wir leicht schon im ersten hier wiedergegebenen Gedicht, welches zeigt, wie oft das sinnlich Empfundene unsere Liebe erst so richtig feurig werden lässt.

Sehnsucht nach dem Tode

Hinunter in der Erde Schoß,
Weg aus des Lichtes Reichen,
Der Schmerzen Wut und wilder Stoß
Ist froher Abfahrt Zeichen.
Wir kommen in dem engen Kahn
Geschwind am Himmelsufer an.

Gelobt sei uns die ew'ge Nacht,
Gelobt der ew'ge Schlummer.
Wohl hat der Tag uns warm gemacht
Und welk der lange Kummer.
Die Lust der Fremde ging uns aus,
Zum Vater wollen wir nach Haus,

Was sollen wir auf dieser Welt
Mit unsrer Lieb und Treue?
Das Alte wird hintangestellt,
Was soll uns dann das Neue?
O! einsam steht und tief betrübt,
Wer heiß und fromm die Vorzeit liebt.

Die Vorzeit, wo die Sinne licht
In hohen Flammen brannten,
Des Vaters Hand und Angesicht
Die Menschen noch erkannten.
Und hohen Sinns, einfältiglich
Noch mancher seinem Urbild glich.

Die Vorzeit, wo noch blütenreich
Uralte Stämme prangten
Und Kinder für das Himmelreich
Nach Qual und Tod verlangten.
Und wenn auch Lust und Leben sprach,
Doch manches Herz für Liebe brach.

Die Vorzeit, wo in Jugendglut
Gott selbst sich kundgegeben
Und frühem Tod in Liebesmut
Geweiht sein süßes Leben.
Und Angst und Schmerz nicht von sich trieb,
Damit er uns nur teuer blieb.

Mit banger Sehnsucht seh'n wir sie
In dunkle Nacht gehüllet;
In dieser Zeitlichkeit wird nie
Der heiße Durst gestillet.
Wir müssen nach der Heimat gehn,
Um diese heil'ge Zeit zu sehn.

Was hält noch unsre Rückkehr auf,
Die Liebsten ruh'n schon lange.
Ihr Grab schließt unsern Lebenslauf,
Nun wird uns weh und bange.
Zu suchen haben wir nichts mehr —
Das Herz ist satt – die Welt ist leer.

Unendlich und geheimnisvoll
Durchströmt uns süßer Schauer —
Mir deucht, aus tiefen Fernen scholl
Ein Echo unsrer Trauer.
Die Lieben sehnen sich wohl auch
Und sandten uns der Sehnsucht Hauch.

Hinunter zu der süßen Braut,
Zu Jesus, dem Geliebten —
Getrost, die Abenddämm'rung graut
Den Liebenden, Betrübten.
Ein Traum bricht unsre Banden los
Und senkt uns in des Vaters Schoß.

In diesen Versen ist all das so plastisch als möglich beschrieben, was vorher über die Gemütsart Novalis ausgesagt wurde. Aber sehen oder vernehmen wir, wie schön und folgerichtig sich das Gemüt Novalis durch seine Liebe – diesmal jedoch zum wahren Heiland und Erlöser – wieder ordnen liess:

Wenn ich nur Dich habe

Was wär' ich ohne dich gewesen?
Was würd' ich ohne dich nicht sein?
Zu Furcht und Ängsten auserlesen,
Stand ich in weiter Welt allein.
Nichts wüßt' ich sicher, was ich liebte,
Die Zukunft wär' ein dunkler Schlund;
Und wenn mein Herz sich tief betrübte,
Wem tät ich meine Sorge kund?

Einsam verzehrt von Lieb' und Sehnen,
Erschien' mir nächtlich jeder Tag;
Ich folgte nur mit heißen Tränen
Dem wilden Lauf des Lebens nach.
Ich fände Unruh im Getümmel
Und hoffnungslosen Gram zu Haus.
Wer hielte ohne Freund im Himmel,
Wer hielte da auf Erden aus?

Hat Christus sich mir kundgegeben
Und bin ich seiner erst gewiß,
Wie schnell verzehrt ein lichtes Leben
Die bodenlose Finsternis.
Mit ihm bin ich erst Mensch geworden;
Das Schicksal wird verklärt durch ihn,
Und Indien muß selbst im Norden
Um den Geliebten fröhlich blüh'n.

Und schon kann er nachfolgend dankbar bekennen, wie reich uns Jesus durch sein vorbildliches Leben und nun, nach seinem Tode am Kreuz, eben auch durch seinen Geist werden lassen kann – jedoch nur dann, wenn wir uns ihm alleine völlig hingeben, was ja bei uns Menschen immerhin oft erst nach einem tief empfundenen Verlust ermöglicht wird.

Der Erlöser

Das Leben wird zur Liebesstunde,
Die ganze Welt spricht Lieb' und Lust.
Ein heilend Kraut wächst jeder Wunde,
Und frei und voll klopft jede Brust.
Für alle seine tausend Gaben
Bleib' ich sein demutvolles Kind,
Gewiß, ihn unter uns zu haben,
Wenn zwei auch nur versammelt sind.

O! geht hinaus auf allen Wegen
Und holt die Irrenden herein,
Streckt jedem eure Hand entgegen
Und ladet froh sie zu uns ein.
Der Himmel ist bei uns auf Erden,
Im Glauben schauen wir ihn an;
Die eines Glaubens mit uns werden,
Auch denen ist er aufgetan.

Ein alter, schwerer Wahn von Sünde
War fest an unser Herz gebannt;
Wir irrten in der Nacht wie Blinde,
Von Reu' und Lust zugleich entbrannt.
Ein jedes Werk schien uns Verbrechen,
Der Mensch ein Götterfeind zu sein,
Und schien der Himmel uns zu sprechen,
So sprach er nur von Tod und Pein.

Das Herz, des Lebens reiche Quelle,
Ein böses Wesen wohnte drin;
Und ward's in unserm Geiste helle,
So war nur Unruh' der Gewinn.
Ein eisern Band hielt an der Erde
Die bebenden Gefangnen fest;
Furcht vor des Todes Richterschwerte
Verschlang der Hoffnung Überrest.

Da kam ein Heiland, ein Befreier,
Ein Menschensohn, voll Lieb und Macht,
Und hat ein allbelebend Feuer
In unserm Innern angefacht.
Nun sah'n wir erst den Himmel offen
Als unser altes Vaterland,
Wir konnten glauben nun und hoffen
Und fühlten uns mit Gott verwandt.

Seitdem verschwand bei uns die Sünde,
Und fröhlich wurde jeder Schritt;
Man gab zum schönsten Angebinde
Den Kindern diesen Glauben mit;
Durch ihn geheiligt, zog das Leben
Vorüber wie ein sel'ger Traum,
Und ew'ger Lieb und Lust ergeben,
Bemerkte man den Abschied kaum.

Noch steht in wunderbarem Glanze
Der heilige Geliebte hier,
Gerührt von seinem Dornenkranze
Und seiner Treue, weinen wir.
Ein jeder Mensch ist uns willkommen,
Der seine Hand mit uns ergreift
Und, in sein Herz mit aufgenommen,
Zur Frucht des Paradieses reift.

Und weil Novalis Worte so schön und kindlich rein zu uns herüberkommen, so wollen wir uns einem weiteren Bekenntnis in Gedichtform zuwenden, welches von einer Innigkeit geprägt ist, die sich schon eher noch mit dem Verlust seiner früh verstorbenen Verlobten erklären lässt. Wie ganz anders ist das Empfinden und Erleben in der heutigen, so stark vom Handel und Wandel geprägten Zeit!

Nur Du, mein Gott und Vater

Wenn ich ihn nur habe,
Wenn er mein nur ist,
Wenn mein Herz bis hin zum Grabe
Seine Treue nie vergißt:
Weiß ich nichts von Leide,
Fühle nichts als Andacht, Lieb' und Freude.

Wenn ich ihn nur habe,
Laß ich alles gern,
Folg' an meinem Wanderstabe
Treugesinnt nur meinem Herrn;
Lasse still die Andern
Breite, lichte, volle Straßen wandern.

Wenn ich ihn nur habe,
Schlaf' ich fröhlich ein,
Ewig wird zu süßer Labe
Seines Herzens Flut mir sein,
Die mit sanftem Zwingen
Alles wird erweichen und durchdringen.

Wenn ich ihn nur habe,
Hab' ich auch die Welt,
Selig wie ein Himmelsknabe,
Der der Jungfrau Schleier hält.
Hingesenkt im Schauen,
Kann mir vor dem Irdischen nicht grauen.

Wo ich ihn nur habe,
Ist mein Vaterland;
Und es fällt mir jede Gabe
Wie ein Erbteil in die Hand;
Längst vermißte Brüder
Find ich nun in seinen Jüngern wieder.

Das eingefügte Bild, ein Ausschnitt aus Zünds "Gang nach Emmaus", verdeutlicht oder vermittelt zur Abwechslung einmal im wörtlichen Sinne bildlich ein Gefühl der Geborgenheit und des Aufgehoben-Seins im Moment der intensiven gedanklichen, aber vor allem auch herzlichen Beschäftigung mit der Person und dem Leben Jesu. Ja, da kann man dann begreifen wie der folgende Liebesantrag an Jesus zustande gekommen sein muss:

Von Gottes Treue und Liebe

Wenn alle untreu werden,
So bleib ich dir doch treu,
Daß Dankbarkeit auf Erden
Nicht ausgestorben sei.
Für mich umfing dich Leiden,
Vergingst für mich in Schmerz;
Drum geb' ich dir mit Freuden
Auf ewig dieses Herz.

Oft muß ich bitter weinen,
Daß du gestorben bist
Und mancher von den Deinen
Dich lebenslang vergißt.
Von Liebe nur durchdrungen,
Hast du so viel getan,
Und doch bist du verklungen,
Und keiner denkt daran.

Du stehst voll treuer Liebe
Noch immer jedem bei,
Und wenn dir keiner bliebe,
So bleibst du dennoch treu;
Die treuste Liebe sieget,
Am Ende fühlt man sie,
Weint bitterlich und schmieget
Sich kindlich an dein Knie.

Ich habe dich empfunden,
O! lasse nicht von mir;
Laß' innig mich verbunden
Auf ewig sein mit dir.
Einst schauen meine Brüder
Auch wieder himmelwärts
Und sinken liebend nieder
Und fallen dir ans Herz.

Und endlich preist auch Novalis die Liebe allein als einzige Kraft, die uns Gott, unsern Vater, näher bringen kann. Gewiss, es ist nicht umsonst, wenn eingangs so viel über das eigentliche Wesen der Liebe geschrieben ist, um ihr Wirken besser verstehen zu können, aber viel berührender und spürbarer kommt sie uns im Dichterwort Novalis entgegen:

Gottes Nähe durch die Liebe

Ich weiß nicht, was ich suchen könnte,
Wär jenes liebe Wesen mein,
Wenn er mich seine Freude nennte
Und bei mir wär, als wär ich sein.

So viele geh'n umher und suchen
Mit wild verzerrtem Angesicht,
Sie heißen immer sich die Klugen
Und kennen diesen Schatz doch nicht.

Der eine denkt, er hat's ergriffen,
Und was er hat, ist nichts als Gold;
Der will die ganze Welt umschiffen,
Nichts als ein Name wird sein Sold.

Der läuft nach einem Siegerkranze
Und der nach einem Lorbeerzweig,
Und so wird von verschiednem Glanze
Getäuscht ein jeder, keiner reich.

