Eine eigene Welt

Alle Abläufe und Erscheinungen im äusseren Leben haben auch Entspre-chungen in unserem innern, seelischen Leben. Warum also nicht aus den Erfahrungen der äussern Lebensabläufe und -gegebenheiten einen Nutzen ziehen für das innere, gemüthafte, seelische Leben. Wer das Äussere sorgfältig studiert, findet darin eine ungeheuer starke Aufmunterung, doch in sich selber dieselben entsprechenden Gesetzmässigkeiten zu beachten. Gerade beim Aquarium in seiner völligen Isoliertheit von aller äussern Wasserwelt ist so schön zu erkennen, wie klar und gesund, weil ungestört eine Lebensentwicklung aus sich heraus (aus dem, was uranfänglich in dasselbe gegeben wurde) möglich wird. Warum eine solche Erkenntnis nicht für die eigene seelische Entwicklung nutzen.

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EINE EIGENE WELT

Vieles passt uns nicht auf dieser Welt, so schön sie uns anderseits auch manchmal erscheinen mag. Eine eigene, bessere Welt zu haben, ist für so manchen der Wunsch seines Lebens, der ihm nicht so leicht erfüllt werden kann. Warum bleibt es nur beim Wunsch und wird nicht zum erklärten Ziel?! Nur darum, weil wir finden, dass es nicht möglich ist. Und weshalb scheint es so manchem nicht möglich zu sein? Wohl nur deshalb, weil man das nicht gut erleben kann. Denn eine eigene Welt ist immer eine innere Welt, und wäre sie es nicht, so wären ja wieder andere darin tätig, sodass sie einem nicht wirklich und vollständig eigen wäre. Bei Kindern kann man das manchmal noch antreffen, dass sie, unberührt von allem äusseren Geschehen, in einer ganz eigenen Welt leben. Aber – wenn das bei ihnen auch noch möglich sein kann, können wir ihre eigene Welt dann auch wahrnehmen? Besteht sie dem Äussern nach nicht doch wieder nur aus denselben Umgangsformen und Gepflogenheiten wie die allgemeine Welt, sodass sie uns gar nicht auffallen würde? Und was haben solche Kinder damit gewonnen? Müssen sie nicht dennoch all das lernen, was wir auch einmal gelernt haben weil es das Leben so erfordert?

In einem speziellen Fachgebiet lässt sich dieser Sachverhalt so wunderbar anschaulich demonstrieren. Ausgerechnet bei einem Aquarium!: In ihm leben Pflanzen, wie in den vielen Gewässern in der Landschaft auch, aber im Aquarium sind sie in einem geschlossenen Behälter gesondert und behütet. In ihm leben auch Fische genau gleich wie in den natürlichen Gewässern, aber ebenfalls beschützt in einer eigenen, von uns zusammengestellten Welt. Auch im Aquarium hat es dasselbe Wasser wie es in Bächen, Teichen und Seen hat, jedoch ohne kontinuierlichen Zusammenhang mit dem Wasser in der äusseren Natur. Und dennoch ist das Wasser darin – sofern ein solches Aquarium richtig und verständnisvoll gepflegt wird – nicht etwa abgestanden, sondern klar, lebensvoll und sauerstoffreich, so richtig zur Freude aller seiner Bewohner. Aber – wer kann es schon glauben, dass das möglich ist?! Früher, als man noch keine grosse Technik kannte und hatte, da wusste so mancher noch aus Erfahrung, dass und wie das sein kann. Heute müsste man es beinahe ausschliesslich glauben, gäbe es nicht hin und wieder noch solche prächtige Aquarien ohne alle äusseren, technischen Hilfsmittel, mit Ausnahme einer zur Beleuchtung notwendigen Leuchtstoffröhre.

Die Ordnung und der Friede darin richtet sich dabei allerdings – eben weil es eine von der grossen Welt getrennte kleine, eigene Welt ist – ganz nach der Erkenntnis, der Liebe und dem Verständnis seines Erschaffers und Betreuers.

