Über den Reichtum in Worten und Begriffen

Worte sind äussere oder sprachliche Bezeichnungen für empfundene oder festgestellte Erscheinungen und Tätigkeiten, aber auch der Art und Weise der beiden, sowie für gedankliche Begriffe. Insofern hat jede Erscheinung ihr Wort, ebenso wie jede Tätigkeit. Nirgends jedoch als beim aufmerksamen Gebrauch der Worte tritt klarer zu Tage, ein wie vielschichtiges Wesen der Mensch ist. Fast alle Worte haben mehrfachen Sinn und sind sowohl für innere Vorgänge und Empfindungen als auch für äussere Erscheinungen zu gebrauchen, weil das Äussere auch immer mit dem Innern in einer bestimmten Weise korrespondiert. Dafür gibt es hunderte von Beispielen. Eines, das Wort "Feuer" soll hier all seiner Bedeutungen nach einmal betrachtet werden.

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ÜBER DEN UNENDLICHEN REICHTUM IN EINZELNEN WORTEN ODER BEGRIFFEN

Ein Wort steht zwar wohl immer für einen Begriff. Wie viele Bedingungen allerdings zur Vervollständigung eines Begriffes notwendig sind und in welchem Verhältnis sie bei einer bestimmten Anwendung des Begriffs zueinander stehen, solches zeigt das Wort nicht an, ebenso wenig wie die Ansicht des Verwenders eines Wortes über die von ihm damit gemeinte genaue Aussage des von ihm verwendeten Begriffs.

Nehmen wir als Beispiel das Wort "Feuer".