Hat er sich euch nicht kundgegeben?
Vergaßt ihr, wer für euch erblich?
Wer uns zulieb aus diesem Leben
In bittrer Qual verachtet wich?

Habt ihr von ihm denn nichts gelesen,
Kein armes Wort von ihm gehört?
Wie himmlisch gut er uns gewesen
Und welches Gut er uns beschert?

Wie er vom Himmel hergekommen,
Der schönsten Mutter hohes Kind?
Welch Wort die Welt von ihm vernommen,
Wie viel durch ihn genesen sind?

Wie er, von Liebe nur beweget,
Sich ganz uns hingegeben hat
Und in die Erde sich geleget
Zum Grundstein einer Gottesstadt?

Kann diese Botschaft euch nicht rühren,
Ist so ein Mensch euch nicht genug,
Und öffnet ihr nicht eure Türen
Dem, der den Abgrund zu euch schlug?

Laßt ihr nicht alles willig fahren,
Tut gern auf jeden Wunsch Verzicht,
Wollt euer Herz nur ihm bewahren,
Wenn er euch seine Huld verspricht?

Nimm du mich hin, du Held der Liebe!
Du bist mein Leben, meine Welt;
Wenn nichts vom Irdischen mir bliebe,
So weiß ich, wer mich schadlos hält.

Du gibst mir meine Liebe wieder,
Du bleibst in Ewigkeit mir treu,
Anbetend sinkt der Himmel nieder,
Und dennoch wohnest du mir bei.

Das sind gleichsam wahrhaftig mitreissende innerliche Umarmungen, denen wir beim Lesen dieser Gedichte beiwohnen können. Sie können uns allerdings nur in völlig von aller Welt gelösten Momenten oder Stunden so recht lebenstief erfahren lassen, wie herzlich, aber auch wie unser ganzes Gemüt erfassend unser Leben vom göttlichen Liebegeist ergriffen werden kann, wenn wir uns nur endlich wieder einmal vollständig von all den weltlichen Gedanken und Umgangsformen lösen können.

Wen diese Zeilen weniger anzusprechen vermögen, der muss sich darum aber nicht etwa minderwertig vorkommen, denn anständig zu leben, ohne tieferen Anteil an der Möglichkeit zu nehmen, aus Gottes Liebefülle direkt schöpfen zu können, ist ja absolut keine Sünde, aber es verlegt uns unter Umständen für eine längere Zeit die Möglichkeit, in unserem nachtodlichen Sein zu einer solch hehren Freundschaft mit der so erfüllenden Liebekraft Gottes zu kommen, weil wir nichts Materielles oder Gemein-Sinnliches vom Diesseits mit hinübernehmen können.

Über das Leben Novalis wäre noch nachzutragen, dass es mehr als begreiflich erscheint, wenn bei einem solchen (Liebe-)Feuer sein irdischer Aufenthalt oder seine irdische Lebenszeit nur von kurzer Dauer sein konnte. Und das umso mehr, als er sich auch ernstlich vorgenommen hatte, die verschiedenen christlichen Kirchen wieder zu vereinen, was in der damaligen Welt zufolge der zelotischen Engstirnigkeit wohl kaum möglich gewesen wäre und auch in der heutigen, fast völlig glaubenslosen Zeit noch viel weniger der Fall sein könnte. Unter Glaubenslosigkeit soll hier nur der Glaube an Gott und ein ewiges Leben verstanden werden. Denn glaubensvoller – aber an die Wissenschaft – war noch keine Zeit, obwohl gerade die Wissenschaft ständig revidiert und oft sogar auch widerruft, was sie vorher als faktisch erwiesen gepriesen hat. Denken wir beispielsweise nur an das Atom (übersetzt: das Unteilbare), das schon lange in viele verschiedene Teile gespalten werden kann.

Einem solchen Ernst in Liebe und Hinwendung, wie er in Novalis Herzen zu finden war, ist es kaum möglich, längere Zeit diesseits auszuharren, ohne ärgerlich und am Ende wütend über den Misserfolg zu werden, was das Liebefeuer nur wieder erkalten lassen könnte. Weil er aber anderseits seine Liebe schon so zielgerichtet geordnet hat, so ist ein solcher Mensch auch eher reif für sein ewiges, jenseitiges Leben – und ganz besonders dann, wenn sich das Feuer seiner Liebe nicht etwa an den vergänglichen Gegenständen der Natur abgekühlt hat, aber sich anderseits in seinem Hunger nach Vereinigung mit dem ihm Lebens- und Gesinnungsverwandten fast verzehren müsste, weil es da, in dieser Welt nichts finden könnte, dann ist es wohl besser, es drüben, in gereinigter Form neue Nahrung finden zu lassen. Der leibliche Tod eines so manchen frühreifen Kindes kann für die Richtigkeit dieser Annahme sprechen. Und anderseits war Novalis Liebe und Begeisterung für das weibliche Geschlecht mit dem Verlust seiner Verlobten nicht etwa erloschen, sodass die sinnliche Seite seiner Liebe möglicherweise seine inzwischen erlangte, reine Gottseligkeit wieder hätte zu trüben vermögen. Und dass es sich so verhielt, das belegen einige innig feurige Lieder in seinen "geistlichen Liedern", die er – nicht als Katholik, sondern als Pietist – der Maria, als der Gebärerin von Jesus, gewidmet hat. Hat er nun jedoch anderseits in Jesus einen vollwertigen Ersatz für den Verlust seiner Geliebten gefunden, so wäre es schade, wenn er sich von dem ihn voll erfüllenden Urquell wieder abwenden würde. Denn so wie wir die damalige Situation aus den Überlieferungen kennen, ist ja gar nicht ausgeschlossen, dass sich die beiden im Jenseits – nach einer abgeschlossenen Konsolidierung ihres Wesens nicht dennoch in einer Ehe vereinigen können.

Und damit wollen wir auf die – geschlechtlich gesehen – andere Seite der menschlichen Entfaltungsmöglichkeit einen Blick werfen – nicht auf die begehrende, sondern auf die begehrte Seite. Denn der Mann sucht ja das ihm Fehlende, das von ihm Entliehene, das ja eben deswegen von ihm getrennt wurde, damit er erkenne, was ihm notwendig sei. Es ist einerseits das Suchen nach einer harmonischen Vollendung und anderseits auch die Möglichkeit zu einem Geben aus der Fülle heraus, so wie es Gott dem Menschen im Allgemeinen gegenüber tut. In letzter Zeit wird diese aus der Bibel begründete Ansicht wohl kaum mehr akzeptiert, weil ja das Selbstgefühl der Menschen durch die massive Entwicklung der Technik mit all ihren Möglichkeiten ganz allgemein gestärkt ist – und jenes der Frauen im Besonderen. Aber dort nicht etwa aus einer gewissen Situation des empfangenden Teils heraus – denn der Mann muss ja ebenfalls zuerst von Gott empfangen –, sondern viel eher aus einem ganz teuflisch inspirierten Gedanken heraus, den ein grenzenloser Materialist zu seinem Vorteil ausgeheckt hat und den er einem seiner Freunde einmal anvertraut hat, so dass er durch diesen dann schliesslich einmal der Öffentlichkeit preisgegeben wurde. Er lautet folgendermassen:

Feminismus, eine Erfindung?
Erschienen 01.04.2013

Quelle/Link: http://www.youtube.com/watch?v=shl0K0V4EVU

"Der Feminismus wird seit etlichen Jahrzehnten weltweit lautstark propagiert. Viele Kritiker vermuten hinter diesem sozialen Umbau keine gezielten Absichten. Aaron Russo (†2007), ein amerikanischer Bankenkritiker, Politiker, Regisseur und ehemaliger Manager berichtet jedoch über eine Aussage seines ehemaligen Bankierfreundes, Nicolas Rockefeller, und gibt sie mit folgenden Worten wieder:

„Der Feminismus ist unsere Erfindung aus zwei Gründen: Vorher zahlte nur die Hälfte der Bevölkerung Steuern, jetzt fast alle, weil die Frauen arbeiten gehen. Außerdem wurde damit die Familie zerstört und wir haben dadurch die Macht über die Kinder erhalten. Sie sind unter unserer Kontrolle mit unseren Medien, bekommen unsere Botschaft eingetrichtert und sie stehen nicht mehr unter dem Einfluss der intakten Familie. Indem wir die Frauen gegen die Männer aufhetzen und die Partnerschaft und die Gemeinschaft der Familie zerstören, haben wir eine kaputte Gesellschaft aus Egoisten geschaffen, die arbeiten, konsumieren, dadurch unsere Sklaven sind und es dann auch noch gut finden.“ Wer genauer hinsieht, stellt zudem fest, wie sehr die Rockefeller Stiftung ab den 50er Jahren des vorigen Jahrhunderts die Feminismus-Bewegung mitgeprägt hat und zusammen mit der CIA verschiedenste feministische Berichterstattung via Magazine, TV und Werbung propagierte.