Wohl muss als eine unabdingbare Voraussetzung für eine gedeihliche Entwicklung das Licht von aussen her in das Aquarium hinein strahlen, aber das ist auch in der grossen Wasserwelt eine unumgängliche Bedingung. Und wohl muss das Wasser – wenn auch nur in grossen Abständen – wieder einmal erneuert werden; aber das wird es ja in der grossen Natur in den Bächen sekundlich und auch in Seen kontinuierlich durch den Zu- und Abfluss. Und der Zufluss kommt ursprünglich noch stets vom Himmel herab als Regen. Wohl braucht es Futter für die Fische. Aber auch in der grossen Wasserwelt geschieht die Düngung der Pflanzen und die Fütterung der Fische zu einem grossen Teil aus externen Quellen –  durch die vielen menschlichen, und von den das Land bewohnenden Tieren tierischen Abfälle und dem vielen Erdreich, den Pflanzenteilen und dem Holz, das die oft angeschwollenen Bäche oft mit sich reissen. Auf Grund all dieser Einbringungen können sich dann erst die infusorischen Kleinstlebewesen im Wasser so recht entwickeln, welche zur Nahrung der bereits etwas grösseren Wasserinsekten vonnöten sind, die dann ihrerseits den Fischen zur Nahrung dienen.

Also funktioniert ein Aquarium zu einem guten Teil ebenso unter gleichen Voraussetzungen wie die grosse Wasserwelt – nur mit dem Unterschied, dass in der grösseren Wasserwelt sehr vieles aus Unachtsamkeit und Bedenkenlosigkeit der Menschen geschieht, vieles aus Liederlichkeit und Eigennutz und natürlich noch das allermeiste aus dem Walten der ganzen, grossen übrigen Natur, in welche die Wasserwelt gebettet ist. Und eben darin unterscheidet sich die eigene, kleine, bessere Welt im Aquarium von der grossen Wasserwelt: In der grossen Wasserwelt beeinflussen viele ihren Fortgang und ihre Entwicklung; die eigene kleine jedoch beeinflusst nur ihr Besitzer und nach ihm dann all jene natürlichen Lebewesen, mit denen er seine Welt bestückt hat.

Wenn er es versteht, den Bodengrund so zu gestalten, dass er; stets für die gelösten, düngenden Stoffe durchlässig bleibt, nicht jedoch für den noch unreifen, schlechten Abfall der Fische und der zerfallenden Pflanzenteile, so hat er die erste Voraussetzung für eine jahrelange gedeihliche Entwicklung geschaffen. Wenn er dann ferner noch erkennt, welche Fische mit ihren Exkrementen welche Pflanzen ernähren können und welche Pflanzen eher von der durch die Fische ausgeatmeten Kohlensäure leben und dabei den lebensnotwendigen Sauerstoff für die Fische wieder frei setzen, und welche Pflanzen eher den schlecht verdauten Stickstoff in den Verdauungsabfällen (Exkrementen) der Fische, dann kann er eine kleine, heile Welt zusammenfügen, die ihm ein Ort steter Erbauung und Freude ist – besonders, wenn die Gestaltung und die Lebensgemeinschaft darin in ihren wechselseitigen Beziehungen und Bedürfnisse seiner eigenen Gemütsstruktur entspricht.

Wer ein solches Aquarium längere Zeit betreibt, der weiss dann aus der Erfahrung, dass und wie es eine eigene Welt geben kann. Wer es hingegen nicht glauben kann, dass so etwas in einem Aquarium ohne weitere technische Hilfsmittel möglich ist, und sich darum auch nie zum Ziel gesetzt hat, das selber einmal zu probieren, der wird entweder gar nie ein Aquarium haben oder – wenn er schon seiner ruhigen Ausstrahlung wegen eines wünscht –; so wird er im steten Zwiespalt seiner zweifelsvollen Gefühle, unzählige der angebotenen Mittel und Techniken versuchen, um seine ihm vorschwebende Welt zu gestalten – nicht merkend, dass mit soviel Fremdzusatz gar keine eigene Welt mehr möglich ist. Erst nach einer längeren Zeit des Gebrauches solcher Mittel und Techniken beginnt er dann einzusehen, dass die vielen Zusätze seine Welt nicht verbessert, sondern, durch eine vergiftende Überlastung und einer daraus resultierenden Unordnung so verschlechtert haben, dass mit dieser Art von "Hilfe" unmöglich mehr ein gesundes Ganzes zu erreichen sein wird.