Eine Bedingung zum Feuer ist die Wärme in der dazugehörigen Menge oder Konzentration. Eine weitere, nicht so leicht erkennbare Bedingung ist das Vorhandensein zweier verschiedener Stoffe. Eine weitere Bedingung ist die gegebene Eignung der vorhandenen zwei oder auch mehrerer Stoffe zu einer chemischen Vereinigung, ohne welche kein Feuer entstehen kann. Man nennt diese Bereitschaft "Affinität", zu Deutsch: Wesensverwandtschaft oder, chemisch gesehen, Bereitschaft zu einer chemischen Reaktion. Dazu gehört eine vorhandene gegenteilige Unausgeglichenheit des atomaren Wesens dieser Stoffe, welche durch ihre Unausgeglichenheit eine gewisse Bereitschaft zum Ausgleich in sich bergen. Was dem einen Stoff zur Arrondierung seines Wesens fehlt, ist beim andern Stoff als ein Übergewicht vorhanden und bildet damit ein Ungleichgewicht seines Wesens. Das ist eine Voraussetzung zum Entstehen eines Feuers, ohne dass es dabei allerdings schon erbrennen muss. Erst die zur Entstehung eines Feuers notwendige Erwärmung oder Erregung lässt die beiden Teile ihr gegenseitiges sich ergänzendes Bedürfnis zu einem beiderseitigen Ausgleich ihres Wesens erkennen und gibt ihnen die notwendige Kraft zur Durchbrechung ihrer bisherigen Isolation. Obwohl wir bei dieser Betrachtungsweise immer nur ein materielles Feuer vor Augen hatten, ist es leicht zu erkennen, dass auch bei einem inneren, seelischen oder gar geistigen Feuer dieselben Grundbedingungen vorhanden sein müssen: Da sind beispielsweise zwei verschieden geartete Menschen bei der Arbeit oder auch in der Freizeit beieinander. Sie erkennen das Wesen des jeweils anderen damit noch nicht. Aber während der Zeit dieses Beisammenseins kann es geschehen, dass der eine oder andere sich bei seiner Arbeit erregt, wodurch dem andern einen tieferen Einblick in seine innere Situation möglich wird. Das Erkennen dieser Situation kann dann bei einem andern den Wunsch oder Drang auslösen, dem durch Schwierigkeiten Erregten darin beizustehen, dass er ihm vom Überfluss seines Könnens oder Erkennens zukommen lässt. Das wiederum gibt dem durch die blosse Arbeit Erregten die Gelegenheit, ins Wesen des andern Einblick zu bekommen und sich an seiner Fülle und seiner Bereitschaft, zu geben oder sich mitzuteilen, zu erfreuen. Diese Freude aber ist wieder eine neue Erregung, die leicht zu einer Dankbarkeit werden kann und diese wiederum ist eine eigene Fülle der Liebe, die zum Geben drängt, welche Fülle dann wieder vom andern wahrgenommen wird und ihn ebenfalls zu weitern Gaben oder Diensten aneifern kann. Folglich entsteht ein seelisches Feuer auf genau dieselbe Weise wie ein materielles Feuer – insoweit man das Feuer selbst materiell nennen kann. Denn eigentlich ist das Feuer nur die Erregung einer oder mehrerer Kräfte, die zwar im Materiellen Änderungen bewirken, aber selber nicht materiell sind. Sind die oben geschilderten beiden Menschen dann noch zusätzlich nicht gleichen Geschlechtes, so kann sich die Erregung oder die Wärme zusätzlich noch steigern, weil die beiden Geschlechter ebenfalls grundsätzlich auf verschiedene gegenteilige Weise unausgeglichen sind: Während vorwiegend der Mann in sich selber den Ausgleich sucht – zwischen dem in sich erkannten Vorhandenen und der als richtig erkannten Wahrheit – sucht ihn vorwiegend die Frau vor allem im Gesellschaftlichen oder Gemeinsamen (Äussern). Und das sind wieder Gegensätze, die dann allerdings nicht so leicht wieder ausgeglichen werden können, wie sehr sie auch des Ausgleichs bedürften, weil das Innere und das Äussere schon Gegensätze an und für sich sind, die als solche bleiben müssen, soll nicht der Geist durch den naturgesetzesbedingten Tod der Materie zu sehr eingeengt und gefangen werden, was zu seiner Erlahmung und dem endlichen Tode führen kann (Tod im biblischen Sinne des Wortes). Denn die Materie ist in ihrer äussern Beharrlichkeit ein den innern Geist probender Widerstand durch den Anschein ihrer Unüberwindbarkeit einerseits und durch ihren oft wohltuenden Einfluss auf seine Seele anderseits, sodass sie für den Geist des Menschen die Versuchung in sich birgt, sich ihr völlig unbedenklich hinzugeben, wiewohl er doch leicht erkennen kann, dass sie – die Materie – für ihn nur eine scheinbare, weil für ihn vergängliche Grundlage ist. Und bei dieser Feststellung sind wir bereits bei den Grundlagen des geistigen Feuers: Es kann im Ganzen gesehen nämlich nur eine einzige Wahrheit geben, weil mehrere Wahrheiten einander ausschliessen. Es ist zwar beispielsweise eine Wahrheit, dass wir Menschen im Allgemeinen in einem Leibe leben und uns gegenseitig auch nur leiblich wahrnehmen können – keiner sieht unbeschränkt in das Wesen eines andern. Das aber schliesst die Möglichkeit nicht aus, dass der Mensch auch ohne einen materiellen Leib leben kann. Kann er das aber wirklich? Da beginnt der Glaube. Schliesst aber Glaube die Wahrheit aus? – Oder eben doch ein? – Der Glaube ist nichts anderes als ein Dafürhalten, dass etwas so sei, wie man es glaubt. Folglich ist anderseits auch der Glaube, dass das menschliche Leben mit dem Tod aufhöre, ein blosser Glaube (ein Dafürhalten), der lediglich auf der Tatsache beruht, dass man "Geist" mit den materiellen Augen nicht sehen kann, übrigens ebenso wenig wie alle andern Kräfte auch, z. B. die Schwerkraft oder die Elektrizität. Ob es aber nicht noch eine andere Wirklichkeit hinter der Materie gibt, ist mit dieser Tatsache, dass wir einen Leib haben, noch lange nicht belegt. Dass der Geist eine Kraft ist, eine immense sogar, sieht man leicht an jenen, die der Erkenntnisse und Wahrnehmungen ihres Geistes zuliebe sogar eher die grössten körperlichen Qualen in Kauf nehmen, als sich vom Erkannten auch nur im äussern Wortlaut zu trennen (z.B. die Märtyrer). Das geistige Feuer ist also ebenso wie das natürliche Feuer eine Erregung, und zwar eben des Geistes für den ihn erlösenden Reichtum der Wahrheit. Denn die Wahrheit in ihrer ganzen Fülle ist ja erst des Geistes freies Leben. Und ein Geist, der das erkannt hat, ist eher bereit alles andere, materielle, zu opfern, als an der einmal erkannten Wahrheit einen Verrat zu tun, der ihn dann leicht in eine solche Verstrickung bringt, die ihn völlig erlahmen macht und für sein freies Leben und Erkennen "Tod" bedeutet. Und in dieser Hinsicht bleibt dann vorzugsweise der Mann in einer stetigen Unschlüssigkeit, ob er sich eher mit seinem als gediegen erscheinenden Weibe zu einem völlig Ganzen vereinen soll, oder mit der von ihm eher vermuteten als schon völlig erkannten Wahrheit vereint bleiben soll, die er vorläufig ebenso wenig für sich voll erfassen kann, wie er anderseits das Wesen des Weibes in seiner Ganzheit an sich zu binden vermag.