Dazu noch folgende, ergänzende Überlegung: In früheren Zeiten, als die fortgeschrittene Technik dem Menschen noch kaum eine Arbeit und Mühe abgenommen hatte und das Leben ganz im Allgemeinen eher in der Nähe der Armutsgrenze verlaufen war, auch die medizinische Kunst der Operationstechnik viele Unfallfolgen nie richtig beheben konnte, da war es auf der Erde noch nicht so schön zu leben, besonders auch, weil der soziale Gedanke und die sozialen Absicherungen für ein sorgloses Leben fehlten. Zu alledem auch noch immer wieder Streit und Ungerechtigkeiten im täglichen Leben, die mangels Geld nicht eingeklagt werden konnten. In dieser damaligen Situation war es ja nur natürlich, dass sich der Mensch nach einer besseren Zeit und einer besseren Situation sehnte, die ihm von den Kirchen ja auch für das Sein nach dem leiblichen Tode versprochen wurde, sofern er sich auch strikte an die "göttlichen", oder vielmehr eher noch an die staatlichen Gesetze halten würde. Aus diesem alleinigen Grunde hielten sich die Menschen im Allgemeinen an die göttlichen Gesetze. Denn schrecklich wäre es für sie gewesen, wenn sie nach der Armut und den Plagen der damaligen Zeit, welche durch die damals herrschende Ausbeutung durch die oberen Gesellschaftsschichten gegeben war, schlussendlich noch in die Hölle kommen sollten. Ganz anders hingegen verhält es sich heute, wo der Mensch in den industrialisierten Ländern der Welt ein – nach der damaliger Beurteilung – praktisch unbegrenztes Schlemmerleben führen kann. Das heisst: jederzeit genügend oder gar reichlich zu Essen zu haben, genau begrenzte Arbeitszeiten, darin eingeschlossen auch Ferien; ferner eine bezahlbare medizinische Versorgung und eine anständige, geräumige, gut heizbare Wohnung. Dann durch die erlaubte Abtreibung möglich gewordene Kinderlosigkeit, neben Reise- und Flugmöglichkeiten in Hülle und Fülle, auch noch Fernsehen, Telefon und Internet, damit ja keine Langeweile ertragen werden muss und schon gar keine Zeit mehr zum Nachdenken übrig bleibt – das alles ist so reichlich vorhanden, dass der heutige Mensch im Allgemeinen gar keinen Himmel oder himmlischen Zustand mehr braucht oder gar noch suchen würde. Ihm genügt das hier zu Geniessende vollkommen! Aber nicht genug damit, man kann in einer solch sorglosen Situation offenbar sehr leicht die Frauen gegen die Männer aufhetzen, sodass sie eine so genannte Gleichstellung verlangen, um mit ihnen konkurrieren zu können. Denn gegenseitige Übertrumpfung oder so genannter Sport ist heute schon eher eine Grundeinstellung des Menschen, nicht etwa eine gegenseitige Ergänzung oder Harmonisierung!!! Die Frauen wollen nicht von ihren Männern abhängig sein, obwohl es anderseits auch Männer gäbe, welche lieber in den eigenen vier Wänden ihre Kinder betreuen würden, anstatt in einem unstimmigen Team zu arbeiten. In einer solch persönlichen gegenseitigen Konkurrenz – anstatt Ergänzung – ist es dann kaum möglich, aus einer etwaigen eigenen Fülle heraus das Bedürfnis zu empfinden, andere am eigenen Reichtum teilhaben zu lassen oder mit andern Worten, den Reichtum harmonisch auf alle zu verteilen. Und schon gar nicht das Bedürfnis zu haben, das Wachstum und Gedeihen anderer (z.B. der Kinder) zu fördern. Oh, wie arm ist diese Zeit geworden, und wie reich war sie damals, als die äussere Not die Menschen noch anspornen konnte, anderen zu helfen, sich für das Gedeihen anderer einzusetzen, das Schwächere zu unterstützen, zum Beispiel die Eltern ihre Kinder durch ein wahrhaftes Vorbild und das Aufmerksam machen, woher und wie das Elend in die Welt kommt, nämlich durch die Gedankenlosigkeit der einen und durch die Raffgier und Herrschlust der andern. Und umgekehrt können und wollen derart erzogene Kinder dann auch ihre im Alter schwächer gewordenen Eltern wieder unterstützen, sodass eine gesunde und wohltätige Kultur schon in den kleinsten Zellen der Gesellschaft, den Familien, ihren Anfang finden konnte. Das wäre doch das Ideal! Aber dieses Ideal wurde damals eben vor allem durch das Mitansehen und Miterleben müssen des Elendes anderer erst so recht geweckt, während heute durch die Institutionalisierung der Hilfe (staatliche Altersvorsorge, Krankenkassen, Pensionskassen, Altersheime Unfallversicherungen etc) viele Möglichkeiten gegenseitiger Hilfe hinweg fallen. Und die Vielbeschäftigung, zum Beispiel durch fortwährende Weiterbildung, aber auch durch technische Möglichkeiten bedingt, wie Radio, Fernsehen, Telefon (vor allem Handys) und ungeahnte Reisemöglichkeiten (das eigene Auto – für beide Ehepartner eines –, sowie Bahn und Flugzeuge) nehmen oder stehlen uns die Zeit, uns tiefer mit dem Sinn des Lebens zu befassen oder uns immer auch um das Wohl des Nächsten zu kümmern. Kurz zusammengefasst: das eigentliche, vor allem das innere Leben und Erleben wird durch eine solche Lebensform fast völlig erstickt. In der Zeit unserer ausgewählten drei Kinder eines und desselben Vaters hingegen war es oftmals gerade die vorhandene Zeit, die sie auf so manches aufmerksam machen konnte, das heute im Strudel der oft sogar sinnlos gewordenen Vollbeschäftigung unterzugehen droht – oder grossenteils schon völlig untergegangen ist. An einem bewundernswerten Beispiel soll das so richtig deutlich werden. Denn damals hatten die Frauen oft alle Hände voll zu tun, um mit den wenigen, damals vorhandenen Mitteln einen geordneten Haushalt zu führen. Und doch sorgten sich – vor allem in den weniger bemittelten Gesellschafts-Schichten die Frauen unermüdlich um das Wohl ihrer Angehörigen. Sie suchten nicht Gleichberechtigung, sondern sorgten sich um das Wohlergehen ihrer Lieben, obwohl auch damals schon der unbezahlte Dienst aus Liebe viel weniger hoch eingeschätzt oder gar gesucht wurde als das gesellschaftliche Glänzen. Aber gerade nur dieser Dienst, den ja Jesus, als ein Beispiel für uns alle, auf sich genommen hat, kann ja eine Grundlage zu einem Friedensreich bilden, sofern er auch mit dem zur Nützlichkeit notwendigen Licht der Weisheit ausgeführt wird. Und gerade bei diesem letzten Punkt hapert es sehr oft in der Praxis, weil viel zu wenig erkannt wird, was der Mensch zu seinem Glück wirklich braucht. Die allzu nachgiebige Verzärtelung der Kinder beispielsweise erzeugt nur herrschsüchtige Diktatoren und die allzu weit getriebene Technisierung erzeugt einerseits nur kopflastige Menschen und überbeanspruchte Nerven, weil diese durch keine Schwerarbeit mehr wieder auf einen für sie notwendig entspannten Ruhepunkt kommen können. Wie offenbart sich schon alleine durch diese Feststellung der Irrsinn heutiger Zeit!!: Alle schwere, aber wenig kopflastige und nervenaufreibende Arbeit, wird uns heute von Maschinen, ja teilweise gar von Automaten abgenommen, sodass wir nur noch unsern trockenen Verstand brauchen und beschäftigen können. Die leibliche Kraft hingegen und vor allem auch das Gefühl bleiben bei einer solchen Lebensweise völlig unterentwickelt. Ist es da verwunderlich, dass viele Menschen durch Jogging oder in so genannten Fitnesscentern einen Ausgleich suchen müssen?! Worin aber kann der Sinn liegen, wenn wir uns einerseits alle körperliche Arbeit ersparen, unsere Nerven und das Gehirn überbelasten, auch unser Gefühl – als einziges Attribut des eigentlichen Lebens – verlieren, um es dann in der Freizeit wieder oft keuchend und schnaufend suchen zu müssen? Und das Gefühl? – Wo bleibt es? – – Ja, ein ganz klein wenig mag es uns beleben, wenn wir nach solchen Ausgleichsanstrengungen spüren, wie gut uns diese Anstrengung getan hat, wie ausgeglichen und entspannt wir da wieder sein können. Nur – – wo bleibt in dieser entspannten Phase unser tieferes, inneres Gefühl oder gar unser Geist (nicht der Verstand!)'? Kein Wunder, dass nach einer derart unproduktiven Anstrengung höchstens leibliche Gefühlsansprüche wach werden; je nach Typ und Umstand entweder Lust auf Unterhaltung oder so genannte sexuelle Erlebnisse. Das Wort "Unterhaltung" enthält ja die beiden Begriffe "unter" und "Haltung". Wenn wir bei unserer Vielbeschäftigung genügend Zeit hätten, einmal auf diese beiden Wörter einzugehen und darüber nachzudenken, so käme noch leicht einmal die Frage auf, was da eigentlich unten gehalten werden muss? Der Geist?? Ja, natürlich! – Denn jedwede Unterhaltung verhindert ja die Beschäftigung mit notwendigen, ja sogar ernsten und lebenswichtigen Themen. Wir alle wissen ja beispielsweise, dass wir einmal sterben müssen, aber weil es uns in jetziger Zeit so gut geht, kümmert uns das Zukünftige nicht mehr. Und für viele ist es nicht einmal sicher, ob es nach dem Tode, der Scheidung der Seele vom Leib, ein Weiterleben gibt; darum wollen sie bei so "geordneten" Verhältnissen nicht darüber grübeln. Und eben darum bleibt es – wenigstens vorderhand – noch bei dieser irrsinnigen Ordnung. Die Ordnung früherer Zeiten hingegen liess mit all ihren Engen und Nöten nicht so viel Raum übrig, sich dem bloss leiblichen Wohle ergeben zu können. Damals suchten – wenn auch zu jener Zeit nur eine Minderheit – die Menschen noch nach einem Sinn des Lebens; und ernste Sucher fanden ihn auch. Von zweien haben wir ja vorgängig vernommen, welche Erfahrungen sie dabei gemacht haben. Sie haben uns ihre Gedanken, Erfahrungen und Gefühle gerne in Versen oder Reimen mitgeteilt. Und mit dieser Feststellung kommen wir auch zu einem gar starken Kinde ein und desselben Vaters von welchem wir bereits zwei kennen gelernt haben. Sein Name ist viel weniger bekannt und in älteren Lexiken nicht einmal zu finden. Aber mir macht es eine spezielle Freude, ihn hier zu nennen: Caroline Rudolphi (24. 8. 1753 bis 15. 4. 1811), also diesmal ein weibliches Wesen. Also wollen wir auch einmal vernehmen, wie eine damalige Frau sich in ihrem Leben orientiert hat, und was sie dabei empfunden und erlebt hat, und – nicht zuletzt – auch, was sie mit ihrem Tun und Schaffen erreicht hat. Sie lebte ebenfalls in Deutschland, verlor aber ihren Vater schon früh, und musste darum nicht nur, sondern wollte auch ihrer Mutter bei ihrer täglichen Arbeit und Mühe beistehen und auch mit der Anfertigung von Handarbeiten den Lebensunterhalt erarbeiten helfen. Einem Bericht der "Norddeutschen Nachrichten" vom 3. 9. 1954 gemäss sei sie "klein, verwachsen und einäugig gewesen und ihre Gesichtszüge herb.", so wird im Internet berichtet. Wir wollen uns hingegen mit ihrem innern Wesen befassen, das nicht vergänglich ist wie der Leib, und aus welchem doch recht viel Kostbares erwachsen ist, wie wir noch sehen werden.

Dass sie, als eine Halbwaise, wenig Zeit und Möglichkeit gehabt hatte, in Schulen zu einer weitergehenden Ausbildung zu kommen, war in damaliger Zeit ja fast mehr als nur selbstverständlich. Aber ebenso ist es dafür auch nur natürlich, dass sich die Menschen in der damaligen Situation auch selber Fragen zu so manchem zu stellen begannen. Und ebenso natürlich – wenn für die meisten Menschen auch weniger bekannt – ist es, dass ernsthaft Fragende immer auf irgendeine Art Antworten von ihrem (himmlischen) Vater erhalten. Viele finden einen geweckten und darum innerlich reichen Menschen, der ihnen aus eigener Erfahrung nicht nur etwas mitteilen kann, sondern sie auch zu jenem Punkt geleiten kann, bei welchem sie dann selber zu fühlen und zu erfahren beginnen, dass und wie gestaltig die göttliche Einsprache in ihr Gemüt zu vernehmen oder zu empfinden ist. Andere jedoch finden auch selber tief in ihrem Herzen immer mehr und immer tiefere Gedanken, von denen sie spüren, dass sie nicht auf dem eigenen Grund und Boden gewachsen sein können. Und es ist nicht verwunderlich, dass ein derart vom göttlichen Geist berührter Mensch eine ganz eigene Sprache oder Ausdrucksweise entwickelt, weil ja eben nur der göttliche Geist sich einem Menschen in der ihm ureigentlichen Art und Weise offenbaren kann. Bei Caroline Rudolphi gestaltete es sich ebenfalls oft in der ausgewählten Form von Gedichten, die dann später vom königlich-preußischen Kapellmeister Johann Friedrich Reichardt entdeckt und teilweise gar vertont wurden und auch in einer ersten Sammlung herausgebracht wurden.