Wir ersehen aus diesem Beispiel: Alles, was anfänglich nur Glaube sein kann, muss sich in der Praxis dann auch wirklich bewähren, ehe es als eine Tatsache anerkannt werden darf, soll es uns bei unserer ferneren Tätigkeit nützlich sein und uns bereichern. Sofern aber der Glaube nicht gross genug ist, werden wir kaum den dazu notwendigen Willen und die Kraft aufbringen, in der Praxis unserer Prüfung dem ursprünglichen Gedanken auch wirklich treu zu bleiben. Das bedeutet mit andern Worten gesagt: Etwas Wünschenswertes, das uns – wenn auch nur im Entferntesten –  noch als möglich und erreichbar erscheint, und das wir darum aus zuneigender Liebe zu glauben bereit sind, muss durch die Kraft unseres innigsten Liebewunsches auch so stark erhofft und am Ende gar ersehnt werden, dass wir es zum ausschliesslichen Ziel erheben, sodass unsere daraus hervorgehende Praxis nicht mit etwas dem ursprünglichen Gedanken Fremdem durchsetzt wird, das uns dann den tatsächlichen Beweis der Richtigkeit unseres ursprünglichen Glaubens verunmöglichen würde.

Genauso verhält es sich mit einer eigenen innern Welt: Der ursprüngliche Glaube – zum Beispiel an die Wirksamkeit der beiden Liebegebote in der Bibel, welche uns ja die Erlangung der Seligkeit versprechen – darf in der Praxis unserer Prüfung nicht mit fremdem, geschäftlichen Gedankengut durchsetzt werden. Wie könnten wir dergestalt die Wirkungen der reinen Liebe, die völlig frei von Eigennutz ist, auch tatsächlich prüfen! Denn gerade in ihr erst liegt jener unvorstellbare Reichtum der Möglichkeiten, der durch keine äusseren Umstände mehr geschmälert werden kann, sofern sie durch eine fortwährende Praxis erst einmal rein und stark genug geworden ist, sich und ihre ursprünglichen Ziele nicht stetig selber zu durchkreuzen. Also ist es am Ende dennoch nur die eigene Praxis, die unsere Begriffe von dieser ursprünglichen Liebe, ihrer Kraft und ihres Wesens, läutert und unsere Erkenntnisse über sie erweitert und vertieft, sodass wir erst dann den vollen Gehalt der uns ursprünglich angeratenen Liebe auch zu erahnen und auch immer besser zu erfassen beginnen. Dieser Erfahrungsschatz ist dann dem guten Boden im Aquarium gleich, der das noch Unverstandene und darum noch Unreife (den äussern Abfall der Nahrung, den Kot der Fische) nicht eher in sich und seine Strukturen aufnimmt, als bis es sich durch das lange Verharren in seiner Nähe aufgelöst und seinem Wesen assimilierbar erwiesen hat. So wie ein vorläufiger Glaube sich durch immer mehr Praxiserfahrung bei seiner Anwendung auch zu einem festen Erfahrungswissen wandeln kann, welches das ganze Wesen ebenso bereichernd kräftigt, wie der in all seine Einzelheiten zerfallene Mulm eines Aquarium seinen Boden. Bei einer gröberen, und dadurch den Mulm weniger prüfenden Bodenstruktur geschähe diese Aufnahme vor der "Klärung" in all seine Einzelheiten, sodass seine Vorratskammern ebenso verstopft würden wie das aufnahmefähige Gemüt durch einen frühreifen Aberglauben.

Was aber kann unsere Liebe und Zuneigung zu einer eigenen, und darum innern heilen Welt derart erregen, dass wir voll hoffenden Glaubens stets unablässiger an sie zu denken beginnen, bis wir sie endlich mit der ungeteilten Kraft einer solchen Liebe als Ziel all unseres weitern Bemühens festhalten? Das kann entweder das stets klarere Gewahrwerden der Schalheit aller das gesunde Leben und Empfinden verdrängenden Technik sein, aber auch der Eindruck innerer und äusserer Not, deren Druck uns zu zerbrechen droht, oder die Oberflächlichkeit gesellschaftlicher Gepflogenheiten und die bedenkenlose Liederlichkeit der Ausführung aufgetragener Arbeiten. Oder dann kann es – besonders in der ideelleren Jugendzeit – ein Vorbild, also eine tatsächlich miterlebte innere Welt eines Andern sein. Sind wir aber als Erwachsene überhaupt noch fähig, eine solche eigene, innere Welt, die sich ja doch nur wieder in den gewohnten äussern Formen abbilden kann, auch tatsächlich wahrzunehmen, wenn wir ihr irgendwo begegnen? Wenn unsere innersten Gefühle, die wir in der Jugend hatten, noch nicht völlig stumpf geworden sind, ja.