Die Wirkungen eines jeden Feuers, ob ein geistiges oder materielles, sind also ebenso vielfach, wie die Grundbedingungen zu seinem Entstehen: Das Feuer braucht zwar zu seiner Entstehung eine gewisse Wärmekonzentration, erzeugt aber nach seiner Entzündung selber Wärme. Es zerstört zwar in den meisten Fällen die äussere Form, obwohl es anderseits verschiedene Stoffe oder Elemente verbindet. Zumeist löst es aber komplizierte Verbindungen auf und führt sie in einfachere, gasförmige über. Es löst also einerseits Bindungen, bildet aber anderseits wieder neue. Sein Wesen, die Wärme, ist einerseits eine Voraussetzung dafür, anderseits aber auch sein Bestreben, diese Voraussetzung auf alles auszudehnen, um es möglichst ebenfalls ergreifen zu können. Das alles ist also Bedingung und Voraussetzung und Wesen des Feuers – im Materiellen ebenso nachprüfbar wie im Seelischen und Geistigen. Der Grund eines jeden Feuers ist also immer die Steigerung einer bereits vorhandenen, aber in ihrer Ruhe nicht wahrnehmbaren Kraft, die Vorhandenes einerseits zu trennen vermag, aber das Getrennte dann anderseits auch wieder neu vereinen will und kann. Beim natürlichen Feuer ist es eine physikalische oder elektrische Kraft in den Atomen. Zwar können wir Atome als Materie bezeichnen. Ihr Inhalt hingegen ist eine an sich freie Kraft, die nur durch ihre gesetzesbedingte Beharrlichkeit zu einem bleibenden "Etwas" – zu Materie – wird, die allerdings nur so lange dieses "Etwas" bleibt, solange die Ordnung oder der Ausgleich dieser Kraft nicht gestört wird. Ansonsten zerfällt die Materie und verflüchtigt sich in wieder frei gewordene Kraft. Wir verwenden aber dieses Wort "Feuer" – als die ersichtliche Erregung und Steigerung dieser Kraft – noch für andere Vorgänge und Erscheinungen, die weniger offensichtlich sind und dennoch gleiche Ursachen haben, wie wir vorher schon gesehen haben. Nebst der uns bekannten Form der Liebe, als eine Form des Feuers, gibt es noch den Zorn, die brennende Eifersucht oder die Heftigkeit eines jeden Eifers überhaupt (den Feuereifer), die aber ihrerseits nur wieder wesensverschiedene Grundveranlagungen derselben Liebekraft zum Ausdruck bringen.