Schön ist es auch, zu sehen, wie so früh in den äusseren Lebensablauf gestossene Menschen auf ihre ganz eigene Weise, aber immer mit göttlicher Hilfe zu erkennen beginnen, was den meisten Menschen, ja fast der ganzen Menschheit fehlt. Nämlich die innerliche Entwicklung, das innerliche Wachstum durch das Auffinden einer grossen Diskrepanz zwischen dem innerlich empfundenen Ideal und der harten, äusseren Wirklichkeit. Dadurch erst kann ein ureigentlicher, starker (Liebe-)Wille resultieren, das Äussere mit dem lebendig gefühlten Innern möglichst nahtlos zu vereinen. Wenn das schon im eigenen Leben nur mit viel Idealismus und Ausdauer und nur nach und nach möglich ist, so wird das umso schwieriger sein, andere auf diesem Weg mitzuziehen. Da erst beginnen sich bei einem solchen (Erziehungs-)Vorsatz auch Fragen zu erheben, wie das – bei der allgemeinen Stumpfheit der Sinne bei den meisten Menschen – möglich gemacht werden kann. – Eben durch die Not!!! Wie jedoch bringt man Menschen in Not, die im Äusseren schon alles nur Erdenkliche zum Gebrauch zur Verfügung haben? Am ehesten durch Fragen über Sinn und Zweck des Lebens, die sich bei Notleidenden ja ohne weiteres von selber ergeben würden. Weil Caroline Rudolphi aber durch ihre jugendliche Situation selber zu solchen Fragen hatte kommen müssen, so war es ja nur natürlich, dass sie diese auch an andere weitergeben konnte. Und wohl gerade deshalb wurde sie zu einer begnadeten Erzieherin, wie wir noch sehen werden. Zunächst wohl in ihrer Familie, dann aber auch bald für Kinder in ihrem näheren Umfeld, sodass sie 1778, also 25-jährig die Erziehung von fünf Töchtern der Familie von Röpert in Trollenhagen. übernehmen konnte. Und das war der Beginn einer damals sicher nicht üblichen Beschäftigung für Frauen. Wie geschickt und umsichtig sie diese Erziehungsarbeit anpackte, wurde schon damals von vielen anerkannt. Denn sie setzte sich für eine freie Entfaltung der natürlichen Kräfte der Kinder ein, die sie eben gerade durch Fragen zu erwecken verstand – also keine blosse Eintrichterung möglichst grosser Mengen an Wissen – wie heute üblich –, was die Übersicht und die Gestaltungskraft des Gemütes der Kinder ja nur einengen und die Entfaltung eigener Ideen und Vorstellungen nur verhindern kann. Das Erwecken eines innern Sinnes oder das Lehren durch Fragen, mit andern Worten: das fragend-entwickelnde Gespräch schreibt man auch Sokrates zu, weshalb Caroline Rudolphi späterhin auch öfters den Beinamen „weiblicher Sokrates“ erhielt.

Vier der fünf Töchter der Familie Röpert, die sie seit 1778 erzogen hatte, begleiteten sie anno 1783 nach Trittau, wo ihr eigentlicher, aus sich selber gestalteter Beruf einer Erzieherin bald zur Wirklichkeit werden sollte. Denn schon im folgenden Jahr zog sie mit ihrem Bruder zusammen nach Hamburg, wo mit der Zeit ihr Pensionat für Mädchenerziehung zu einem weithin bekannten Institut wurde, das zum Treffpunkt vieler, damals bekannter Persönlichkeiten wurde.

Nur der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, dass sie 1803 nach Heidelberg übersiedelte, wo sie ihre Erziehungsarbeit fortsetzte. Sie soll Berichten zufolge die traditionelle weibliche Rolle als Gattin und Mutter nicht in Frage gestellt haben, sei aber für den gleichberechtigten Anspruch von Frauen auf Bildung gewesen. Damit verwirklichte sie, was ja auch heute noch die eigentliche und vornehmste Aufgabe einer Frau und Gemahlin sein sollte, allerwenigstens für die ersten 7 Lebensjahre ihrer Kinder. Wie reich ein solcher Erzieher (oder eben auch eine solche Erzieherin) in sich werden kann, das werden wir gleich aus ihren Gedichten ersehen. Denn mit drei Gedichtbänden, die 1781, 1787 und 1796 erschienen sind, machte sich Caroline Rudolphi einen Namen als Dichterin. Zuerst jedoch sollen zwei Grundsätze ihrer Erziehungsgedanken wiedergegeben werden, die noch heute als Aphorismen bekannt geblieben sind.

Umgib dein Kind, so viel du nur kannst, mit schönen Gegenständen aller Art, dulde nichts Geschmackloses in seiner Nähe.

Wie logisch klingt das! – – – aber wie und mit was werden unsere heutigen Kinder umgeben?

Es ist gut, daß die ersten Blicke gleich auf anmutige Bilder fallen, und der jungen Seele sind nur solche zuführen.

Geduldiges Erwarten geziemt dem Erzieher wie dem Gärtner.

Und zu dieser letzten Feststellung hat Rudolphi, die Erzieherin, auch noch ein gleichnishaftes Bild in Gedichtform verfasst:

Der verdorrte Baum
(Eine Fabel)

Ein Gärtner, der mit strenger Hand
An seinen Bäumen schnitt und band,
Und wenn er wilde Zweige fand,
Sogleich von inner'm Zorn entbrannt,
Den Bäumchen drohete, den Übermut zu zwingen,
In eine Hecke sie zu bringen.

Der Gärtner, als er putzt und hieb,
Fand auch ein Bäumchen schlank und zart,
Von schönem Wuchs, und seltner Art,
Das aller Kenner Urteil nach,
Ihm Frucht und Schatten früh versprach,
Das aber ihm zu hitzig trieb.

Da holt' er Binsen sich, und bald
Band er mit grausamer Gewalt
Den wilden Zögling fest an eine Stange.
Das arme Bäumchen, ach! es stand
Betrübt, und schmachtete so lange,
Bis es verdorrt an seiner Stange

Der weise Gärtner fand:

Muß man, der Wildheit vorzubau'n,
Die Lebensgeister dann ersticken? - -
So sah ich manch Genie erdrücken,
Das (Gott verzeih's dem Pädagogen,
Der es zu einem Nichts erzogen!)
Geschaffen ward, mit Schatten zu erfreun,
Mit Früchten süß und rein,
Den müden Wandrer zu erquicken.

Wie sehr ein Mensch in der damaligen, aber auch in der heutigen Zeit, Mühe haben kann, das Wahre, Bleibende und darum auch das Wirkliche zu finden, ist im weiter unten folgenden Gedicht so schön ausgedrückt. Man spürt darin die Hoffnung, aber auch den Willen, dem Erhofften zu glauben. – In viel späteren Gedichten spüren wir dann aber auch, wie sehr dieses Menschenkind unseres gemeinsamen himmlischen Vaters schon zu seinen Lebzeiten auf dieser an Geist so mageren Welt sich innerlich so sehr zu erheben vermochte, dass es, (oder eben sie) so traulich zu ihrem Schöpfer sagen konnte:

"Deiner (Gottes) Gegenwart Gefühl
sei mein Engel, der mich leite,
dass mein schwacher Fuss nicht gleite,
nicht sich irre von dem Ziel!"

Wer die Fülle dieses Gedichtes aus späteren Jahren beim Lesen empfinden kann, der müsste fast ermuntert sein, doch auch einmal dem Inneren Sein etwas mehr Beachtung zu schenken. Aber nun vernehmen wir zuerst, wie sich der Anfang dazu gestaltet hat:

Der Forscher nach Wahrheit

Wer führt mich in der Finsterniß?
Wie Grab umgibt mich ihre Hülle.
Ich forsch' und forsch' in öder Stille:
Wer macht mir meinen Tritt gewiß?

Hier schimmert's hell, dort flammt ein Licht;
Da windet sich ein Pfad durch Krümmen;
Dort winkt es her, hier tönen Stimmen:
»Komm, Wandrer, komm! verirre nicht!

Hier ist der einzig wahre Weg!«
So winkt's, so schallt's von allen Seiten.
»Wer einen andern wählt, muß gleiten?
Hier ist der einzig rechte Steg!«

O weh dem armen Waller! weh!
Von so viel einzig rechten Stegen,
Von so viel einzig wahren Wegen,
Welch' ist der wahre Einzige?

Wir, Irrtumserben allzumal,
Wir staubverhüllten Himmelskinder,
Sind - Wahrheitssucher wohl; - auch Finder? -
Wir wallen durch ein dunkles Tal.

Doch jedem ward ein inn'res Licht:
wohl dem, der's heilig hält, der's ehret;
Mit neuem Brennstoff täglich nähret,
Des Lämpchen nie des Öls gebricht!

Wohin ihn, der von Herzen sucht,
Dies eigne Lämpchen ruhig leitet,
Da ist der Wahrheit Zelt bereitet,
Da hascht er sie auf ihrer Flucht.

Zu mir selbst

Auch du, auch du wirst wallen
Ins große unbekannte Land.
Auch du, auch du wirst allen,
Die vor dir waren, nachgesandt.

Ja scheiden wirst du, scheiden
Vom lieblichen, geliebten Licht
Und allen seinen Freuden:
Doch traure nicht und bebe nicht.

Zwar sind hier Nachtigallen,
Es blüh'n hier Veilchen und Jasmin,
Und Apfelblüten fallen
Zu deinen Füßen duftend hin.

Es blüh'n dir Mayenglocken,
Es rötet dir die Rose sich;
Es kränzt die goldnen Locken
Der junge Morgen wonniglich.

Des Himmels Bogen strahlet
In siebenfacher Herrlichkeit,
Die Abendwolke malet
Mit goldnem Saum ihr Purpurkleid.

Auch leuchten dir die Sphären,
Auch siehest du im Silberschein
Dein Gärtchen sich verklären;
Es glänzt dir zaubernd Busch und Hain.

Und (doch) hell're Freuden glänzen
Dem reinen stillen innern Sinn,
Und schön're Rosen kränzen
Dir deinen Pfad durchs Leben hin.

Der inn're Richter, lohnend
Versüßt dir Arbeit, Kampf und Schmerz,
Und Freundschaft nimmt dich schonend
Und schirmend an ihr treues Herz.

Was wollt ihr denn, ihr Tränen,
Die von der Wang' herunter tau'n?
Was willst du stilles Sehnen?
Was heißt dich immer aufwärts schau'n?

Uns lehrt das inn're Sehnen,
Es sei jenseits ein andres Land,
Wo nur der Wonne Tränen,
Und wo nicht Harm noch Schmerz gekannt.

Nach diesem Lande wallen
Wir Pilgerleute klein und groß.
Es lacht, es winkt uns allen,
Und ladet uns in seinen Schoß.

Nicht nur in der Küche ihrer Mutter, und später im Gemüt ihrer Zöglingen, – nein, auch in ihrem eigenen Herzen arbeitet diese arbeitwillige Frau, dieses Kind seines himmlischen Vaters! Das erkennen wir auch im folgenden beiden Gedichten, wo sich ihr stetes Suchen oder Fragen wieder deutlich zeigt.

Das menschliche Herz
Rhapsodie

Unerforschtes wundersames Wesen,
Wie, wie werd' ich denn mit dir vertraut?
Wer hat im Verborgnen dich gelesen?
O wer hat dein Innerstes durchschaut?

Sinnend forsch' ich in den dunkeln Tiefen,
Möchte endlich, endlich dich erspäh'n,
Und studiere deine Hieroglyphen,
Kann und kann sie nimmermehr versteh'n. -

Forsche den Gesetzen deines Strebens,
Deines Abscheu's und Begehrens nach,
Sinn' und forsch' und späh' ihm nur vergebens,
Wie den Fluten jenes Stromes nach.