Ob wir aber durch das schmerzliche Gefühl der eigenen Not oder durch das beglückende Erlebnis einer solchen Welt in einem andern zu unserem Wunsche nach einer eigenen Welt gekommen sind; in beiden Fällen müssen wir einem durch ein solches Erlebnis aufgegriffenen Ziel auch möglichst in allen Situationen unseres ferneren Lebens treu bleiben, weil uns sonst der ohnehin noch nicht voll bekannte Weg dahin zu verschlungen vorkommen müsste, als dass wir ihn noch als den richtigen erkennen könnten.

Darum kann es für uns so wertvoll sein, vorher schon einmal an einem Beispiel – eben in der Aquaristik – daran geübt zu haben, damit wir durch eine Erfahrung zur Gewissheit gelangen, dass sehr oft die einfachsten Wege die besten sind – sofern wir nicht wankelmütig zwischen mehreren Möglichkeiten hin und her wechseln. Man muss die ungeahnte Effektivität einmal erfahren haben, welche in einem solch stillen und von fast allen äussern Mitteln unabhängigen Weg liegt.

So wenig, wie sich die stille, eigene Welt in einem Aquarium aus sich selber gestaltet, so wenig gestaltet sich die grosse Welt der äussern Natur aus sich selbst – etwa wie durch einen Zufall. Aber auch ebenso wenig gestalten sich die Kräfte unserer Seele von selbst zu einer eigenen, bleibenden Welt. Viel eher werden sie – durch unsere Sorglosigkeit ungeschützt – durch die Eindrücke und den Einfluss der grossen Welt zu einem Chaos verkommen. Nur die stille Liebe zum Kleinen und Unscheinbaren aber Wahrhaftigen bringt unsere Kräfte mit Hilfe des Erkenntnislichtes in jene Ordnung, aus welcher uns eine berechtigte Hoffnung und mit ihr immer mehr auch eine eigene Welt zu ergrünen beginnt.

Also kann genau so wie in einem Aquarium auch in einem Menschenherzen eine eigene Welt aus einer eigenen Ordnung entstehen, die von den Vorteilen und Nachteilen der grossen, allgemeinen Welt nicht mehr gross tangiert wird, weil daraus nur gar Weniges und nur sehr exakt und längere Zeit Geprüftes mit einbezogen wird.

Wer ein solches Aquarium betreibt und darum auch sein Eigen nennen kann, der weiss es aus der Erfahrung, dass und wie das geht, und es wird ihm keine Mühe bereiten, dasselbe in sich selber noch einmal zu vollziehen. Wie bei einem Aquarium wird er dabei anfänglich auch mit einigen Komplikationen rechnen müssen. Aber wenn er sich stets auf seinen anfänglichen Vorsatz, auf sein Ziel zurückbesinnt, wird er auch stets mit nur wenigen Mitteln seinem Ziel sicht- und spürbar kontinuierlich immer näher kommen. Selbst die Gesundheit des Leibes leidet vor allem unter unnützem Überfluss an Nahrung mehr als an den Folgen von Arbeit und die Technik, den Leib wieder gesund zu machen, die Medizin trägt über ihre vielen Nebenwirkungen viel dazu bei, dass der eigene Leib nicht mehr so sehr uns selber gehört, als vielmehr den Medikamentenwirkungen, die ihn dirigieren müssen – anstatt unser Wille zur Nüchternheit.

Wäre eine solche Einheit von Glauben, und Handeln – mit dem Resultat einer ganz eigenen und intakt funktionierenden Welt, mitten unter den andern – nicht ein erstrebenswertes Ziel, ein Lebensziel! Allerdings werden wir seine befreienden Auswirkungen erst nach einiger Zeit der Kontinuität auch spürbar erfahren können. Darum ist es so schön und nützlich, es einmal vorher schon bei der Pflege eines Aquariums erlebt zu haben, damit wir dem Ziel auch treu bleiben können.

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