Wie sich im Materiellen zwei einander verwandte Stoffe bei ihrer Begegnung erwärmen können, bis sich die Wärme zu einem offenen Feuer steigert (z.B. Phosphor an der Luft), so können auch zwei einander wesensverwandte Seelen sich gegenseitig erwärmen, welche Wärme wir Neigung oder gegenseitige Zuneigung nennen können, also eine Neigung vom einen zum andern und umgekehrt – so, wie das vorher einmal bei gegenseitigem Ausgleichen beschrieben wurde. Wird diese Neigung stetig stärker, sodass im dabei erwachten Eifer oder Feuer das blosse Nebeneinandersein als zu wenig empfunden wird, kommt es zu einer festen Vereinigung (Verbindung), in welcher jeder den andern so stark erfasst und umfasst, dass dieser darin auch eine Einschränkung erfährt und die beiden nachher zusammen ein Neues bilden, das auch in seinen ursprünglichen Teilen verändert ist. Darum ist eine Liebe zu einem andern Menschen auch immer dann gefährlich, wenn sie grösser oder auch nur schon ähnlich gross wird wie jene zu Gott. Und das darum, weil nur das oder der Vollkommene (also Gott) fähig ist, zu einer jeden Art von Wesen ein völlig entsprechender Partner oder ein ergänzendes Wesen zu sein. Einzig das Feuer eifrigster Liebe zu Gott ist also fähig, uns wahrhaft selig zu machen, weil es die einzige Vereinigung darstellt, die keine Nachteile hat. Aber selbst zu einer solchen Vereinigung braucht es die stetig sich steigernde Wärme der Neigung bis zum Vollbrande, der das einzelne Wesen (den Menschen) dann zwar auch verändert, aber in jener vollkommenen Art nur, die ihn nirgends einschränkt, weil er nur ein etwas unvollständigeres Abbild der Vollkommenheit ist und sich darum noch immer so stark vom Vollkommenen abhebt, dass er als Teil für sich erhalten bleibt, dass er aber dennoch wenigstens so vollkommen geartet ist, dass er niemanden mehr verletzen kann und darum einem jeden gleichartigen (aber nicht gleichseienden) Wesen verschwistert wird.

Das alles sind Bedingungen zum Entstehen eines Feuers und Wirkungen des Feuers, das aus seinem vielschichtigen Grundwesen heraus so verschiedene Wirkungen hervorbringen kann, dass wir sie überall auf dem Erdball antreffen, und zwar im materiellen, wie im seelischen und geistigen Teil dieser Erde – also im Charakter der Materie und jenem der Seele und des Geistes. So ist beispielsweise die Eigenwärme der Erde, die in ihrem Innersten wohl mehrere tausend Grad erreichen wird, mit den Wärmestrahlen der Sonne vereint erst tauglich, auf ihrer eher noch kalten Oberfläche Leben und Werden zu ermöglichen. Erst in ihrem Zusammenwirken können sie das erreichen. Denn das Feuer der Sonne ist dem Leben auf der Erde in seiner Heftigkeit auch feindlich und wird nur durch die stete Drehung der Erde um ihre eigene Achse gemildert. Anderseits ist es der Druck gegenseitiger Neigung oder (in der Materie) gegenseitiger Anziehung der verschiedenen Teile, der schuld daran ist, dass die Erde, wie alle Erdkörper, sich in ihrem Innern entzünden und ein stetiges Feuer unterhalten.

Wenn also in irgendeiner Schrift das Wort "Feuer" gebraucht wird, in welcher Bedeutung wird es da verwendet sein? Ist beispielsweise das Feuer des Zornes nicht ein Feuer der in ihrer Ordnung gestörten Liebe – eben zu dieser Ordnung, welche alle Unordnung ausgeschieden haben will? Ist das höllische Feuer der Eigenliebe nicht der Eifer einer solch zornigen Liebe für sich und ihren alleinigen eigenen Nutzen selbst, und zwar im Streit mit der gleichartigen Liebe anderer Wesen? Ist ein feuriger Eifer oder das Feuer des Eifers nicht die Erregung der Liebe zum endlichen Gelingen ihrer geliebten Idee? Also ist doch Gott im Grunde ebenso gut Feuer wie der Satan. Nur für was es sich entzündet hat, unterscheidet sie voneinander. Die austeilende Liebe, die in den andern ihre Erfüllung findet, mildert ihren Druck durch das Teilhabenlassen; die auf sich selbst konzentrierte Liebe hingegen erhöht den Druck nahezu bis zum Unaushaltbaren. Also ist alle Kraft ein Eifer, ein Feuer, ob in der Materie oder im Geiste. Denn auch das Kreisen der Elektronen um ihren Atomkern ist ein Eifer oder ein Feuer für sich, wenn auch in einen kleinsten Raum gebannt und darum nach aussen wenig bemerkbar. Denn: obwohl die Elektronen von der Fülle des Kernes angezogen werden, so streben sie dennoch unablässig nach Freiheit und Ungebundenheit, sodass ihre kreisförmige Bewegung nichts anderes, als eine durch die Anziehung verhinderte Fluchtbewegung ist (darum auch das Wort "Fliehkraft"). In der grossen Masse allerdings bewirken diese beiden in ihrem Wesen entgegen gesetzten Kräfte eine Erwärmung, wie das bei den Erdkörpern in ihrem Innern offenbar wird.