In dem Strome drängen Wellen Wellen;
Wünsch' auf Wünsche drängen sich in dir;
Deine Fluten sinken, steigen, schwellen,
Der Begierde folget die Begier.

Aber wie entspringt der Drang der Wogen?
Welle, sprich, woher dir die Gewalt?
Siehe, Damm und Deich und Brück' und Bogen
Stürzt dahin, dass Hain und Fels erschallt. -

Doch schon legen sich die stolzen Wellen,
Schäumend siehst du ihre Wirbel flieh'n.
Siehest ihren Spiegel sich erhellen,
Schaust des hehren Himmels Abglanz drin.

Unerforschlichstes von allen Dingen,
Herz, o Herz! wann werd' ich dich versteh'n?
Soll ich nie in deine Tiefen dringen?
Deines Wesens Quellen nie erspäh'n?

Unterm Mond ist wohl nichts zarter, reiner,
Milder, edler, grösser nichts als du -
Unterm Mond ist nichts unedler, kleiner,
Ränkevoller, schwächer nichts als du.

Schön bist du in deiner reinsten Milde,
Alles, alles huldigt dir entzückt.
Wer erkennet nicht in deinem Bilde
Deines Urbilds Züge abgedrückt?

Gross bist du in hoher Einfalts-Würde,
Schweigend von der Abart selbst verehrt,
Gross, belastet von der Fürstenbürde,
Schön und gross am armen eignen Herd,

Gross und schön in sonnenheller Freude;
(Alles lacht in deiner Wonne Glanz)
Aber grösser, grösser doch im Leide,
Rührender in deinem Dornenkranz.

O! dein Lächeln - wie's mit Rosenröte
Jedes offne Angesicht verschönt!
Deine Rührung ist wie Laut der Flöte,
Wenn sie leise von der Lippe tönt.

O dein Tau kann tröpfelnd Steine höhlen;
Ja, wer sahe nicht das Wunder schon,
Sah nicht kalte, starre Felsenseelen
Weicher werden als des Töpfers Ton?

Wer, wer lehrt dich den Gebrauch der Schätze,
Die des Himmels Mächte dir vertrau'n?
O wer gibt dem wilden Strom Gesetze?
Wer will Damm und Deich entgegen bau'n?

Daphne an das Herz

Was hab' ich dir getan, mein Herz?
Du schlägst so ängstlich, schlägst so bange,
Antwortest nicht, schweigst mir so lange:
Was hab' ich dir getan, mein Herz? -

Sonst warst du anders, gutes Herz,
Du warst nicht stumm bei meinen Fragen,
Und fehlte dir's; du konntest klagen,
Und übernachtet hat kein Schmerz.

Du warst ein treues offnes Herz;
Ich konnte jedem Schlage trauen;
Bis auf den Grund konnt' ich dir schauen:
Jetzt bist du anders, liebes Herz!

Sonst warst du gar ein friedlich Herz,
Und wußtest fremde Lust zu teilen,
Und wußtest fremden Schmerz zu heilen;
Und ehrtest Ernst, und liebtest Scherz.

Jetzt bist du anders, liebes Herz,
Du schmähst wohl gar die arme Freude,
Und immer ist dir was zu Leide:
Du bist ein wunderliches Herz.

Wer spielte dir doch den Betrug? -
Kein Sternchen ist dir weiter helle,
Kein Bäumchen steht auf rechter Stelle,
Kein Veilchen riecht dir süß genug.

Sag', liebes Herz, o sag' es mir,
Ich bitt', hast du kein Kind gesehen,
Mit süßem Blick, und holdem Flehen,
Gebückt vor deiner kleinen Tür?

Ein Knäbchen lieblich anzuschau'n -
Nichts gleicht dem unschuldsvollen Kinde,
Man hielt es wohl für schwere Sünde,
Ihm nur ein Ränkchen zuzutrau'n.

Hast du den Buben nicht geseh'n?
Sich in ein armes Herz zu nisten,
All seine Freuden zu verwüsten,
Dies soll er meisterlich versteh'n.

Es soll ein böser Bube sein. - -
Mit seinen krausen goldnen Locken,
Mit seinen honigsüßen Brocken,
Ich bitte dich, laße ihn nicht ein.

Doch ach! Erschlich er schon sein Haus,
Wußt' er dich schmeichelnd zu betören?
So muß ich, muß ich dich beschwören,
Bei allen Freuden, laß ihn raus!

Dieser stete innere Kampf, dieses Verstehen und Begreifen-Wollen gehörte zu ihrem Weg dahin, wo andere durch ihr inneres Feuer hingetrieben wurden, wie beispielsweise Novalis. Wohl musste auch dieser beim Verlust seiner Verlobten unsäglich leiden, aber das einmal angefachte Feuer überlagerte sich geschwinde auf die Person Jesu und erfüllte sein Herz. – Eichendorff hatte es in dieser Beziehung leichter. Seine adlige Abstammung distanzierte ihn ein wenig vom irdischen Lebenskampf, aber er war trotzdem redlichen Gemütes, bekleidete eine amtliche Stellung, weil er nicht bloss geniessen wollte, sondern sich auch im alltäglichen Leben ebenso nützlich machen wollte wie mit seinen Worten. Wie schön und erfüllend ist es daher, die Reife ihrer späteren Jahre in ihren Gedichten miterleben zu dürfen, denn da erst ist sie das wahre, weil auch fürs Jenseits bleibende Kind ihres so sehnsüchtig gesuchten, himmlischen Vaters. Sie sagt es ihm gleich selber mit vor Liebe überquellendem Herzen und folgenden Worten:

An Gott

1. Alles Leben strömt aus Dir
Und durchwallt in tausend Bächen,
Alle Welten; alle sprechen:
Deiner Hände Werk sind wir!

2.
Ach! Es floss herab auf mich
Auch ein Tropfen Deiner Quelle –
Und mir ward die Schöpfung helle
und ich lebt' und fühlte dich.

3.
Dass ich fühle, dass ich bin,
Dass ich dich, Du Grosser, kenne,
Dass ich froh dich Vater nenne –
O, ich sinke vor Dir hin.

4.
Dass Du bist, dass immerdar
Deine Kraft mich hält und träget,
Ohne dich kein West sich reget,
Unserm Haupt entfällt kein Haar; –

5.
Welch ein Trost! – Und unbegrenzt
Und unnennbar ist die Wonne,
Dass gleich Deiner milden Sonne
Mich Dein Vateraug' umglänzt.

6.
Welch ein Wort, dass auf den Grund
Uns Dein Forscherblick durchdringet,
Dir sich kein Gedank' entschwinget,
Und kein Laut aus unserm Mund.

7.
Ach wenn dann mein ganzes Sein,
All mein Tun und all mein Wesen
Ewig Dir entdeckt gewesen,
Ewig Dir enthüllt wird sein:

8.
O so gib, dass rein und wahr,
Frei von Künstelei und Ränken,
All mein Tun und all mein Denken
Vor Dir bleibe immerdar.

9.
Deiner Gegenwart Gefühl
Sei mein Engel, der mich leite,
Dass mein schwacher Fuss nicht gleite,
Nicht sich irre von dem Ziel!

Als kleine Anmerkung dazu: Die Verse 1, 3, 5 und 9 haben die Einwohner des Schweizerkantons Appenzell Innerrhoden zum Eröffnungslied ihrer Landsgemeinde erwählt, das Johann Heinrich Tobler vertont hat. (Die Versammlung in einer Landsgemeinde ist die direkteste Form einer Demokratie, wo noch alle stimmberechtigten Bürger auf offenem Feld darüber beraten und abstimmen können, wie sie ihr künftiges Recht und Zusammenleben gestalten wollen. Wie schön, dass sich diese Menschen solche Gedanken als Einführung in ihre Amtsgeschäfte durch dieses Lied in Erinnerung rufen wollen.

Nun aber wieder zu Caroline Rudolphi:

So sieht es in einem Menschen aus, der um seine Herkunft weiss!!

Aber auch schon in der bloss äusseren Natur verstand sie es, in ihren Bildern den Weg zu erkennen, den wir Menschen zu gehen haben, wenn wir einmal voll erfüllt werden möchten. Denn dort in der Natur war sie ja nicht derart direkt angesprochen wie in ihrem immerhin arbeitsvollen Kampf ums Erkennen und Finden des wahren Lebens in Gott. Das können wir nachfühlend erkennen, wenn wir sie mit kindlichen Worten mit einem Bächlein reden hören:

An das Bächlein

Du Bächlein, silberhell und klar,
Du eilst vorüber immerdar,
Am Ufer steh' ich, sinn' und sinn',
Wo kommst du her? Wo gehst du hin?

Ich komm' aus dunkler Felsen Schoß,
Mein Lauf geht über Blum' und Moos;
Auf meinem Spiegel schwebt so mild
Des blauen Himmels freundlich Bild.

Drum hab' ich frohen Kindersinn;
Es treibt mich fort, weiß nicht wohin.
Der mich gerufen aus dem Stein,
Der, denk ich, wird mein Führer sein.

Lange Zeit hat man dies kindlich reine und schöne Liedchen Goethe zugeschrieben – und meine Achtung vor ihm beruhte lange Zeit darauf, wie so kindlich einfach dieser "grosse" Mann nebst all seinen Leidenschaften noch sein konnte. Heutzutage hat man allerdings erkannt, dass es nicht von ihm stammt, und man schreibt es Caroline Rudolphi zu. Natürlich kann ich nicht dafür garantieren, dass diese Zuweisung stimmt. Aber sicher bin ich, dass sie es fähig gewesen wäre, es zu schreiben. Es mag dem Leser überlassen sein, wie er selber das sehen will:

Ist es nicht schön, zu sehen, wie reichhaltig und verschieden der Schöpfer seine Gaben verteilt hat und wie ein und dieselbe Sparte von so vielen seiner Kinder so verschiedenartig angegangen und begriffen wurde; aber auch auf wie vielen verschiedenen Wegen es möglich ist, wieder zurück ins Vaterhaus zu gelangen. Gewiss, ich weiss, dass heute nur die wenigsten ihre eigene, persönliche Situation in diesem Lichte sehen können und auch nicht sehen wollen. Denen, die es aber wollen und nur noch nicht so sehen können, möchte ich sagen, dass es noch gar viele solche kindlich rein fühlende Menschen gegeben hat und sicher auch heutzutage noch gibt, dass man sie jedoch nur darum nicht so kennt, weil sie zumeist eher zurückgezogen leben und darum oftmals erst am Ende ihres Lebens oder sogar erst nach ihrem Tode bekannt werden. Ein zweiter Grund, dass man sich nicht so viel über das göttliche Einwirken ins menschliche Leben kümmert, liegt darin, dass Gott von den meisten Menschen noch immer als Richter empfunden wird. Und daran schulden fast alle christlichen Kirchen. Natürlich muss ein ordentlicher Haushalter anderseits eine Ordnung so einrichten, dass ein Durchkommen ans beseligende Ziel für möglichst alle erreichbar bleibt, aber er muss gerade eben aus diesem Grunde dem Einzelnen, möglicherweise etwas Verirrten, je nach seiner innern Veranlagung, auch Möglichkeiten geben, wieder auf ein fruchtbares Feld zurück zu gelangen. Und das ist in hartnäckigen Fällen oft nur mit mehr oder weniger hartnäckigen Leiden möglich, damit die restliche Lebenszeit auch wirklich noch zum dadurch möglichen Nachdenken, Forschen und Erkennen genutzt werden kann und möglichst auch genutzt wird. Darin liegt jedoch keine Strafe, sondern nur die Chance oder Möglichkeit, dennoch zum vorgegebenen Ziele der Seeligkeit zu gelangen.

Auch dafür gibt es viele Beispiele, die in diversen Büchern zu finden sind. Am Schluss dieses Schriftchens finden sich Hinweise zu solchen Büchern.

Damit man jedoch nicht auf den Gedanken kommen möge, dass nur Schriftsteller zu jenen Menschen gehören, die den Sinn des Lebens begriffen haben, soll noch ein Beispiel eines Handwerkers und Forschers kurz beschrieben sein, der seinem anfänglichen, äusseren Lebenslauf nach ebenfalls allen Grund gehabt hätte, mit seinem Schicksal nicht zufrieden zu sein. Denn es war ein schwarzer Sklavenjunge im Amerika des vorletzten Jahrhunderts. Aber selbst in dieser Situation ist es einem Menschenkind möglich, seinen himmlischen Vater nicht nur zu erkennen, sondern sogar mit ihm zusammen segensreich für eine ganze Nation zu wirken, wie wir das nachfolgend an diesem angeführten Beispiel noch ersehen werden, wie das jedoch von Menschen, die nur von heute bis morgen denken, nicht für möglich gehalten wird. Und es ist ganz typisch für unsere heutige, bloss mit lauter Wissen (anstatt eigener Erfahrung) voll gestopften Zeit, dass man über die Möglichkeiten des eigentlichen, weil über das Grab hinaus dauernden Lebens nicht nur so wenig weiss, sondern eben auch so wenig wissen will, weil unsere irdische Lebenszeit – wenn auch wahrscheinlich nur noch eine kurze Weile – zu einfach und zu leicht zu überdauern ist.

Aber nun zur Person dieses so denkwürdigen schwarzen Mannes Georg Washington Carver, der im Januar des Jahres 1864 in Missouri USA zur Welt kam und schon als Kleinkind mit seiner Mutter zusammen von einer Räuberbande überfallen und entführt worden ist, mit der Absicht, beide als Sklaven weiter zu verkaufen. Der "Besitzer", der die beiden jedoch nicht als Sklaven, sondern als freie Mitbewohner in seinem Hause leben liess, überliess einem seiner Bekannten das beste seiner Pferde, um dieser Bande nachzujagen, und seine beiden schwarzen Mitbewohner möglicherweise noch auffinden, retten und zurückbringen zu können. Die Mutter fand er nicht mehr, aber den Jungen liess die Bande in einem ferneren Dorf zurück. Diesen brachte er bei Sturm und Wetter völlig durchnässt wieder zurück, sodass es Monate brauchte, bis das Kleinkind wieder "über dem Berg" war, wie man gemeinhin so sagt. Das war das erste Erlebnis.

Er wuchs zu einem aufmerksamen, lernbegierigen und äusserst hilfsbereiten Jungen heran, wollte immer in eine Schule gehen, fand jedoch lange keine Gelegenheit, denn für Schwarze gab es damals praktisch noch keine Schulen. Aber auch im Haushalt gab es vieles zu lernen, sodass er bald überall mit anpacken konnte. Es würde zu weit führen, alle seine vielen Erlebnisse hier aufzuführen, aber über seine Erlebnisse oder Erfahrungen mit seinem himmlischen Vater wäre der Anschaulichkeit halber schon noch etwas ausführlicher zu berichten. Als er in späterer Zeit, schon als bekannter Mann, von Besuchern einmal gefragt wurde, ob er sich tatsächlich das Klavierspielen selber beigebracht habe und ob es zutreffe, dass er sich mit dem Klavierspielen sein Studium verdient habe, antwortete er (und hier folgt ein Zitat aus dem Büchlein "Der Mann, der mit den Blumen spricht" von Clenn Clark, erschienen im Turm-Verlag):

"Ja, denn es gibt wirklich nichts, das ich nicht gerne gemacht hätte, um meine Ziele verwirklichen zu können, und wo-zu mir der Schöpfer nicht die Fähigkeit verliehen hätte, wenn ich ihn darum bat. Es ist wirklich sehr einfach, wenn man mit dem Schöpfer zu reden versteht. Es kommt nur darauf an, den Herrn ernstlich zu suchen, und man findet ihn. Sie erinnern sich, was er in dem Bibelspruch sagt: 'Die mich frühe suchen, finden mich'. Sehen Sie, ich folge seiner Anwei-sung und finde ihn." – Und im weitern Verlauf dieses Gespräches wurde er gefragt, ob er sich entsinnen könne, wann ihm zum ersten Mal sein Gebet erhört worden sei. Und er antwortete (Zitat): "Als ich ein Knabe von fünf oder sechs Jahren war. Es war nämlich mein sehnlichster Wunsch, ein Taschenmesser zu besitzen. Ich war sehr lernbegierig und hatte grosses technisches Interesse; ich war geradezu für Technik begabt. Können Sie sich so etwas vorstellen, ein Knabe und kein Taschenmesser? Eines Nachts betete ich zu Gott, meinem Vater, er möchte mir doch ein Taschenmesser schenken. Dieselbe Nacht hatte ich folgenden Traum: Mir träumte, dass draussen im Feld, wo die Mais- und Tabakreihen zusammentreffen, eine in zwei Hälften geteilte Melone lag. Die eine Hälfte war ausgehöhlt, die andere war schwer und voll und lehnte gegen drei Maispflanzen. Wer beschreibt mein Erstaunen, als ich aus der Melone den schwarzen Griff eines Taschenmessers herausschauen sah? Am nächsten Morgen konnte ich kaum erwarten, dass das Frühstück vorüber war, um mich ins Maisfeld zu schleichen, wo ich alles so fand, wie ich es im Traume gesehen hatte. In der Melone steckte tatsächlich mein Taschenmesser. Sein schwarzer Griff schaute daraus hervor."

Wenn dieser Bericht auch gleichsam fantastisch anmuten mag, so muss man doch berücksichtigen, dass dieser einfache und ursprünglich mittellose schwarze Mann im Laufe seines Lebens die Südstaaten der USA vor dem Ruin rettete, indem er mit viel Überzeugungsarbeit die dortigen Pflanzer dazu bringen konnte, die vom Baumwollkapselkäfer stark ruinierte, völlig einseitige Baumwollpflanzenkultur durch andere Pflanzen in eine weniger anfällige Mischkultur zu überführen. Dafür benutzte er vor allem die Erdnusspflanze und die Süsskartoffel. Um den Absatz für die neu eingeführten Erdnüsse zu fördern, schuf er 300 (!!) Verwendungsmöglichkeiten, die man vorher nicht gekannt hatte und 118 Verwendungsmöglichkeiten für die Süsskartoffel. Er war es auch, der einer der Gewinne aus der Erdnusskultur darin entdeckte, dass diese Pflanzen Stickstoff im Boden speichern, was den durch die frühere Monokultur ermüdeten Boden wieder fruchtbarer werden liess. Und doch wissen wir "Weissen" heute kaum mehr etwas von all diesen vielen Leistungen, die er anno 1920 vor dem Senatsausschuss in Washington zwecks Beratung eines Steuergesetzesentwurfes vorbrachte, bei dessen Annahme die Farmer der Südstaaten ausgeschlossen worden wären. Man gab ihm – wie allen andern Rednern auch – nur 10 Minuten Redezeit, nach welcher er jedoch stürmisch bedrängt wurde, weiter zu sprechen, und man hörte ihm sehr interessiert eine Stunde und 45 Minuten lang zu. Derart interessant waren seine Ausführungen. Das alles findet man im Protokoll des damaligen Ausschusses noch heute.

Vernehmen wir aber noch, wie ein damals so bekannter Mann zu einem solchen innern Reichtum kommen konnte, dann erst können wir erahnen, was alles möglich wäre, wenn wir uns unseres Schöpfers und Vaters nur mehr bewusst werden wollten. Er selber erzählt es folgendermassen (wieder ein Zitat aus dem Büchlein "Der Mann, der mit den Blumen spricht" 4)

"Vor Jahren ging ich in mein Laboratorium und sagte: 'Lieber Herr Schöpfer, bitte sage mir, wozu das Universum geschaffen wurde!' Der grosse Schöpfer antwortete: 'Du willst zuviel wissen für deinen kleinen Verstand. Frage etwas, das mehr zu deiner Grösse passt!' Dann fragte ich: 'Lieber Herr Schöpfer, sage mir, wozu der Mensch geschaffen wurde!' Wieder antwortete der Schöpfer: 'Kleiner Mann, du fragst noch immer zuviel. Fasse dich kürzer und drücke dich klarer aus!' Daraufhin fragte ich wieder: 'Bitte, Herr Schöpfer, warum hast du die Erdnuss gemacht?' – 'Das ist schon besser', antwortete der Schöpfer, 'aber immer noch nicht bestimmt genug. Was willst du eigentlich über die Erdnuss wissen?' – 'Mein Schöpfer, kann ich Milch bereiten aus der Erdnuss?' – 'Was für Milch willst du haben, gute Jersey-Milch oder gewöhnliche Haushaltmilch?' – 'Gute Jersey-Milch!' Daraufhin lehrte mich der Schöpfer, die Erdnuss zu zerlegen und wieder zusammenzusetzen. Durch diesen Prozess entstanden alle Erzeugnisse aus der Erdnuss.' " (soweit das Zitat)

Es war der grosse Dr. George Washington Carver, der das einmal in einem seiner Vorträge erzählte und der damals die grosse, land-wirtschaftliche Misere in den Südstaaten der USA dadurch löste, dass er als erster den Grund der Bodenermüdung erkannte, der die alljährliche Baumwollernte stetig magerer werden liess. Er empfahl den Farmern die Erdnuss als Folgefrucht der Baumwolle, und danach die Süsskartoffel, und brachte so den Süden der Staaten von neuem zum Blühen. Um die grosse Menge Erdnüsse der alljährlichen Ernten auch wirklich verwenden zu können, entwickelte er in seinem Laboratorium – seinen eigenen Angaben nach nur mit Hinweisen seines Schöpfers – nicht weniger als 300 (!) verschiedene Produkte, zu welchen die Erdnuss die Grundlage bildete, und noch einmal 150 verschiedene Produkte aus dem Rohstoff der Süsskartoffel – noch einmal: alles in Zwiesprache mit seinem Schöpfer.

In welchem jung gebliebene Leser entsteht da nicht der Wunsch, ein ebenso inniges Verhältnis mit seinem Schöpfer – oder eigentlichen Vater – haben zu können?!