Wenn also mit den Worten der Schrift ausgesagt wird: "Und es fiel Feuer von Gott aus dem Himmel und verzehrte sie" (Off. 20, 9), ist das dann ein materielles oder ein geistiges Feuer? Ist nicht in jedem Falle ein geistiger Teil dabei, weil ja auch bei einem materiellen Feuer nur eine – allerdings gebannte – Kraft tätig ist, nämlich jene Kraft, durch deren festgelegte Ordnung die Materie erst entstanden ist? Muss ein materielles Feuer nicht alle ergreifen, die an der Materie festhalten und kann es anderseits nicht all jene erlösen die wider ihren eigentlichen Willen an die Materie festgebannt waren? Ist also der Sinn jenes in der Offenbarung beschriebenen Feuers, dass es verderbe? Sicher, denn jedes Feuer zerstört die bisherige Ordnung, weil es das bisher Gebannte einerseits erlöst, anderseits in neuer Ordnung auch wieder mit anderem vereint. Oder ist ein solches Feuer nur ein mächtiges Vereinen? Sicher, aber nur was sich vereinen lässt und nur unter der Bedingung der vorherigen Lösung des zu Vereinenden von seinem Bisherigen. Also ist es stets eine grosse Erregung zur Veränderung. Steht nicht in der Bergpredigt, dass es besser sei, die sein inneres Wesen ärgernde Hand (seine bloss der äussern Welt dienende Tätigkeit) abzuhauen und als Krüppel oder Behinderter in das (innere) Leben – das Reich Gottes – zu kommen, als mit beiden Händen in das ewige Feuer der Hölle zu fahren? Muss also nicht der eigene Eifer, das eigene Feuer also, besorgt sein, sich vom Bisherigen zu trennen, um nicht im Zwiespalt zweier Ordnungen ein ewiges Feuer der nicht zu bewerkstelligenden Lösung einerseits und der ebenso wenig erreichbaren Vereinigung anderseits zu erleiden? Heisst es nicht im Nachtrag zu dieser Predigt, dass ein jeglicher mit Feuer gesalzen werden muss so wie jedes Opfer gesalzen wird? (Gesalzen mit der hingebungsvollen Liebe zum Höheren, Besseren, zur vollen Wahrheit, die Grund alles Seins ist, also zu dem Ursprung oder zur Liebe Gottes.)

War Gott nicht aus sinnbildlichen Gründen im brennenden Busch vor dem Angesicht Moses erschienen, zeigend, dass vorerst sein Feuer, sein Eifer tätig war, ihn und seines ganzen Volkes Sinn umzuwandeln in der langen Reise durch die Wüste, also einer Entbehrung vom eigenen sinnlichen Trachten und Streben? Sind aber anderseits nicht auch die Teufel im Feuer des nie erlöschenden Widerstreites mit Gott, da sie endgültig seiner Ordnung loswerden wollen zu Gunsten ihrer eigenen, selbst gewählten Ordnung, die eine Unordnung ist, nicht nur im Widerstreit mit Gott, sondern sogar auch mit allen ihren Gleichgesinnten. Denn ihr Sinn ist: alles für sich, und nichts dem andern.