Aber es ist dennoch nicht derart unmöglich, wie es einem manchen noch vorkommen mag. Nur eine einzige Bedingung ist dazu notwendig: dass wir Gott mehr lieben als alles andere auf der Erde. Und in dieser Hinsicht haben es alle Menschen relativ leicht, die so elendiglich leben müssen, wie seinerzeit die Negersklaven. Sie brauchen weder Ski- noch Badeferien, noch irgendwelche Abwechslungen und Vergnügen. Ihnen wäre genau ein so vertrautes Verhältnis mit einem solch starken Vater das einzig Erwünschenswerte. Der Hunger oder Durst nach Abwechslung befällt ja nur jene Menschen, die keine volle Erfüllung im täglichen Leben finden. Die wahrhaft Niedergedrückten, sei es vom Staat, der Gesellschaft oder von leiblichen Krankheiten, suchen doch immer noch am ehesten einen Sinn im Leben. Und nur wenn sie keinen finden, dann denken sie möglicherweise an einen Selbstmord. Sobald es ihnen jedoch wieder etwas besser geht, so verlangen sie eher wieder Abwechslung und Zerstreuung. Darin liegt der wahre Grund, weshalb so wenig Menschen Kontakt mit ihrem himmlischen Vater suchen oder gar wünschen. Es sind im Prinzip vor allem zuerst die Begehren des Leibes, die den Menschen zur Unordnung verleiten – nebst dem Hochmut und der Einbildung! Nur diese beinahe kindliche Einfachheit und Willigkeit kann uns Menschen ermöglichen, einen so engen Kontakt zum himmlischen Vater zu haben. Sobald sich ein gewisses Selbstbewusstsein zu bilden beginnt, geht die Möglichkeit einer solchen Vertrautheit mit ihm verloren. Muss ja verloren gehen, wenn der schwache und unvollkommene Mensch sich selber als etwas Eigenes zu betrachten beginnt! Denn sein Wert kann nur im Dienen liegen, weil nur ein Diener die Möglichkeit hat, andere zu beglücken. Alle, die vorerst sich selber beglücken möchten, stehen den andern nur im Wege. Weil aber die meisten Menschen alles andere als dienstfertig sind, sondern eher anspruchsvoll, so wäre es doch am einfachsten, dem Schöpfer zu dienen, weil auch er nur unser aller Seligkeit – aber in selbst gewählter Form und allen dienend – anstrebt. Er will sie uns nicht aufnötigen, er will uns Menschen nur verständlich machen oder zeigen, dass einzig darin eine wahre und bleibende Seligkeit liegen kann, allen dienen zu wollen, weil nur so eine Einheit aller Geschöpfe erreicht werden kann. Genau das, und nichts anderes wollte er im Vorbild Jesu uns Menschen beispielhaft zeigen. Wie vollkommen es Jesus tat, das kennen wir aus den Aufzeichnungen seiner Taten in der Bibel. Und das können eben auch nur Menschen erfahren, die willens sind, nur das Gute und allen dienende zu tun. Wie so erfüllend ein derart vertrautes Verhältnis zum grossen, all-mächtigen Vater sein kann, das erlebte nicht nur ein Georg Washington Carver, das könnten auch wir alle erreichen, wenn wir diese Seligkeit der Erfüllung nur auch selber erkennen und darum anzustreben beginnen würden. Wohl braucht es einen starken Willen und auch eine gewisse Zeit der Übung, weshalb es die meisten nicht anstreben wollen. Aber es ist eben am Ende dennoch keiner wahrhaft und innerlich glücklich, der zuerst das Seine sucht und dabei vergisst, dass auch er selber ohne die Arbeit und den Dienst der andern niemals glücklich werden kann.

Natürlich lässt sich bei all diesen schönen, ja teils auch wunderbaren Erfahrungen Einzelner, fragen, ob denn Gott, der Schöpfer alle andern Menschen einfach sich selber überlasse. Obgleich doch schon in der Bibel immer wieder darauf hingewiesen wird, wie ein jeder zu einem Kontakt zu Gott finden kann: nämlich nur durch eine über-mächtige Liebe zum Schöpfer und einer zumindest ebenso grossen Liebe zum Nächsten wie zu sich selbst. Und doch richtete und richtet Gott seit Moses und dann auch nach der Kreuzigung Jesu auch immer wieder durch so genannte Propheten einen ganz generellen Ruf an alle Menschen. Dass diese Rufe aber nicht gehört wurden und auch jetzt nie gehört werden, findet seinen Grund zum einen in der Tatsache, dass Gott auch nur äusserst selten und nur von Einzelnen derart gesucht wird, und anderseits in der Verstocktheit der Kirchenführer fast aller Religionen, die bloss immer sich selber als die Führer und Berater der Menschheit betrachten, und darum alles versuchen, Menschen, welche direkt von Gottes Einsprache geführt und belehrt werden, von der Allgemeinheit zu isolieren oder sie gar zu diskreditieren.
Aber darum unterlässt es ein treuer Vater dennoch nicht, seine Kinder immer wieder mahnend anzusprechen. Den einen oder andern durch auffallende Erlebnisse und Erfahrungen – die Menschheit mehr im Allgemeinen aber immer auch wieder durch Propheten. Nur – – und da liegt das Problem – wer gibt dieser Allgemeinheit dann auch die Gewähr, dass ein solcher Prophet wirklich nur Gottes Wort wiedergibt, und nicht etwa auch noch Eigenes dazu mischt. Und damit kommen wir auf das alte Problem, das schon in der Bibel mehrfach beschrieben ist.
Die Priester sind es nämlich nicht, die auf neue Worte warten. Wir müssen es selber Entscheiden

Vor allem sie waren es ja schon damals, die Jesus verdächtigten, verfolgten und am Ende ans Kreuz schlagen liessen – wenn auch durch den erzwungenen Richtspruch des Pontius Pilatus. Denn ihnen allen droht ein Einkommensverlust durch eine direkte Einsprache Gottes. Aus dieser eigensüchtigen Haltung heraus resultiert auch der Machtanspruch einer jeden Priesterschaft praktisch aller Religionen. Aber darum hat es der himmlische Vater aller Menschen zu keiner Zeit unterlassen, durch von ihm selber erwählte Propheten stets wieder aufs Neue den Menschen begreiflich zu machen, weshalb nur seine Ordnung zur Seligkeit aller führen kann. Aber dabei erhebt sich doch für alle Menschen auch die wichtige Frage, wie sie denn bei einem neu erstandenen Propheten prüfen können, ob es sich tatsächlich um Gottes Worte handelt, oder dann doch nur um Menschenworte.

Denn es ist ja zum Beispiel auch merkwürdig und eigenartig, dass alle direkten Worte Gottes durch von ihm selber erwählten Propheten seit etwa 2000 Jahren aufgehört haben sollen? So betrachtet könnte man sogar zur Frage kommen, ob denn alle diese frommen Geschichten über prophetenhafte Einsprachen Gottes bloss erfunden worden sind, und darum in so weite zeitliche Ferne datiert wurden, dass man sie nicht mehr überprüfen kann? Oder haben seither die neuen, so genannten christlichen Priester ebenso gehandelt, wie seinerzeit die jüdischen Priester an fast allen ihren Propheten und zuletzt gar an Christus gehandelt hatten? Dass sie sie nämlich verfolgten und am Ende gar töteten, um sie nachher, aber mit eigener Auslegung wieder rehabilitieren zu können? Aber anderseits fragt sich auch, gesetzt den Fall, dass ein Mensch aufsteht und behauptet, dass er von Gott den Auftrag habe, den Menschen dieses und jenes mitzuteilen – wie können wir Menschen dann erfahren, ob das nur darum geschieht, damit ein solcher dann unter den Menschen gross und herrschend sein kann, oder ob es tatsächlich Gottes Wort sei, das er uns verkündigen will? – Eine erste Prüfung können wir anhand der Weisungen der Bibel vornehmen, wenn wir dort lesen: "Umsonst habt ihr es empfangen, umsonst gebt es auch." (Matth. 10, 8) Folglich dürfte er für all seine Arbeit und Mühe niemals einen Entgelt verlangen. Ein zweites Wort aus der Bibel lehrt uns, dass alle Zeremonien und bloss äussere Gebräuche wertlos seien. Denn Jesus sagt dem Weib am Jakobsbrunnen: "Aber es kommt die Zeit, und ist schon jetzt, dass die wahrhaftigen Anbeter den Vater im Geist und in der Wahrheit anbeten, denn der Vater will es so haben." (Joh.4, 23). Aus diesen Stellen geht hervor, dass ein rechter Prophet erstens keinen Verdienst haben kann oder haben soll, dass er zweitens keine Formen und Gebräuche verlangen oder gar einführen soll. Und diese Vorgaben genügen vollkommen, dass wahrhaftige Propheten zum Beispiel nie so genannte Religionsstifter sein können. Besonders wenn wir dazu noch bedenken, dass Jesus schon seinerzeit in seiner Strafpredigt wider die Pharisäer und Schriftgelehrten sagte: "Ihr sollt euch nicht Rabbi nennen lassen, denn einer ist euer Meister, Christus; ihr aber seid alle Brüder." (Matth. 23, 8).

Das sind schon wichtige Merkmale, um falsche Propheten erkennen zu können. Ein anderes liegt darin, dass Gott niemals einem Menschen etwas aufdrängt! Denn nur die Liebe allein soll und kann das wahre Leben in den Worten spüren und empfinden. Aus diesem Grunde verlangt Gott seit Jesu Erscheinen nie etwas; er rät uns bloss, gewisse Dinge zu tun oder zu unterlassen. Dann hat Gott aber auch die Möglichkeit, den Menschen dadurch klar zu zeigen, dass er, als der Weisere es ist, der einem Propheten die Worte gibt, indem er ihm Dinge oder Verhältnisse sagt und zeigt, die unserem menschlichen Verstand oder Wissen voraus sind. Wie er beispielsweise eben Georg Washington Carver Dinge sagte oder zeigte, die bis dahin noch niemand wissen konnte. Carver hatte es einfach, denn er tat, was ihm gezeigt wurde, und fand durch das Resultat die Bestätigung, dass das von ihm Vernommene richtig Gottes Wort war. Und in dieser Art zeigte Gott im Jahre 1840 beispielsweise auch einem schlichten Manne, vieles, was nicht nur dieser, sondern auch alle andern, auch die Wissenschafter, noch gar nicht wissen konnten. Dieser schrieb das ihm fast täglich Mitgeteilte 24 Jahre lang sorgfältig auf, ohne dass er es ausser seinen allernächsten Bekannten jemandem gezeigt hätte, und schrieb auf diese Weise 25 Bände zu je etwa 400 bis 450 Seiten, in denen er zum Beispiel über die Zeit von Adam bis zur Sintflut hin die ganze Geschichte aufzeigte, dann über das Wirken Jesu einen vollständigen Bericht inklusive seiner Jugend in 11 Bänden sehr detailreich berichtet, dann über die Verhältnisse des Jenseits auch 4 Bände 5), auch über die Beschaffenheit unserer Sonne und die Gestaltung des Universums. Und alles das, ohne dass dies zu seiner Zeit weiter veröffentlicht wurde. Er hatte keinen Gewinn und starb 1864 in ärmlichen Verhältnissen. Da fragt es sich schon, wieso er das gemacht hatte. War das wirklich Gottes Auftrag? Aber noch mehr fragt es sich heutzutage, ob inzwischen auch die Wissenschaft seine damaligen Angaben bestätigen konnte, sodass wir zumindest schon daraus auf einen höheren Geist schliessen können, der sich ihm offenbart hat. Und das konnte die Wissenschaft – natürlich ohne zu wissen, dass das von ihr neu Entdeckte eben durch diesen Mann schon längst bekannt gemacht worden war. So beschreibt er nicht nur die Gestalt der Erde völlig richtig, wenn er beschreibt, dass diese um ihren südlichen Pol eine massive Auswölbung aufweise, was die Wissenschaft erst durch die Satellitenflüge über die Pole erkennen konnte. Aber er beschrieb auch die Lebenszeit eines kurzlebigen atomaren Teilchens mit dem trillionsten Teil einer Sekunde, welches der japanische Forscher Hedeki Yukawa aufgefunden hat und dafür 1952 den Nobelpreis erhielt (das Meson).
Auch den bis zu seinen Aufzeichnungen noch nicht entdeckten Planeten Neptun beschrieb er mit Angaben über seine Grösse und Laufbahn. Anderseits erwähnte er auch einen riesig grossen trichterförmigen oder kraterartigen Einzug des Meeresgrundes unter dem Nordpol, welchen amerikanische atombetriebene Unterseeboote im Jahre 1960 bei ihrer Unterquerung des Nordpols entdeckt hatten. Es sind jedoch noch unzählige weitere Erkenntnisse vermittelt worden, die seither von der Wissenschaft bestätigt werden konnten. Diese hier aufgeführten sollen nur beispielshalber erwähnt sein, weil sie doch ein allzu krasser Unterschied zum damaligen Wissensstand darstellen.
Obwohl seine Bücher bald nach seinem Tode, im Jahre 1864, gedruckt wurden, wurde trotz alledem in der Öffentlichkeit wenig davon bekannt. Aber wie erwähnt, die Kirchenbediensteten aller Zeiten und aller Schattierungen wollen solche, ihren Verdienst verlieren machende jeweils neuen Worte irgendeines neu erstandenen Propheten natürlich nicht verbreiten. Auch das kann schon in der Bibel nachgelesen werden, wenn dort steht, was Jesus selber zu diesem Thema sagt, wenn er spricht: "Weh euch, Schriftgelehrten und Pharisäer, ihr Heuchler, die ihr gleich seid wie die übertünchten Gräber, welche auswendig hübsch scheinen, aber inwendig sind sie voller Totengebeine und allen Unflats. Genauso auch ihr: von aussen scheint ihr vor den Menschen fromm, aber inwendig seid ihr voller Heuchelei und Untugend." (Matth. 23, 27 & 28)