Ist der Zorn Gottes ein Feuereifer für seine heilige Ordnung oder für den Erhalt der Individualität der Menschen, die fortwährend seine ursprüngliche Ordnung stören, aber dennoch aus eben dieser Ordnung hervorgegangen sind? Wenn Gott straft, straft er dabei zum Tode oder straft er den Tod, um ihn zum Leben zu nötigen? Und wie erfährt ein gutwilliger, aber schwacher Mensch eine Strafe, und wie erfährt ein böswilliger Mensch ein und dieselbe Strafe? Wer das Feuer in sich selbst noch nicht kennt, ja noch nicht einmal empfunden hat, wie will der verstehen, was Feuer ist und wen es wonniglich, und wen peinigend ergreift! Was will er mit einem solcherart äusseren Wortbegriff anfangen, der in sich die ganze Schöpfung enthält, wovon er den allerkleinsten und alleräussersten, weil toten und noch fühllosen Anteil hat? Wenn es heisst, dass das Himmelreich nur inwendig zu suchen und zu finden ist, besagt das nicht, dass alles Verständnis (auch der Schrift) nur in der Wärme des eigenen Innern zu finden ist? Denn nur, was verstanden wird, drückt einen nicht, und nur mit dem grossen Verständnis anteilnehmender Liebe können wir uns derart ordnen, dass unsere Ordnung weder andere stört noch von andern gestört werden kann. Darum auch finden wir zum Verständnis Gottes – wie seines Wortes – nur alles in uns selbst, auch dann, wenn wir von aussen, durch das äussere Wort, dazu Anleitung finden können. Denn: "Gott schuf den Menschen ihm zum Bilde" heisst nur, dass unser Wesen dem Seinen in der Ordnung des Seins gleicht, und heisst nicht, dass unsere äussere Form seiner Form gleicht, weil ein Geist zwar Formen schaffen kann, selber aber als Geist keine materielle Form haben kann. Heisst aber anderseits noch lange nicht, dass das eigene Wesen unserer von ihm erhaltenen Kraft, die zwar seine Ordnungszüge in sich birgt, schon in derselben Vollkommenheit wäre wie die Seine.

Wollen wir ihm gleich sein, so müssen wir frei sein und uns aus unserer Freiheit und Einsicht heraus ebenso zu ordnen beginnen, wie Gott es von Ewigkeit her war. Das heisst: von innen her.

Wir können zwar seine Werke bestaunen und seine Worte von aussen her vernehmen, weil beides seiner Ordnung entspricht (damit wir innerlich nicht genötigt werden, sondern frei bleiben). Aber wir können beides nicht aus dem blossen Verstande beurteilen, sondern nur aus dem Leben unserer Liebe heraus und dem Empfinden, das uns diese Liebe gibt. Denn die Liebe alleine ist und bestimmt unser Leben. Sie alleine füllt auch alle äussern Worte mit innerem Leben.

Wer zum Beispiel aus dem Satz, dass Geben seliger ist als Nehmen (Apg. 20, 35.), folgert, dass er all sein Geld unter die Armen verteilen soll, und nachher sieht, was Dummes die derart reich gewordenen Beschenkten alles tun, der wird aus dem innersten Grunde seiner Liebe heraus fragen, zu was denn das nütze gewesen sei und fragt sich weiter, ob unter "Geben" denn doch nicht eher die geistigen Gaben als die materiellen gemeint sind. Fragt er das aber laut, so werden sofort alle wohlhabenden Geizigen, die das hören, für sich und ihr geiziges Verhalten in Anspruch nehmen, dass mit diesem Ausspruch Jesu bloss ein geistiges Geben gemeint sei, ohne dabei zu merken, dass sie mit ihrer bisherigen Einstellung und ihrer vorherrschenden Liebe zum Sammeln materieller Güter ja gar nicht befähigt sind, Geistiges zu geben. Solche Menschen müssen zuerst Materielles geben, weil ein jeder nur davon geben kann, wovon er hat, und erst durch das dabei Erlebte herausfinden kann, wie viel von den beiden – dem Geistigen und dem Materiellen – zu geben ist, und in welcher Reihenfolge, damit es dem Empfänger auch einen bleibenden Nutzen abwerfen kann. Dabei werden sie dann zu erkennen beginnen, dass eine leichte Not nur geistige Gaben braucht, weil diese bei ihrer Aufnahme ins Gemüt schnell eine äussere Not wenden können; dass aber schwere und schwerste Not Leidende zuerst materielle Gaben brauchen, weil ja derjenige, der eine schwere Not leidet zuerst zur Besserung seiner äussern, ihn allzu sehr beengenden Verhältnisse etwas (Materielles) braucht, damit seine Seele durch das Nachlassen des äussern Druckes wieder freier und damit zu einer ferneren Aufnahme (geistigen Gutes) geeigneter wird. Denn starke äussere Not kann das Gemüt verschliessen, sodass es ein erlebtes Entgegenkommen braucht, um es wieder zugänglich werden zu lassen und damit auch wieder aufnahmefähig für geistige Gaben werden kann.

Also ist das seligere Geben erst in seiner vollendeten, ausgewogenen Art des Gebens wirklich fruchtbar und die Herzen beider – des Gebenden und Empfangenden – erfüllend. Und dazu muss der Geizige vor allem lernen, Materielles zu geben, damit er dadurch in seinem innern Wesen, seinem Gemüt, mehr Platz für ein geistiges Verständnis erhält, das dann seine naturbedingte bremsende Veranlagung überwinden kann, während der sorglos Freigiebige vor allem studieren oder inne werden muss, woher die äussere Armut kommt, welche zuerst äussere Gaben notwendig hat. Denn es ist ebenso unrichtig, freigiebig zu sein, um beliebt zu werden und sich die Menschen geneigter zu machen und sich dadurch seiner Stellung zu sehr zu erfreuen, wie es unrichtig ist, durch die Liebe zum Materiellen sich von diesem nicht – wenigstens teilweise – zu trennen, weil sonst am Ende kein Geistiges mehr in ihm Platz finden kann und er dennoch – dann eben ohne alles geistige Gut – seinen materiellen Leib einmal verlassen muss. Also liegt die Seligkeit auch beim Geben nur im richtigen Mass. Nur erscheint es anderseits für eine Seele, die noch in ihrem materiellen Leibe steckt, im Allgemeinen leichter, das Nehmen zu üben, als das Geben. Jedoch gibt es unter den Menschen verschiedene Charaktere. So kann es beispielsweise für einen Stolzen recht schwierig werden, das Nehmen, das Annehmen, zu üben, weil er mit einem Annehmen seine vorherige Bedürftigkeit erkennen lassen müsste. Das kann ihn innerlich allerdings sehr arm werden lassen, weil er sich damit nicht nur von seinen Brüdern und Schwestern trennt oder abheben will, sondern auch von seinem Schöpfer, seinem Vater im Himmel. Für ihn ist zwar Geben ebenfalls seliger als Nehmen, aber weil eine solche Einstellung das Nehmen völlig ausschliesst, so muss ein solcher endlich verarmen, weil wir Menschen, im Ganzen gesehen, nichts geben können, das wir zuvor nicht erhalten haben – und wäre es nur das Leben selbst und die Fähigkeit, zu urteilen, um damit unser ganzes ferneres Leben zu gestalten.

Bei solchen Betrachtungen wird uns klar, wie wenig das äussere Wort einen Inhalt bezeichnen kann. Denn so gesehen kann "Geben" einerseits ein "sich Bescheiden auf das Notwendige" sein, aber bei andern wieder ein "sich Herausstellen, ein Gewinnen oder Nehmen von Ehre und Ansehen"; und "Nehmen" kann im Allgemeinen ein "sich Bereichern" sein, im Speziellen aber auch ein "Geben oder Zugeben" seiner Bedürftigkeit und damit ein Wunsch zur Offenheit und Ehrlichkeit.

So viel Worte und Erklärungen braucht das richtige Erkennen und Handeln, wenn wir es mit dem Verstande begreifen und erfassen wollen, aber so leicht ist es anderseits durch das Innewerden aus dem Gefühl einer geordneten Liebe heraus, die uns erbrennen macht für das Höhere und Gute und uns dadurch vereint mit der Ordnung jener Kraft, aus welcher alle Kräfte ihr individuelles Leben erhalten haben. Ein solches Erbrennen ist dann auch vor allem ein richtiges Geben, ein sich Hingeben und Vereinen mit unserem Grunde, aus welchem wir geworden sind. Denn: "Gott ist Liebe, und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm" (Joh. 4, 14.).

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