Aber genug davon, es soll damit nur in umfassender Weise gezeigt werden, wie vieles der sich noch immer gleich bleibende Schöpfer und Vater aller Menschen sowohl im einzelnen Menschen wie auch für die Gesamtheit der Menschen vornimmt, ohne den Einzelnen zu irgend etwas zu zwingen. Nie hat er Strafe für die Gleichgültigkeit der Menschen angedroht, immer hat er sie nur eingeladen sich ihm – zu ihrem eigenen Heil – zu nähern, und das schon in der Bibel, wenn er das Himmelreich einem König verglich, der seinem Sohn ein Hochzeitsmahl richtete und die Gäste dazu einladen liess, die jedoch alle wegen vorgeschützter Arbeit nicht kommen wollten, sodass dann der König nach einer zweimaligen vergeblichen Einladung einfach alle Menschen auf der Strasse und den Feldern einlud, die auch gerne kamen und am Fest teilnahmen. Nur einen einzigen Gast hat er dabei hinauswerfen lassen, einen, der kein hochzeitliches Gewand anhatte, das bedeutet einer, der nur zu seinem eigenen Vorteil gekommen war, so wie eben die meisten Priester nur zum eigenen Vorteil die Menschen oder ihre Gläubigen beraten.
Zu allen, die es hören wollen, sagte Jesus anderseits aber: "Wer meine Gebote hat und hält sie, der ist es, der mich liebt. Wer mich aber liebt, der wird von meinem Vater geliebt werden, und ich werde ihn lieben und mich ihm offenbaren." (Joh. 14, 21)
Oder "Gott ist Liebe, und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm." (1. Joh. 4, 16)
Der wahrhaft erhebende Reichtum, welcher einem Menschen durch ein vertrautes und nahes Verhältnis zu Gott, seinem wahren Vater, erwachsen wird, kann einerseits sogar der Verstand erfassen, wenn er an die wirtschaftlichen Vorteile der Erkenntnisse Carvers denkt, aber noch viel tiefer erfasst der Geist und das Gemüt des Menschen diesen Reichtum für sein Herz, wenn von Dichtern über ihre Gefühle, inneren Erlebnissen und Gedanken berichtet wird.

Ganz einerlei, wie und wo der Mensch seinen Schöpfer oder seinen himmlischen Vater zu treffen versucht: es muss stets eine grosse innige Liebe oder gar Sehnsucht sein, mit der er ihn sucht. Denn nur sie allein ist fähig, den richtigen zu finden. Wie das im Einzelnen geschieht oder geschehen kann, das soll ja eben der Inhalt dieser Schrift durch anschauliche Beispiele vermitteln.
Dazu wünsche ich allen, die es lesen, einen guten Appetit und eine möglichst nachhaltige Stärkung.

Weil ein die Verdauung anregendes Mittel in aller Regel stets einen Bitterstoff enthält, so soll hier noch ein wahres Meisterwerk folgen, welches vor etwa 150 Jahren aufs Papier gebracht wurde und welches diesen Bitterstoff in Gedichtform so deutlich beschreibt, dass ihn eigentlich alle schätzen müssten, die unter einer trägen Verdauung leiden. Unter einer trägen Verdauung ist hier natürlich nur die innere, seelische Verdauung äusserer, bitterer Vorkommnisse und Gegebenheiten zu verstehen. Durch ein rechtes Verständnis lässt sich nicht nur alles bitter Erfahrene besser verdauen, sondern das Verdaute kann uns sogar stärken und ermuntern, zukünftig alles in einem andern, besseren Licht sehen zu können und auch sehen zu wollen, weil uns nur alles richtig Verstandene oder Verdaute stärken und ermuntern kann, die uns von der Welt gereichte, oft bittere Nahrung im richtigen Sinne zu verwenden und uns anderseits auch davor hüten kann, die oft so süss schmeckenden Gaben dieser Welt – wie zum Beispiel Komplimente oder materiellen Reichtum – in grossen Gaben genussreich zu verschlucken, das heisst überzubewerten und damit die innere, seelische Kraft zu schwächen, die alleine unseren Geist wecken und stärken kann.

Aber nun zum Rezept:

Die innere Welt

So recht tief im Menschenherzen
eine Stätte ohne Schmerzen
ist von heil'gem Licht erhellt.
Dort ruht still die inn're Welt.

Leise schweben ohne Klage
dort die Schatten herber Tage,
werden endlich sonnenhell
an des Lebens heil'gem Quell.

Hier erweiset wahres Gute
dir die flüchtige Minute,
ja sie trägt, vom Trug befreit,
wahre Lebensseligkeit!

Und den wahren Freundschaftsstunden
wird ein ew'ger Kranz gewunden.
Selbst der Ton, den Schmerz erzwang,
löst sich auf in frohen Sang!

Oh der Welt im inn'ren Herzen!
Nur am heissen Tag der Schmerzen
find'st du die verborg'ne Tür,
find'st den schmalen Pfad zu ihr!

So dich nun des Lebens Schwere
drückt und in der Welten Leere
dir sich auch kein Sternlein hellt,
flieh' in diese inn're Welt!

Wenn auf deines Lebens Höhen
schwarzen Zweifels Stürme wehen
und an nichts dein Glaube hält,
flieh' in diese inn're Welt!

Und wenn dann am Wanderziele
wohl dir wird, und sanft und stille
einst des Lebens Schleier fällt,
wirst Gott finden in der Welt!

Diese Welt musst du dir wählen,
sie wird dir dein Selbst erhellen.
Sie ist Gottes Reich in dir,
deines Lebens Lichtrevier!

Was dein Auge nie gefunden
und dein Herz noch nie empfunden,
beut die Welt als Lebenspfand
dir aus heil'ger Vaterhand!

Wenn wir uns mit der letzten Strophe dieses Gedichts etwas tiefer beschäftigen, so merken wir bald, dass es bei allen vorigen Gedichten in diesem Büchlein ebenfalls hauptsächlich nur um diese innere Welt gegangen ist. Wohl wurde Eichendorff durch die Bilder und Eindrücke aus der Natur bewegt und auch erregt, sich über das menschliche Sein, so wie er selber es erlebt hat, Gedanken zu machen. Aber im eigentlichen Sinne schrieb er eher über diese Eindrücke, als über das blosse Bild der Natur selber. Und wohl musste Novalis auf das so sehr gewünschten Erlebnis der ehelichen Gemeinschaft verzichten, aber er fand in der innern, bewegten Welt seiner Liebe zu seinem wahren, weil bleibenden Freund – Jesus –, den er anstelle einer möglichen Ehefrau inniger zu lieben begann und aus dessen Nähe ihm mehr Licht und Wärme zufloss, als es von einem Menschen her möglich gewesen wäre. Aber auch da konnte es nur dadurch geschehen, dass ihm ein innigster Herzenswunsch versagt blieb. Auch Caroline Rudolphi hatte eine Jugend, die sie spüren liess, wie knapp auf dieser Erde das äusserlich Notwendige sein kann. Und auch sie hatte nicht nur in ihren Gedichten, sondern vor allem auch durch ihre Erziehungsarbeit vor allem für das innere, bleibende Sein gesorgt, und daraus ihren Gewinn erhalten.

Wohl sind auch alle andern Dichter – und überhaupt auch alle Menschen – Kinder ein und desselben Vaters. Aber weil sie sich im All-gemeinen wenig darum kümmern, weil ihr irdischer Tisch mehr oder weniger wohl gedeckt ist, so kümmert sie das wenig, woher sie sind, und wohin sie gehen. Aus diesem Grunde nur sind die Genannten unter diesem Gesichtspunkt zusammengefasst worden. Damit aber ersehen werden kann, dass nicht die blossen Gedanken alleine diese hehre Gemeinschaft mit ihrem Urgrund festigen können, sondern nur dann beglückende Wirklichkeit werden, wenn sie mit der Liebe voll erfasst und im täglichen Leben konkretisiert werden, so wurde auch das Beispiel eines werktätigen Wissenschaftlers – Georg Washington Carver – in unsere Betrachtungen mit einbezogen, dessen Verdienste wir ebenfalls geniessen, die uns jedoch den Einblick in das wahre Sein des Lebens nicht vermitteln können. Das Wissen über die Möglichkeit einer solch segensreichen Verbindung mit dem wahren Ursprung unseres Lebens, dem himmlischen Vater, aber kann unsere Sichtweise und danach auch unser ganzes Sein und Leben sehr wohl in einem günstigen Sinne beeinflussen. Noch mehr können das nur die eigentlichen Worte unseres gemeinsamen Vaters, so wie wir sie in der Bibel finden, aber auch so, wie sie uns seither durch gar manche, leider eher unbekannt gebliebene Seher und Propheten vermittelt worden sind. (Paulus) Wichtiger hingegen ist für einen jeden, wie ernst er sich mit seiner eigenen und darum eigentlichen Situation auf dieser Erde befasst. Denn erst daraus können Früchte erwachsen – und wie wir an den Beispielen ersehen haben: diesseitige und jenseitige. Wer sich in dieser Welt nie so ganz erfüllt fühlt, aber sich an solchen Worten stärken kann, dem gilt im speziellen der Ratschlag in der zweitletzten Strophe des obigen Gedichts:

Diese Welt musst du dir wählen,
sie wird dir dein Selbst erhellen.
Sie ist Gottes Reich in dir,
deines Lebens Lichtrevier!

1) "Blumhardts Kampf" Verlag Goldene Worte, Stuttgart-Sillenbuch
2) Joy Snell "Der Dienst der Engel" Turmverlag Bietigheim
3) Dr. Rebecca Beard "Was jedermann sucht" "Unser Auftrag" "Unser Ziel" Turmverlag
4) Clenn Clark "Der Mann der mit den Blumen spricht" Turmverlag Bietigheim
5) Jakob Lorber, alle genannten Bücher im Lorber-Verlag Bietigheim
6) Biographie über Bruno Gröning Grete Häusler GmbH ISBN 10: 3-933344-53-0